Gelsenkirchen-Ückendorf. Der Stadtumbau längs der Bochumer Straße in Gelsenkirchen nimmt rasant Fahrt auf. Das alte Problemviertel wandelt sich gründlich und kreativ.
Die Bochumer Straße wird trendiger Feierabendtreff, an dem immer mehr junge Leute nachts feiern. Vor ein, zwei Jahren hätte solch eine Aussage zumindest Kopfschütteln, eher Hohngelächter ausgelöst. Szeneleben fand im Kreativ-Quartier trotz mehrere Galerien, herausragender Festivals und Party-Events eher temporär statt. Ansonsten war die Straße in Ückendorf in Nachbarschaft erster Adressen wie Wissenschaftspark und neuem Justizzentrum eins: in Verruf. Heruntergekommene Immobilien, Leerstände, Probleme. Matthias Krentzek, einer der Akteure und Unternehmer vor Ort, ist selbst ein Stück weit erstaunt über den Dreh, der sich nun auch sichtbar vollzogen hat, vor allem, wenn er sieht, „dass immer mehr Leute einen ganzen Abend an der Bochumer Straße verbracht haben“.
Viele Akteure arbeiten in Ückendorf zusammen
Die umtriebigen Macher von „1Null7“ und „Trinkhalle“ ziehen Besucher, sind die Vorboten der gastronomischen Veränderung. „Es hilft natürlich, wenn das noch mehr Angebote kommen“, steht für Krentzek fest. Daran arbeiten etliche Akteure derzeit – mit zunehmendem Erfolg. Involviert sind die städtische Wirtschaftsförderung, die mit der SPE. Standort- und Projektentwicklung aus Gelsenkirchen und dem Institut für Arbeit und Technik (IAT) der Westfälischen Hochschule die ansässige Unternehmen betreut und Nutzungskonzepte entwickelt. Dass ist vor allem aber auch die Stadterneuerungsgesellschaft SEG. An die 30 (Schrott)-Immobilien hat die SEG längs der Bochumer Straße zwischenzeitlich aufgekauft. Drei wurden bereits wieder an Investoren verkauft, 27 hat sie im Bestand, teilweise schon saniert oder im Umbau. Die Quartierserneuerung nimmt rasant Fahrt auf. „Wir kommen jetzt so richtig in die Bauphase Doch wir können gar nicht so schnell sanieren wie die Nachfrage ist“, stellt SEG-Geschäftsführerin Helga Sander fest.
Im Gebäude Bochumer Straße 11ß läuft derzeit die Kernsanierung, für die Häuser Nummer 99, 100, 102, 107 und 164-166 sind Bauanträge gestellt. „Dort werden wir 2020 loslegen. Da steckt ordentlich Potenzial drin“, so Sander. Das zeigt sich im Stadterneuerungsquartier bereits auch an anderer Stelle. Die aktuellen Entwicklungen: An der Bergmannstraße 9 hat der Street- und Pop-Art-Künstler Beni Veltum seine Galerie eröffnet. Das benachbarte Ladenlokal bezieht mit Michelle Miszczuk aus Bochum eine weitere Künstlerin. Die Kreativen Roman Pilgrim und Alexander Stratmann haben sich derweil im Haus Bochumer Straße 162 mit ihrem Atelier angesiedelt.
Vintage-Handel Tom’s Corner am 1Null7
Im kleinen Ladenlokal an der Bochumer Straße 105 sieht der Antiquitäten- und Schallplattenhändler Tom Udovic Entwicklungschancen für seinen zweiten Handelsstandort. Udovic, regelmäßig in der lokalen und deutschlandweiten Presse sowie im TV zu sehen, ist mit seinem Vintage-Handel „Tom’s Corner“ eine Institution in Bochum.
Ein Motorrad-Designer hat die Immobilie Bochumer Straße 158 als Wohn- und Gewerbekomplex gekauft. Aus der 100 Jahre alten Schmiede im Hinterhof liefert Ex-Rennfahrer Dirk Oehlerking seit rund einem Jahr besondere, individuell personalisierte Bikes in die ganze Welt. Seine Frau, die Galeristin und Innenausstatterin Christel Pafferath, wird das Ladenlokal an der Straßenfront nutzen.
Starke Nachfrage fürs Co-Working
Matthias Kretzek und seine Partner sind mit ihrem „C/O Raum für Kommunikation“ von der Bergmannstraße in ein größeres Ladenlokal an der Bochumer Straße 140-142 gezogen. Hier hat die SEG auch seit mehren Monaten im renovierten Haus ihren neuen Sitz, ebenso ist eine Medienproduktionsgesellschaft eingezogen. Krentzek zählte vor rund drei Jahren zu den ersten, die das „Experiment“ Selbstständigkeit im Quartier wagten und der nun auch selbst die Veränderungen für sein Geschäft spürt. „Wir kriegen mittlerweile so viele Anfragen von Co-Workern, dass wir fast keinen mehr aufnehmen können“, sagt er. Und: „Ückendorf und die Bochumer Straße machen die Runde. Das ist seit dem Sommer deutlich zu spüren. Das Quartier wird bekannt.“