Gelsenkirchen-Buer. Im Sankt-Marien-Hospital Buer kamen in knapp zwei Monaten drei Kinder mit der gleichen Fehlbildung zur Welt. Die Ursache ist völlig unklar.

In Gelsenkirchen sind zwischen Juni und Anfang September drei Babys ohne voll ausgebildete Hände zur Welt gekommen: Diese Nachricht schreckt werdende Eltern (nicht nur) in der Stadt auf.

Geboren wurden die Kinder im Sankt-Marien-Hospital Buer (MHB), dessen Frauenklinik und Geburtshilfe die Mütter erst zur Entbindung das erste Mal untersuchte, wie Unternehmenssprecher Wolfgang Heinberg betont. Weil diese Häufung innerhalb von knapp zwei Monaten auffällig ist, nahm das Haus umgehend Kontakt zu einer Humangenetikerin der Berliner Charité auf.

Bei zwei der Babys ist die linke Hand deformiert: Beim sonst normalen Unterarm sind die Handteller und Finger jeweils „nur rudimentär angelegt“. Bei dem dritten Kind ist mit der gleichen Auffälligkeit die rechte Hand betroffen. Weitere Fehlbildungen wurden nicht festgestellt, auch nicht vom Arzt der Kinderklinik des Partnerkrankenhauses Marienhospital Gelsenkirchen, das über ein Perinatalzentrum für Frühgeborene verfügt.

„Familien der Babys mit Fehlbildungen wohnen im lokalen Umfeld“

Hat sich zur Ursachenforschung an Spezialisten der Berliner Charité gewandt: Chefarzt Dr. Adalbert Waida von der Geburtsklinik des Sankt-Marien-Hospitals.
Hat sich zur Ursachenforschung an Spezialisten der Berliner Charité gewandt: Chefarzt Dr. Adalbert Waida von der Geburtsklinik des Sankt-Marien-Hospitals. © FUNKE Foto Services | Thomas Schmidtke

Ethnische, kulturelle oder soziale Gemeinsamkeiten der Herkunftsfamilien habe die Geburtsklinik unter Leitung von Chefarzt Dr. Adalbert Waida nicht feststellen können. Ob die drei Mütter aus Gelsenkirchen stammen, wollte Heinberg aus Datenschutz-Gründen nicht sagen, nur so viel: „Alle Familien wohnen im lokalen Umfeld.“

„Das mehrfache Auftreten mag eine zufällige Häufung sein. Wir finden jedoch den kurzen Zeitraum auffällig. Wir haben Fehlbildungen dieser Art viele Jahre lang nicht gesehen“, erklärte Heinberg. Im Marienhospital Gelsenkirchen seien keine Babys mit derartigen Fehlbildungen zur Welt gekommen.

Ein bundesweites Melderegister für Fehlbildungen gibt es nicht, nur ein europäisches (Eurocat), in dem die MHB-Geburtsklinik aber noch nicht registriert ist.

Infektionen oder Gifte eventuell Ursache

Statistisch würden ein bis zwei Prozent aller Neugeborenen mit einer Fehlbildung unterschiedlicher Ausprägung geboren. Solche an Händen oder Füßen „können während der Schwangerschaft durch Infektionen oder Gifte unterschiedlicher Art auftreten, sind insgesamt aber selten.“ Entscheidend entwickelt würden die Extremitäten sehr früh in der Schwangerschaft, zwischen dem 24. und 36. Entwicklungstag nach Befruchtung der Eizelle.

Eine ebenfalls mögliche Ursache sei auch das Abschnüren der Hände oder Füße durch Bänder der inneren Eihaut (Amnionbänder) oder durch Umschlingungen der Nabelschnur während der Schwangerschaft im Mutterleib. Dadurch könne die betroffene Extremität sich nur eingeschränkt weiterentwickeln.

Auch interessant

Kontakt zu Spezialistin in Berliner Charité aufgenommen

Um möglichen Ursachen auf die Spur zu kommen, hat das MHB sich an die Spezialistin Dr. Katarina Dathe im Universitätsklinikum Berlin gewandt, die die Embryonal-Toxikologie leitet. Im Mittelpunkt dieser Abteilung steht die Verträglichkeit von Arzneimitteln in Schwangerschaft und Stillzeit, aber auch die (kostenlose) individuelle Beratung von werdenden Müttern, etwa was häufige Erkrankungen betrifft. Wie Dr. Dathe nun vorgeht, dazu wollte die Charité-Pressestelle gestern nichts sagen.

Mehrere Fälle sind aus Frankreich bekannt

In Frankreich häuften sich in den vergangenen Jahren ähnliche Fälle von Babys, die ohne Hand oder Arm geboren wurden. Darauf weist der Kölner Express in seinem Bericht über die drei Fälle in Buer hin.

Spiegel online listet mindestens 25 Neugeborene mit entsprechender Behinderung auf. 18 von ihnen seien zwischen 2000 und 2014 im Departement Ain im Osten des Landes geboren worden. Allen Müttern sei gemeinsam, dass sie auf dem Land in der Nähe von Feldern lebten, auf denen Getreide und Sonnenblumen angebaut würden. Deshalb erwog das französische Gesundheitsamt auch Umweltfaktoren als mögliche Ursache.

In den 1950er/60er Jahren kamen bis zu 12.000 Kinder weltweit mit schweren Fehlbildungen auf die Welt, deren Mütter ein spezielles Schlafmittel – bekannt unter dem Markennamen Contergan und Softenon – eingenommen hatten.