Der Essener Maximilian Bonmann hat sich den Traum vieler Jugendlicher erfüllt: Er segelt derzeit auf einem Schiff um die halbe Welt - und besucht gleichzeitig die Schule. Hier aus erster Hand sein Erlebnisbericht über die Erfahrungen auf offener See:

„In den nächsten acht Monaten werde ich den Atlantik noch dreimal und den Äquator zweimal überqueren.

,West Island College International Class Afloat’ hat es mir ermöglicht, diese unglaubliche Erfahrung zu machen. Wir segeln mit einem 57 Meter langen Dreimaster über den Atlantik und durch das Mittelmeer. Wir besuchen dabei Städte wie Dublin, Istanbul, Dakar, Kapstadt, St. Helena und Port of Spain.

Unsere sehr internationale Crew besteht aus einem Kapitän, zwei Offizieren, einem Arzt, einem Koch, zwei Ingenieuren, zwei Bootsmännern und 48 Schülern. Ich bin einer von diesen.

Wochentage spielen auf diesem Schiff keine Rolle mehr: Es gibt nur Tag eins bis fünf. Wochenenden oder Ferien kennen wir nicht. Freizeit haben wir nur dann, wenn wir in den Häfen vor Anker liegen. Dort verbringen wir zwischen drei und fünf Tagen. Die Tage auf See jedoch sind wir im Klassenraum oder an Deck.

,Class Afloat’ ist ein kanadisches Programm, deswegen stammt die Crew auch zum größten Teil aus Kanada. Wir haben aber auch Schüler aus den USA, Mexiko, Deutschland, Neuseeland, der Karibik und den Bermudas an Bord. Deshalb wird der Unterricht auf Englisch abgehalten. Die Lehrkräfte folgen dem kanadischen Lehrplan der Provinz Nova Scotia. Tests und Examen finden auf See statt.

Mit dem Abschluss nach der 12. Klasse hat man das kanadische Abitur und somit die Zugangsberechtigung zu jeder kanadischen Universität und – je nach Bundesland – auch zu jeder deutschen Hochschule.

Die Erfahrung, die ich seit Januar 2009 gewonnen habe, ist unbeschreiblich. Man lernt Leute kennen, die total verschieden sind, aber trotzdem die besten Freunde werden, die man sich vorstellen kann. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl mit einer solchen Crew zu lernen, die Welt zu sehen, die schönsten Sonnenuntergänge zu erleben und Freundschaften zu schließen.

Jeder Tag an Bord ist eine neue Entdeckung. Mal ist es ein ruhiger Tag mit leichtem Wind und Sonnenschein, mal hat man Windstärken von 40 Knoten pro Stunde, fünf Grad Celsius und Regen. Auf der Strecke von Argentinien nach Kapstadt segelten wir sogar an 35 gigantischen Eisbergen vorbei.

Die Tage sind lang und man ist immer bereit, in der Vier-Mann-Kajüte schlafen zu gehen. Dies geschieht jedoch nur für kurze Zeit. Jede Nacht müssen wir im Wechsel für zwei Stunden auf der Brücke stehen und das Boot auf Kurs halten oder Ausschau nach anderen Schiffen halten.

Das Schiff wird tatsächlich 24 Stunden von den Schülern gesteuert: Nachts steht die Nachtwache parat, tagsüber übernehmen das Steuer diejenigen Schüler, welche eine Freistunde haben. Der Alltag ist anstrengend und die Schule ist, verglichen mit der zu Hause, sehr Kräfte raubend. Trotz allem ist es machbar und ich erlebe hier eine unglaubliche Zeit mit Menschen, welche ich in meinem Leben nie vergessen werde. Ich bin sehr dankbar, dass ich jetzt schon im zweiten Jahr ein Schüler von „West Island College Class Afloat“ bin.

Das Schiff hat meine Weltanschauung und Perspektive verändert. In Ländern wie Namibia habe ich zum ersten Mal wirklich realisiert, wie Armut aussieht und dass Kinder trotz finanzieller und wirtschaftlicher Probleme glücklich sein können. Diese Menschen wissen, dass man jeden Tag und jede Speise schätzen sollte. Gegenstände haben in solchen Ländern keinen Wert. Freundschaft und Liebe - diese Werte machen die Menschen dort glücklich.“