Gelsenkirchen-Ückendorf. Dirk Oehlerking betreibt in Gelsenkirchen eine Motorrad-Manufaktur an der Bochumer Straße. Sein Atelier ist Showroom und Bauplatz für Stilikonen.

Straßenflucht an der Bochumer Straße. Das Haus Nummer 160 ragt optisch heraus. Es ist frisch gestrichen und durchsaniert, steingrau und weiß setzt sich die Fassade vom Umfeld ab. Der Blick fällt durchs Schaufenster, auf leuchtende Weihnachtskugeln, gebettet in einer großen Fruchtschale. Skulpturen ruhen auf Holzsäulen, Bilder und ausladende Kunststücke lehnen an den Wänden, bauchige silberfarbene Kerzenhalter stehen auf rustikalen Holzregalen, die an uriges Handwerk erinnern.

Inhaber und Mastermind von Kingston Custom in Gelsenkirchen

Schaustück im wohnlichen Umfeld: Eine Mischung aus Galerie und Showroom hat der Gelsenkirchener Dirk Oehlerking im Vorderhaus an der Bochumer Straße 160 geschaffen.
Schaustück im wohnlichen Umfeld: Eine Mischung aus Galerie und Showroom hat der Gelsenkirchener Dirk Oehlerking im Vorderhaus an der Bochumer Straße 160 geschaffen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Wie beiläufig auf dem Dielenboden abgestellt wirkt das Motorrad in der Ecke am Fenster. Und es ist dennoch der Hingucker und Werbeträger für all das, was hier passiert. Dirk Oehlerking, Ex-Rennfahrer, dann lange Zeit klassischer Motorradhändler und nun Inhaber und Mastermind von Kingston Custom, betreibt eine einzigartige Motorradschmiede. Unter seiner Hand werden aus Motorrädern Träume für betuchte Kundschaft und Sehleute, werden klassische Kräder zu Stilikonen.

Weltweite Resonanz

Motorrad-Zeitschriften weltweit haben über die Motorräder von Kingston Custom berichtet und die Modelle dabei teils spektakulär optisch in Szene gesetzt. Schwerpunkt: Das weiße und das schwarze Phantom.

Dirk Oehlerking fährt auf seinen Bikes auch noch Rennen – gerne auf der Sprintdistanz über eine Viertel Meile.

Nächste Projekte sind in Vorbereitung, beispielsweise eine Motorradjacke aus dem Hause Kingston Custom. Die Marke hat sich der Gelsenkirchener schützen lassen.

Seine Manufaktur an der Bochumer Straße sieht der 47-Jährige auch als Treffpunkt (nicht nur) für die kleine, feine Szene. Alle „paar Wochen“ plant Oehlerking künftig ein offenes Atelier. „Mal gucken, wie das anläuft“.

Der 47-Jährige öffnet die Hofdurchfahrt und den Weg in eine andere Welt, die von der Bochumer Straße so weit entfernt zu sein scheint wie Kingston von Ückendorf. Oehlerking ist ein Meister der Inszenierung: Auf dem Hof steht eine offene Feuerschale, dahinter stehen die Rolltore zur Halle offen. Ein cremeweißer Porsche-Nachbau des legendären 356er-Modells fällt sofort ins Auge. Cutdowns, Low Rider und Bobber flankieren den Zweisitzer. Motorräder, die auf den Kern reduziert sind und doch alles für den großen Wow-Effekt haben. Oehlerkings Kreationen, handmade in Gelsenkirchen, exklusiv für die Welt.

Das Motorrad kriegt eine komplett andere Linie

Mastermind, Handwerker, Kreativdirektor und Transporteur in Personalunion: Dirk Oehlerking ist Chef von Kingston Custom und baut einzigartige Motorräder.
Mastermind, Handwerker, Kreativdirektor und Transporteur in Personalunion: Dirk Oehlerking ist Chef von Kingston Custom und baut einzigartige Motorräder. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Auf BMW-Basis mit Boxermotoren baut Oehlerking besonders gerne seine Legenden auf, aber auch Kräder asiatischer, italienischer oder englischer Provenienz haucht er ein zweites, aufregendes Leben ein. „Ich verpacke neu. Das Motorrad kriegt eine komplett andere Linie und steht am Ende völlig anders da“, sagt er. Was sie alle verbindet? Den Lenkerkopf der Kreationen ziert stets eine Zündkerze. Für den Gelsenkirchener ist sie Sinnbild für allzeit „zündende Ideen“.

