Gelsenkirchen. . Seit 2011 berät Talentscout Suat Yilmaz im Auftrag der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen und Umgebung Schüler aus bildungsfernen Familien

Wie bekommt man Schüler aus bildungsfernen Familien oder junge Frauen mit Migrationshintergrund dazu, sich für ein Elektrotechnik- oder Wirtschaftsinformatik-Studium in Gelsenkirchen einzuschreiben? Suat Yilmaz kennt die Tricks. Er ist der erste Talentförderer an einer Deutschen Hochschule überhaupt – und begibt sich seit 2011 für die Westfälische Hochschule auf „Schatzsuche“.

Leistungsträger im Kinderzimmer

Dafür bereist er Schulen im nördlichen Ruhrgebiet, auf der Suche nach Schülern, die in der zehnten Klasse zwar glanzvolle Abschlüsse haben, aber keinen Akademiker-Hintergrund. Schüler, deren Eltern sich für den Nachwuchs eher eine kurze Lehre wünschen als ein Studium. Von Generation zu Generation werden hier die Lebensläufe weitergeschrieben. Suat Yilmaz hingegen zeigt Alternativen und Möglichkeiten auf, eröffnet Perspektiven und ermutigt die Jugendlichen, an sich und ihre Zukunft zu glauben. Oft besucht er sie auch zu Hause, schaut sich das Umfeld an und leistet bei den Eltern Überzeugungsarbeit.

„Bei Jugendlichen, die ein Zimmer mit mehreren Geschwistern teilen, keinen Internetanschluss und keinen PC besitzen, nach der Schule im Haushalt helfen, arbeiten gehen und erst nach 21 Uhr für die Schule lernen können und dabei dann einen Notendurchschnitt von 2,5 schaffen, kann man erkennen: Das sind Leistungsträger oder eben Talente“, erklärt Suat Yilmaz, der als Sohn eines türkischen Gastarbeiters einst auch seinen ganz eigenen Weg zum Studium und Traumberuf fand und diese Erfahrungen nun weitergibt.

Individuelles Potential fördern

„Wir verstehen es als unseren Auftrag als Hochschule, jungen Menschen Lotsen an die Seite zu stellen, die ihnen bei der Navigation durch unbekannte Gewässer helfen“, erklärt Professor Dr. Bernd Kriegesmann, der Präsident der Westfälischen Hochschule. „Dabei geht es nicht einmal in erster Linie darum, die Schüler hier an die Hochschule zu locken – sondern darum, ihr individuelles Potenzial zu fördern“, sagt er. „Die Beratung unserer Talentscouts kann auch zu Tage fördern, dass eine duale Ausbildung ein besserer Weg als ein Studium wäre“, so Kriegesmann.

Die besondere Art der Schatzsuche an der Westfälischen Hochschule hat ein bundesweites Medienecho ausgelöst und soll nun auch an anderen Hochschulen eingeführt werden, verkündete Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsministerin Svenja Schulze in dieser Woche.

„Die westfälische Hochschule hat gezeigt, wie wir Jugendlichen aus weniger privilegierten Verhältnissen den Weg an die Hochschulen ebnen können. Der Ansatz ist richtungsweisend für das ganze Land“, so Schulze. Ihr Ministerium will in den kommenden vier Jahren rund 22 Millionen Euro für die Talentförderung bereit stellen. Die Westfälische Hochschule darf ihr Talentscouting-Programm ausweiten und soll künftig zudem eine Koordinierungsstelle für andere Hochschul-Talentförderstellen beheimaten. „Dort sollen die anderen Hochschulen dann beispielsweise Tipps erhalten, wie sie den Kontakt zu Schulen und Lehrern aufnehmen und ausbauen können“, erklärt Bernd Kriegesmann. „Wir freuen uns übrigens sehr, dass die Arbeit, die hier vor Ort quasi im eigenen Saft erstanden ist, nun Früchte trägt“, fügt er hinzu.

Als Auszeichnung zu verstehen

Und auch Suat Yilmaz ist die Freude über das neue Signal der NRW-Landesregierung deutlich anzumerken. „Ich empfinde diesen Schritt der Landesregierung auch als Auszeichnung für die Arbeit, die unser Team hier vor Ort in Gelsenkirchen und Umgebung leistet, die aber auch die Lehrer in den Schulen leisten“, erklärt Suat Yilmaz. „Es ist zudem auch eine Auszeichung für die Jugendlichen hier in der Region, die trotz widriger Umstände oft erstaunlich viel leisten. Ihnen wird mit diesen Förderprogrammen gezeigt, dass man großes Vertrauen in sie hat und auf ihr Potenzial setzt, weil sie für die Zukunft dieser Region wichtig sind“, betont der Talentförderer.

Die Westfälische Hochschule erhält künftig 1,5 Millionen Euro pro Jahr für eine neue Servicestelle, die anderen Hochschulen bei der Einrichtung von Talentförderstellen helfen soll.

Ab Februar 2015 können sich NRW-Hochschulen dann für das Projekt bewerben. Eine Fachjury soll dann zunächst fünf auswählen. 2017 könnten weitere vier Hochschulen hinzu kommen.