Gelsenkirchen. . Seit vielen Jahren betreibt der Pfadfinderstamm Wulfila auf dem früheren Gelände von Hugo-Ost ein Igel-Hotel im Gelsenkirchen. Jungtiere, die noch zu klein sind, werden hier über den Winter gebracht. Redaktionsmitarbeiterin Kira Schmidt war als „Zimmermädchen“ dabei und kümmerte sich unter anderem um den grummeligen Günther.

Es ist dunkel draußen. Einzig der Verkaufsstand für die Weihnachtsbäume spendet Licht. Von Leuchtreklame oder Werbebannern keine Spur. Obwohl ich heute in einem der bekanntesten Hotels des Stadtnorderns mittendrin statt nur dabei bin. Ich versuche mich als Zimmermädchen und begegne dabei einem schläfrigen Bewohner, der ganz schön stachelig ist, am liebsten seine Ruhe hat und sogar das Essen verweigert.

Über eine abenteuerliche Treppe geht es hinab in den Keller des Pfadfinderheims an der Ressestraße. Hinter einer Eisentür leben die zwölf Bewohner des „Igel-Hotels“ des Pfadfinderstamms Wulfila. Zwölf gleich große, graue Boxen sind hier Suiten für die Stacheltiere. Und es geht gleich los. Mantel ausziehen, Latexhandschuhe anziehen. Am besten gleich zwei Paar, rät Michael Kwiatek, einer der Hoteliers. Ein Paar nämlich sei schnell durchstochen.

Als erstes geht es zum Wiegen

Neben mir sind auch ein paar andere Zimmermädchen da. Sie alle kommen von der Mädchengruppe der Pfadfinder. Sie wissen schon, was zu tun ist. Ich bekomme es von Jonna Luthe erklärt: „Als erstes wird der Igel gewogen.“ Nur so nämlich ist es möglich, die Gewichtszunahme zu kontrollieren. Und die ist ja das eigentliche Ziel des ganzen Premiumangebotes. Schließlich öffnet das Hotel nur für jene die Türen, die es allein in der freien Wildbahn nicht schaffen, zu überwintern.

Redaktionsmitarbeiterin Kira Schmidt im Igel-Hotel des Pfadfinderstamms Wulfila in Gelsenkirchen.
Redaktionsmitarbeiterin Kira Schmidt im Igel-Hotel des Pfadfinderstamms Wulfila in Gelsenkirchen. © WAZ

Wie jedes gute Zimmermädchen muss ich lernen, die Betten zu machen. Dafür muss zunächst das alte Zeitungspapier aus der Box genommen werden, bis sie ganz leer ist. Dann wird der Boden ausgelegt. Das ist quasi das Bettlaken. Die Decke folgt sogleich. Sie besteht aus Streifen von Zeitungspapier. „Einfach in die Kiste legen“, erklärt Jonna Luthe. „Am besten alles auf einen Haufen. Den Rest macht der Igel dann selbst.“ Der nämlich sei ganz gut aufgestellt in Sachen Innenarchitektur.

Geheimrezept für Igel-Menü

Für den guten Schlaf ist gesorgt, für den vollen Magen noch nicht. An der Wand hängt ein Plan, der das Geheimrezept für ein Fünf-Sterne-Igel-Menü verrät. Die Basis dafür ist Katzenfutter. Dazu kommen Nährstoffe und Vitamine. Ich werde nun Küchenchef und etwas überrascht angeschaut, als ich alles gründlich verrühre. Ich entnehme den Blicken, dass das nicht nötig gewesen wäre.

Das Gemeinschaftswerk ist beendet. Ich bekomme „Zimmer 11“ zugewiesen und muss allein klar kommen. Tue ich auch. Der Bewohner wurde eben auf den Namen Günther getauft. Und er ist etwas grummelig. Ich setze ihn in die Küchenwaage, lese das Gewicht ab, suche seine Karteikarte heraus - und bin schockiert. Heute wiegt er 200 Gramm. Vorgestern waren es noch 230. „Ein sicheres Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt“, weiß Michael Kwiatek. Deswegen ist auch schon der Hotelarzt vor Ort. Günther muss medizinisch versorgt werden.

Finanziert wird alles durch Spenden

„Es geht ihm schon die ganze Zeit nicht so gut.“ Und da ist sie, die bittere Realität fernab von charmanten Witzen über das kleinste Hotel der Stadt. Auch wenn sich alle Helfer die größte Mühe geben, es kann nicht jedes Tier durch den Winter gebracht werden. Das ist eben auch die Natur. Zudem ist es beachtlich, dass das Igelhotel überhaupt so erfolgreich ist. Denn es ist ja auch ein Kostenfaktor. „Finanziert wird alles durch die Hilfe von Sponsoren“, erklärt Michael Kwiatek.

Ich habe Günthers Bett gemacht und ihm das Essen serviert. Jetzt kann ich nur hoffen, dass er sich drüber her macht. Und dass er sich schnell beruhigt. Den Personalwechsel im Hotel nämlich fand er ziemlich blöd. Auch Igel sind eben Gewohnheitstiere.