Eine Zündkerze krönt bei den Dirk Oehlerking präsentiert am Dienstag, 03. Dezember 2019 in Gelsenkirchen besondere Motorräder. Der Ex-Rennfahrer verkauft die Custom Bikes weltweit.
Eine Zündkerze krönt bei den Dirk Oehlerking präsentiert am Dienstag, 03. Dezember 2019 in Gelsenkirchen besondere Motorräder. Der Ex-Rennfahrer verkauft die Custom Bikes weltweit. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Ein Zwischenspiel als Autohandel und dann langen Leerstand hatte die Hinterhof-Halle als ehemalige Schmiede hinter sich. Wie das so ist: Gerümpel und Schrott blieben. 13 Container voll Müll hat Oehlerking zunächst entsorgt und sich dann weit über ein Jahr lang an die Arbeit gemacht, Bau und Optik von Grund auf umzukrempeln. Den alten, hellblau gestrichenen Putz hat er von den Wänden geholt, in Handarbeit mit „Millionen von Hammerschlägen“. Die Garagen hat er saniert, den Innenhof gestaltet, die Rolltore mit den Glasfenstern eingebaut („am 24. Dezember. Ich wollte das dicht haben. Die waren mein Weihnachtsgeschenk“), das Vorderhaus hat er gleich mit auf Vordermann gebracht. Im Obergeschoss ist eine schmucke Gästewohnung entstanden. Im Parterre der Showroom, der gleichzeitig auch Küche, einladender Essplatz, Treffpunkt und Besprechungsraum ist.

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Ein Porsche-Nachbau steht in der Halle. Mit dem Roadster (er hat eine Anhängerkupplung!) liefert Dirk Oehlerking seine Motorräder bei seinen Kunden ab. Neben Sportwagen und Motorrädern bleibt viel Raum zum Wohlfühlen.
Ein Porsche-Nachbau steht in der Halle. Mit dem Roadster (er hat eine Anhängerkupplung!) liefert Dirk Oehlerking seine Motorräder bei seinen Kunden ab. Neben Sportwagen und Motorrädern bleibt viel Raum zum Wohlfühlen. © Jörn Stender

Etwas verrückt darf es sein

Dass Oehlerking und seine Frau Christel Pafferath, die mit ihrer Firma „Stil Arbeit“ professionell Einrichtungsideen umsetzt, gerne in Holland auf Möbel-, Antiquitäten- und Raritätensuche gehen, zeigt sich hier an etlichen Exponaten im Detail und der Grundausrichtung: Gediegen, gemütlich, verspielt und etwas verrückt darf es sein. Wie die Motorräder.

Weltweite Resonanz

Motorrad-Zeitschriften weltweit haben über die Motorräder von Kingston Custom berichtet und die Modelle dabei teils spektakulär optisch in Szene gesetzt. Schwerpunkt: Das weiße und das schwarze Phantom.

Dirk Oehlerking fährt auf seinen Bikes auch noch Rennen – gerne auf der Sprintdistanz über eine Viertel Meile.

Nächste Projekte sind in Vorbereitung, beispielsweise eine Motorradjacke aus dem Hause Kingston Custom. Die Marke hat sich der Gelsenkirchener schützen lassen.

Seine Manufaktur an der Bochumer Straße sieht der 47-Jährige auch als Treffpunkt (nicht nur) für die kleine, feine Szene. Alle „paar Wochen“ plant Oehlerking künftig ein offenes Atelier. „Mal gucken, wie das anläuft“.

