Gelsenkirchen. . Es ist zehn, zwölf Jahre her, das standen die großen Städte wie Gelsenkirchen Schlange, um mit US-Konsortien einen besonderen Steuer-Deal einzugehen: das Cross-Border-Leasing. Die Stadt verhökerte damals nicht nur das Kanal-Netz, das ihr mittlerweile wieder gehört, sondern auch 30 Gebäude. Dazu gehört auch das Rathaus Buer.

Es gehörte mal zum guten Ton für große Städte, über einen legalen Steuertrick an zusätzliche Einnahmen zu kommen. Das war Anfang des Jahrtausends, und der Trick nannte sich Cross-Border-Leasing (CBL). Auch Gelsenkirchen machte damals mit.

Rund 21 Millionen Euro kassierte die Stadt bei zwei CBL-Geschäften. Mitte 2002 wurde das Kanalnetz vergoldet, ein halbes Jahr später gingen Schulen und andere öffentliche Gebäude – 30 an der Zahl – über den großen Teich, wechselten nach amerikanischem Recht auf Zeit den Eigentümer und wurden in einem zweiten Schritt zurückgemietet. Sollte es zu Streitigkeiten kommen, die Stadt ist nach deutschem Recht Eigentümerin, wäre der Gerichtsort in den USA. Die Aussichten: nicht rosig. Anders als beim Kanal stimmte die SPD, die diese Transaktion als zu risikoreich einschätzte, nicht für das Geschäft.

Zusätzliche Sicherheiten

Dann kam das Jahr 2008 mit der Finanzkrise und schüttelte den US-Finanzdienstleister AID gewaltig durch. Gelsenkirchen, bis dahin Profiteur des Deals, musste für den in der Bonität herabgestuften Konzern neue Sicherheiten bringen, sonst hätten Vertragsstrafen in dreistelliger Millionenhöhe gedroht. Die Stadt erstand zur Absicherung US-Anleihen in Höhe von 45,2 Millionen Euro, die ohne Verlust wieder veräußert wurden. Damit wurde der „Kanalteil“ des Cross-Border-Geschäfts trotz der außerordentlichen Belastung mit Plusminusnull abgeschlossen.

Der „Gebäude-Teil“ des Geschäfts indes läuft noch. Das Rathaus Buer, ein Bestandteil des Deals aus 2002, muss eher heute als morgen saniert werden. Das ist bekannt, und deshalb stritten die Parteien jetzt im Hauptausschuss über die Einstellung von Planungskosten für die Jahre 2015 und 2016 in Höhe von je 100 000 Euro. Dabei wurde schnell deutlich, dass das Gebäude besonderen Standards unterliegt, denen des Cross-Border-Leasing (siehe: Ende 2002 gingen 30 Gebäude über den großen Teich).

Einigte sich die Politik auf Vorschlag von Bettina Lenort, Leiterin der Kommunalen Gebäudewirtschaft, schließlich darauf, die nähere Planung zunächst aus vorhandenen „Bordmitteln“ zu bestreiten, ergab die Recherche der WAZ, dass es vor allem mit Blick auf den durchaus abrissreifen, fünfstöckigen Anbau des Rathauses Probleme geben könnte.

Standards sind im Vertrag festgeschrieben

Der Grund ist im geheimen und streng gehüteten Cross-Border-Vertrag festgeschrieben. Demnach ist Gelsenkirchen verpflichtet, die Gebäude mit den jeweils geltenden einschlägigen Standards der Stadt zu erhalten. Sie muss auch Sorge dafür tragen, dass der bauliche und technische Standard der CBL-Immobilien nicht schlechter ist als der vergleichbarer Gebäude der Stadt. Dabei stellt sich die Frage, ob es sich bei einer vergleichbaren Immobilie zum Rathaus Buer nicht um das topmodernisierte Hans-Sachs-Haus handelt.

Notwendige Modernisierungen und Umbauten, die den gesetzlichen Vorschriften entsprechen müssen, führt die Stadt durch und bezahlt sie. Das ist ausdrücklich geregelt. Und: Modernisierungen und Umbauten dürfen nicht dazu führen, dass die CBL-Gebäude nach Abschluss aller Maßnahmen nur noch durch die Stadt nutzbar sind oder ihre Restnutzungsdauer reduziert wird.

Daraus ergeben sich Budget-relevante Fragen, die nun beantwortet werden müssen: Darf die Stadt den Anbau abreißen? Und: Muss sie dafür das Einverständnis des CBL-Partners einholen, der nach amerikanischem Recht Eigentümer des Rathauses Buer ist?

Ende 2002 gingen 30 Gebäude über den großen Teich

Cross-Border-Leasing (CBL) ist ein Verfahren, bei dem die Geschäftspartner ihren Sitz in verschiedenen Staaten haben. In der Regel wird CBL genutzt, um eine unterschiedliche Gesetzgebung in zwei Ländern zu nutzen und dadurch Steuern zu sparen oder sie zu vermeiden.

Neben dem bereits wieder rückabgewickelten Kanal-Deal verkaufte die Stadt Gelsenkirchen Ende 2002 auch 30 Gebäude an einen Fonds, um sie dann selbst wieder zu pachten. Nach WAZ-Informationen gehören dazu neben dem Rathaus Buer das Bildungszentrum Ebertstraße sowie die Verwaltungsgebäude Zeppelinallee 4, Kurt-Schumacher-Straße 2 und 4 sowie Vattmannstraße 11. Die Gebäude der Realschulen an der Grenzstraße 3, Mühlenstraße 15, Hagemannshof 5, St. Michael-Straße 1 und Mühlbachstraße 3. Ebenfalls die Immobilien der Gymnasien Leibniz, Grillo (plus Außenstelle), Schalker, Ricarda-Huch, Max-Planck, Annette-von-Droste-Hülshoff und Carl-Friedrich-Gauß. Die Gesamtschulen Buer-Mitte, Horst und Ückendorf (Berger Feld wurde ausgeklammert, Bismarck gehört der Stadt nicht). Die Berufskollegs Augustastraße 52 und 54, Grimmstraße 42, Overwegstraße 63, Goldbergstraße 58, Königstraße 1, Goldbergstraße 60 und Heegestraße 14.