Gelsenkirchen-Buer. Nach 33 Jahren im Schuldienst ging Lehrer Lothar Ständeke in die Altersteilzeit. Aber statt sich zur Ruhe zu setzen, meldete er sich freiwillig als Steuermann - und begleitete Schüler im “Segelnden Klassenzimmer“ der Hermann-Lietz-Schule Spiekeroog.

33 Jahre im Schuldienst: Da hat ein Lehrer so manchen Sturm erlebt und genug vom Unterrichten, sollte man meinen. Sollte man, muss man aber nicht. Lothar Ständeke (64) aus Buer jedenfalls reichte der hohe Wellengang zwischen Notenvergabe und Konferenzen offenbar noch nicht. Kaum hatte 2009 seine passive Phase der Altersteilzeit begonnen, meldete er sich als ehrenamtlicher Steuermann für die Touren des „Segelnden Klassenzimmers“ der Hermann-Lietz-Schule Spiekeroog.

Ein bisschen große Freiheit

Mit 25 Zehntklässlern rund um die Uhr von Hamburg zu den kanarischen Inseln über den Atlantik in die Karibik segeln, nach Mittel- oder Südamerika und Kuba: Für den früheren Leiter des Goethe-Gymnasiums Dortmund atmen diese Segeltörns ein bisschen große Freiheit.

„Nach dem geregelten Schuldienst habe ich die Weite des Meeres regelrecht genossen“, sagt Ständeke wenige Wochen nachdem er von seiner zweiten Tour zurückgekehrt ist; er begleitete die Schüler, vier Lehrer und die nautische Crew die Teilstrecke von Hamburg nach Madeira. Im Oktober 2010 in Hamburg gestartet, wird die restliche Besatzung im Mai wieder nach Deutschland zurückkehren.

Gelassenheit

„Schon als Jugendlicher lernte ich das Segeln in einer evangelischen Gemeinde in Wattenscheid“, erzählt Ständeke, der mit seiner Frau fast jede freie Minute auf einem Schiff verbringt. Einen Zweimastschoner wie die „Johann Smidt“ zu steuern, treibt seinen Blutdruck also nicht in die Höhe, zumal er schon vor Jahren die Prüfung für den Sporthochsee-Schiffer-Schein mit der Zusatzqualifikation Traditionssegler abgelegt hat.

Aber ohnehin ist der Mann mit dem silbergrauen Seebären-Bart eher von der gelassenen Sorte. Was zwischen pubertierenden Jugendlichen nicht von Nachteil sein dürfte: Zwar war Ständeke bei den „Klassenreisen“ 2009/10 und 2010/11 als Steuermann eingesetzt, aber trotzdem zuständig für die seemännische Ausbildung der Schüler.

Eine echte Herausforderung

„Sie mussten lernen, Schiffsorte zu bestimmen, am Ruder zu stehen, Einträge in die Brückenkladde vorzunehmen und das Schiff sauberzuhalten.“ Eine echte Herausforderung also, standen doch auch Kochen (für 36 Leute), Wäsche waschen und Schulunterricht samt Klausuren auf dem Plan - sprich: Persönlichkeitsentwicklung in jeder Hinsicht, Konfliktlösung inklusive. „An Bord gehen Kinder, zurück kommen Erwachsene“, hat Ständeke erlebt.

Auch für sich hat er einiges gelernt: „Ich habe mich darin bestätigt gefühlt, wie wichtig es ist, Jugendlichen etwas zuzutrauen. Sie gewinnen dann an Selbstbewusstsein und Leistungszuversicht.“

Freiheit schnuppern

Die Weite des Meeres, die so begrenzten Auslaufmöglichkeiten auf dem Schiff mit seinen winzigen Zwei- bis Zwölf-Mann-Kabinen, der nahezu völlige Verzicht auf Privatheit - all das hat ihm aber auch klargemacht, „mit wie wenig Platz man auskommen kann und wie unwichtig letztlich materielle Dinge sind“, sagt er - und hat sich bereits für die nächste Reise des „Segelnden Klassenzimmers“ angemeldet. Bevor die im Oktober startet, heißt es jedoch schon am 10. März wieder „Leinen los!“ Ständeke segelt mit einem Freund von Panama nach Neuseeland: Ein bisschen große Freiheit schnuppern.