Zwei Bikes hat Dirk Oehlerking aktuell in seiner sauber aufgeräumten Werkstatt in Arbeit. Der kreative Prozess läuft oft über Wochen.
Zwei Bikes hat Dirk Oehlerking aktuell in seiner sauber aufgeräumten Werkstatt in Arbeit. Der kreative Prozess läuft oft über Wochen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Auch in seinem eigentlichen Metier ist Oehlerking in Personalunion Art-Direktor, Handwerker, Vermarkter und schließlich sogar Spediteur. „Ich liefere alle Motorräder persönlich aus. Ich will wissen, wo sie stehen.“ Sein Credo: „Kreativ wird man, wenn man es für sich baut. Und wenn ich Zeit habe, dann wird es auch gut. Man muss es leben. Sonst haut es nicht hin.“ In seiner Krad-Schmiede herrscht penible Ordnung, jeder Schraubenschlüssel liegt sortiert an seinem Platz, zwei Kräder auf Montageplattformen zeigen verschiedene Umbaustufen, hier liegt ein Motorblock, dort ein Entwurf für eine Seitenverkleidung. Von Schmier, Fett oder Ölflecken keine Spur.

Eine Galerie, ein Atelier und eine Wohlfühlzone für große Jungs

Die „White Phantom
Die „White Phantom" entstand in der alten Werkstatt von Dirk Oehlerking. Sie ist längst auf Welttournee, gilt als rollende Skulptur. © FFS | Volker Hartmann

Jede Schraube, jede Speiche „geht durch meine kräftige Hand“, sagt der 47-Jährige und grinst. „Nur Lackier- und Sattlerarbeiten gebe ich außer Haus. Ich kann nur alleine arbeiten. Was ich vor Augen habe, kann ich kaum vermitteln. Das ist oft ein langer Prozess.“ So ist auch das weiße Phantom entstanden. „Sie ist mittlerweile die meistgepostete BMW aller Zeiten und wurde zigmal kopiertauf der Welt.“ Mit ihrer Schwester, dem schwarzen Phantom, ist sie auf Welttournee, wird in Museen und auf Messen gezeigt. Bilder erinnern in seiner Werkstatt an den großen (Ent)-Wurf, der ihm weltweit Renommee verschafft hat.

Ein Boxsack und ein paar hölzerne Wasserski

Werkstatt, das trifft es nur bedingt. Oehlerking hat hier auch in einem Zuge eine Galerie, ein Atelier und eine Wohlfühlzone für große Jungs geschaffen. Ein Kaminofen bullert und treibt die Eiseskälte aus der Halle. Die Rolltore sind hochgeschoben, Kerzen brennen. Auf langen Holzbänken liegen flauschige Schafsfelle, in der Ecke steht ein höchst einladendes Ledersofa im Vintage-Look, daneben ein sattroter Barwagen, der ein Vorleben als Werkzeugkasten hatte. Ein Boxsack und ein paar hölzerne Wasserski, einst Sperrmüllbeute, sind wie beifällig drapiert. Von Wand zu Wand reicht über den Werkbänken das Regal mit den Pokalen und Trophäen, die er als Sportler seit dem zwölften Lebensjahr in seiner aktiven Motorsportlaufbahn zusammengefahren hat.

„Je mehr ich mache, desto besser werde ich.“

Die alte Schmiede hat der Gelsenkirchener weitgehend in Eigenarbeit hergerichtet. Sie soll auch Treffpunkt für Events werden. Vertreter der Wirtschaftsförderung und der Stadt hatte er jüngst zu Gast, bei „Licht an“, der Veranstaltung auf der Galeriemeile, begrüßte und bewirtete er zahlreiche Gäste aus der ganzen Region.
Die alte Schmiede hat der Gelsenkirchener weitgehend in Eigenarbeit hergerichtet. Sie soll auch Treffpunkt für Events werden. Vertreter der Wirtschaftsförderung und der Stadt hatte er jüngst zu Gast, bei „Licht an“, der Veranstaltung auf der Galeriemeile, begrüßte und bewirtete er zahlreiche Gäste aus der ganzen Region. © Stadt GE

Oehlerking hat ein Umfeld geschaffen, dass nicht nur ihm bei der Arbeit Freude machen soll. Er plant langfristig, ist überzeugt: „Je mehr ich mache, desto besser werde ich.“ Dass er in Ückendorf nach dem Umzug seines Betriebs von der nahen Parkstraße am rechten Ort ist, steht für ihn fest. „Ich glaube an diesen Stadtteil. Erst recht an die Bochumer Straße auf diesen 800 Metern. Das wird ein Hotspot. Das ist Fakt. Jeder, der hier aufschlägt, hat immer etwas Negatives gelesen oder gehört. Die Leute sind dann ganz überrascht, wenn sie das hier alles sehen.“