Gelsenkirchen. . Mit dem Konzept von Bundesarbeitsministerin Nahles (SPD) kann das IAG 2015 mit kleinen Schritten etwas Neues beginnen.
Zweieinhalb Jahre ist es her, seit ein breites Bündnis aus Verbänden, Gewerkschaften, Kirchen, Politik, IAG und Verwaltung den Gelsenkirchener Appell aus der Taufe gehoben hat. Ziel des ambitionierten Projekts: 1000 Langzeitarbeitslose über ein ausgeklügeltes Finanzierungsmodell in einen sozialen Arbeitsmarkt zu integrieren. Noch ist der Appell indes nicht mal in Teilen umgesetzt; Bund und Land lehnten trotz intensiver Bemühungen bislang die Übernahme eines Kostenanteils ab.
Aber 2015, da soll das ehrgeizige Projekt endlich Fahrt aufnehmen. Anders als ursprünglich gedacht und bestenfalls für ca. 700 Langzeitarbeitslose, die über drei unterschiedliche Finanzierungsbausteine bezahlt werden. Reiner Lipka ist zuversichtlich, in der Gruppe von Hartz IV-Empfängern, die ihm besonders am Herzen liegt, endlich etwas Positives bewegen zu können.
Einstieg in eine öffentlich geförderte Beschäftigung gefordert
Was den Geschäftsführer des Intergrationscenters für Arbeit Gelsenkirchen (IAG) optimistisch stimmt, ist, dass Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) mit ihrem Anfang November in Berlin vorgelegten Konzept zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit auch den Einstieg in eine öffentlich geförderte Beschäftigung ankündigt. Gleichzeitig will sie im ersten Quartal 2015 das ESF-(Europäischer Sozialfond) Programm zur Eingliederung langzeitarbeitsloser Leistungsempfänger auf den Weg bringen. 32 000 erwerbsfähige Hartz IV-Empfänger leben in Gelsenkirchen. Damit gehöre die Stadt, so Lipka, neben Bremerhaven, Brandenburg, Halle, Schwerin oder Essen zu den zehn Städten bzw. Kreisen mit der höchsten SGB II-Quote. Lipka regt also nicht von ungefähr an, Fördermittel nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern gezielt in Problemregionen einzusetzen. Eine Botschaft, die bei Nahles wohl angekommen ist.
Lipkas Idee: Er würde zunächst mit 320 Langzeitarbeitslosen erproben, ob es gelingen kann, die Menschen langfristig zu aktivieren. Dabei denkt der IAG-Chef vorausschauend: „Wir haben den demografischen Wandel und werden in fünf Jahren auch in Gelsenkirchen einen Fachkräftemangel erleben.“ Wenn man also heute anfange, Menschen zu beschäftigen, sie zu aktivieren und zu qualifizieren, stiegen ihre Chancen auf einen Job am ersten Arbeitsmarkt.
Greifen müsse der Appell bei jener Gruppe ganz normaler Leute, die irgendwann ohne ihr Dazutun arbeitslos geworden seien und sich seither vehement um Arbeit bemüht haben. Menschen also, die lediglich am knappen Arbeitsplatzangebot gescheitert seien. Reiner Lipka: „Denen zu sagen, ,strengt euch mal ein bisschen an, dann findet ihr auch Arbeit’, wäre zynisch.“
Kommentar: Ein Anfang. Immerhin
Nach der kollektiven Klatsche der ehemaligen Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) für die Väter und Mütter des Gelsenkirchener Appells ist es mindestens äußerst wohltuend, wenn sich deren Nachfolgerin Andrea Nahles (SPD) mit dem notwendigen Engagement einem drängenden Problem und dessen Lösung zuwendet. Denn Arbeits- und Perspektivlosigkeit können nicht nur träge und gleichgültig, sondern auch richtig krank machen. Da reichen die zur Verfügung stehenden Instrumentarien, auf die Von der Leyen die Gelsenkirchener Appell-Aktivisten so gerne kurz und knapp verwies, einfach nicht aus.
Dabei kann das IAG – die aufgrund individueller Lebenslagen tatsächlich nicht vermittelbare Gruppe von Leistungsempfängern einmal ausgeklammert – durchaus auf Erfolge im normalen Alltagsgeschäft verweisen. Immerhin wird jeder dritte freie Arbeitsplatz in Gelsenkirchen mit einem Hartz IV-Bezieher besetzt. 2014 wurden so insgesamt 5800 Stellen vermittelt. Ein Tropfen auf dem heißen Stein in einer vom Strukturwandel und Krisen gebeutelten Stadt. Die angepeilten 700 Arbeitsverhältnisse, die zum Teil auch am ersten Arbeitsmarkt angesiedelt sein sollen, sind folglich allenfalls ein Mikro-Tröpfen. Aber ein Anfang. Immerhin. Und nicht zuletzt das Ergebnis geschlossener Beharrlichkeit der Appell-Akteure.