Gelsenkirchen. Eine Studie schlägt die Schließung jeder zweiten Klinik vor. Die Betreiber der sechs Gelsenkirchener Krankenhäuser sehen sich nicht angesprochen.
Laut einer aktuellen Bertelsmann-Studie wäre die Krankenhausversorgung in Deutschland mit einer Reduzierung der Klinikzahl auf die Hälfte deutlich besser als jetzt. Die Hauptargumente: Zu viele kleinere Häuser haben zu wenig Erfahrung mit komplizierten Eingriffen und komplexen Erkrankungen, behandelten die Patienten daher nicht optimal. Unterm Strich seien die Bürger mit weiteren Anfahrtswegen besser versorgt. Selbst im Akutfall, selbst bei Herzinfarktpatienten, weil diese dann direkt in eine angemessen ausgestattete Klinik eingeliefert würden. Auch könnten viele stationäre Krankenhausaufenthalte vermieden werden, wenn der Klinikabbau zugunsten eines Ausbaus der ambulanten Versorgung vollzogen würde. Wir fragten die Betreiber der derzeit sechs Krankenhäuser in der Stadt, wie sie zu diesen Vorschlägen stehen.
St. Augustinus sieht den eigenen Kurs bestätigt
Die St. Augustinus GmbH mit ihren derzeit noch vier Krankenhäusern in der Stadt sieht sich durch die Studie in ihrem eingeschlagenen Weg bestätigt. „Die Studie polarisiert, mit einer klaren politischen Absicht, die unser Konzern auch unterstützt. Es ist richtig, dass nicht jedes kleine Krankenhaus alles macht,“ pflichtet Susanne Minten, Geschäftsführerin des Unternehmens, den Machern der Studie bei. Im größten Haus, dem Marienhospital in Ückendorf, habe man sich im Bereich Kardiologie, Kinder- und Jugendmedizin und Onkologie („auf höchstem Niveau“) spezialisiert, auch chirurgisch sei man sehr gut aufgestellt. Am kleineren St. Josef in Horst hingegen habe man bereits den operativen Bereich völlig aufgegeben, um sich auf geriatrische Versorgung zu spezialisieren. Der Standort Erle als ebenfalls kleines Haus wird als Krankenhaus ganz aufgeben, wenn die dortige Geriatrie sowie die Psychiatrie nach Horst umgesiedelt sind, wie bereits angekündigt.
„Das Sankt Marien Hospital und unser Krankenhaus in Gladbeck als zwei kleinere bis mittlere Häuser führen wir jetzt zusammen wie ein großes Krankenhaus mit zwei Standorten, um auch hier Spezialisierung zu ermöglichen. Welcher Schwerpunkt an welchem Standort angesiedelt wird im chirurgischen Bereich, wird in Absprache mit dem Chefarzt entschieden,“ kündigt Minten an.
Evangelische Kliniken: „Spezialisierung muss sein – wo sie medizinisch geboten ist“
Olaf Walter, Geschäftsführer der Evangelischen Kliniken, stimmt ebenfalls der Auswertung der Bertelsmann-Studie zu – in Teilen zumindest. „Spezialisierung muss sein, wo sie medizinisch geboten ist – wie bei komplexen, interdisziplinären Behandlungen. Aber es gibt auch Erkrankungen und unkomplizierte Eingriffe, bei denen keine spezialisierte Versorgung in größeren Zentren notwendig ist. Bei unkomplizierten Geburten oder in der geriatrischen Versorgung ist die familien- und wohnortnahe Versorgung wichtiger. Die Studie unterstellt auch, dass in Großkliniken per se eine höhere Versorgungsqualität gegeben sei. Das bezweifle ich. Gerade in der Onkologie, wo wir in den Evangelischen Kliniken ja hochspezialisiert sind, wird die Therapie immer individueller. Nach meinen Erfahrungen ist diese individuelle Behandlung und Versorgung in Schwerpunktkliniken besser möglich, wie beispielsweise in unserem Brustzentrum. Den Patienten wird hier mehr Geborgenheit und Empathie entgegengebracht als in Großkliniken, die von den Patienten teilweise als ‘Gesundheitsfabriken’ wahrgenommen werden.“
Eine Stellungnahme der Geschäftsführung des Bergmannsheil war aufgrund der Ferienzeit nicht zu bekommen.