Essen/Gelsenkirchen. Eine miteinander verwandte Gerüstbaukolonne hat fast ihren Chef tot geprügelt, weil dieser den Sohn gekündigt hatte. Vor dem Landgericht Essen sind sie des versuchten Totschlags angeklagt. Einer der Beschuldigten sagte zu Prozessbeginn aus: “Für mich war es nicht dramatisch“.

Mit Arbeitsrecht hatte das nichts mehr zu tun: Eine im Eon-Kraftwerk in Scholven eingesetzte Gerüstbaukolonne soll ihren Chef fast tot geprügelt haben, weil er einem Mitarbeiter gekündigt hatte. Versuchter Totschlag ist vor dem Landgericht Essen angeklagt.

Eine Familie sitzt vor Gericht. Vater Rade D. (52) mit seinen drei 22 bis 31 Jahre alten Söhnen und seinem 29 Jahre alten Schwiegersohn. Am 12. April 2010 soll der Bauleiter dem 28-jährigen Sohn gekündigt haben, weil dieser Arbeit verweigerte. Deshalb hätten sie sich rächen wollen.

"Wir hauen ab, der ist tot"

Bewaffnet mit Baseballschläger und Eisenstange seien sie am 15. April um 4.30 Uhr auf dem Werksgelände erschienen. Sie sollen auf ihn eingeschlagen haben, vor allem am Kopf, heißt es in der Anklage. Erst als er sich tot stellte, seien sie gegangen. „Wir hauen ab, der ist tot“, soll einer gerufen haben. Die Ärzte stellten später fest, dass ihm das Nasenbein gebrochen und drei Schneidezähne herausgeschlagen wurden.

Zum Prozessauftakt äußert sich nur Vater Rade D. über Verteidiger Burkhard Benecken. Er betont, wie leid ihm alles tut: „Es war ein Kurzschluss, für den ich mich heute schäme.“ Nach der Kündigung des Sohnes hätte der Chef ihnen allen die Kündigung ausgesprochen. Er sei deshalb enttäuscht und voller Existenzangst gewesen, heißt es in der Erklärung. Er habe sich erst einmal mit den Kindern betrunken. Schließlich hätten sie beschlossen, dem Bauleiter einen Denkzettel zu verpassen. Dazu hätten sie zwei Baseballschläger mitgenommen: „Die hatten wir zum Spielen zu Hause.“

Wer die Erklärung hört, wundert sich, dass die Familie das Kraftwerk erreichte. Denn Vater Rade D. sagt, er sei wegen Trunkenheit „aus dem Auto gestolpert, auf dem Weg fiel mir der Schläger hin“. Als er den Bauleiter sah, habe ihn eine „unglaubliche Wut“ gepackt. Zugeschlagen hätten sie, aber nur im Schulterbereich. Für Rade D. war es kein versuchter Totschlag, sondern eine Körperverletzung: „Es dauerte Sekunden. Für mich war es nicht dramatisch.