Gelsenkirchen-Buer. Jung und multikulturell – das Festival „Rock am Dom meets Cityfest“ rockte drei Tage lang die Bueraner City rund um den Dom. Ein wunderbares Fest.
Die Nacht ist schon herein gebrochen über der Domplatte. „Wingenfelder“ singen davon, wie „perfect“ die Herzensdame ist. Das namhafte Duo, einst Kopf und Stimme von „Fury in the Slaughterhouse“, zieht hunderte Menschen vor die Bühne. Es ist das Finale des Samstags, des zweiten von drei Festtagen in Buer. Schon jetzt sei das Fazit erlaubt: Diese Ausgabe bricht vielleicht nicht den Publikumsrekord, dafür aber andere. Nie war „Rock am Dom“ so jung – auf der Bühne und in Sachen Besucher – nie waren die Gäste so multikulturell und nie zuvor sah man so viele Menschen mit Unterstützungsbedarf, die hier ausgelassen mit den anderen feierten.
Vier Bühnen dank Fusion in 2018
Rock am Dom hatte 2013 Premiere, zunächst als eintägige Veranstaltung. Die Idee dazu hatten Musiker der Band „Boat People“. Auf diese Weise sollte die neu gestaltete Domplatte belebt werden.
Mit den Jahren wuchs das Festival in Format und Zuschauerzahlen. Mit „Cooltour“ wurde ein professioneller Veranstalter gewonnen. Die Auswahl der Musiker bleibt aber weiter den Initiatoren vorbehalten.
Im vergangenen Jahr fusionierten „Rock am Dom“ und das Cityfest. Seither werden vier Standorte in Buer bespielt.
Festivalbeginn ist am frühen Freitagabend. Da zeigen „Kryptonite“, dass im Stadtnorden auch härtere Sounds zu Hause sind. Bei denen, die das Stadtfest ab der ersten Minute miterleben wollen, kommt die Musik des jungen Quintetts gut an. Wie noch oft an diesem Wochenende machen die Gäste mit, etwa als der Song „Vulcano“ des klatschenden Beats der Zuhörer bedarf. Zum Abschluss springt Sänger Chris Formella von der Bühne, bittet die ersten Reihen, mitzusingen. Auch das klappt – generationsübergreifend. „Ich fand’s super“, fällt denn auch das noch etwas atemlose Resümee des Sängers nach dem Auftritt aus. Ob die Rolle des Openers Fluch oder Segen sei? „Wir heizen gerne auf. Das macht Spaß.“
Zurück zu den Zeiten von Elvis Presley
Weitaus mehr junge Formationen aus der Region stehen in diesem Jahr auf den Bühnen. „Die Grundidee war immer schon so“, sagt Andreas Szepan, Mitorganisator des Festivals. Erstmals aber habe man ein ganzes Jahr Zeit gehabt, das Programm für die verschiedenen Bühnen zu planen. Im vergangenen Jahr, als „Rock am Dom“ und Cityfest erstmals fusionierten, habe man wenig Vorlauf gehabt.
Im Robinienhof, zu dem eigens ein großes Banner von der Hochstraße aus den Weg weist, wird derweil Neues ausprobiert: „Phonk“ bieten Lounge-Musik. Hier und da entspannen Gäste bei dem easy-listening Pop, halbelektronisch, aber mit Live-Saxofon und Percussion. Eine kleine Oase im Trubel der Innenstadt.
Am Samstag sind es wieder die jungen Bands, die im Mittelpunkt stehen. Am Dom treten die „Rusty Diamonds“ auf, Jungs aus dem Stadtnorden, die sich musikalisch ganz Elvis und seinen Zeitgenossen verschrieben haben. „Great Balls of Fire“, heißt es da etwa, grandios und mitreißend dargeboten, großartige Soli inklusive – so als hätten sie’s erlebt. Der Einladung zum gemeinschaftlichen Hüftschwung folgen denn auch viele. Die Domplatte tanzt Rock’n’roll. „Wir sind sehr zufrieden“, freut sich Sänger Sven Ledicki später. „Die Stimmung war super.“
Musik verbunden mit einem Statement gegen rechte Kräfte
Der Nachwuchs bestimmt auch das Programm an der oberen Hochstraße. Gerade sind „Forbidden“ dran, ein junges Trio, das sich erst vor wenigen Wochen gefunden hat. „Das ist noch ein Projekt. Es fehlen noch Bass und Gitarre. Aber dafür machen sie das echt gut“, lobt Olivier Zier. Er plante das junge vierstündige Programm. Sänger Alex Preuschhoff wird derweil zum Ende des Auftritts politisch: mit einem Appell gegen Rechts. Erst gesprochen, dann gesungen. „I Feel Freedom in my Soul“, klingt es von der Bühne auf der Domplatte. Das taugt eigentlich als Motto für das ganze Festival.
„The Magic Mumble Jumble“ machen hier am frühen Abend Programm – und Stimmung. Die Hippie-Band verbreitet Woodstock-Flair in Buer. Ihre Musik ist beeinflusst von den Klängen der 1960er- und 1970er-Jahre, wartet mit Elementen der Weltmusik auf, mit Klezmer, mit Ethno, mit Reggae. Ein lebensfroher musikalischer Mix, der keinen kalt lässt. Zum Titel „Heyla Sheyla“ bastelt sich Sänger Paul Istance aus den Gästen gar einen Chor – ein großartiges musikalisches Miteinander. Wer da nicht dabei ist, hat wirklich etwas verpasst.
Tablet, Hocker und eine mitreißende Stimme: Betty Heller
„Under the Moon of Love“ heißt es zeitgleich auf der Hochstraße. Die drei „Gladbeckers“ geben alles. So ausgelassen wie auf der Domplatte ist die Stimmung hier aber lange nicht. Wer es besinnlicher mag, der hat zur kleinen Bühne vor dem Café Albring Rüdel gefunden. Die Bueranerin Betty Heller macht dort Programm, sitzt auf einem Hocker, vor sich ein Tablet. Das ist ihre Band und Repertoire. Mal singt sie Gospel, mal Musical, mal sogar Folk. Optisch erinnert sie etwas an die Streisand, stimmlich zuweilen auch. „Tolle Stimme“, raunen sich die Gäste zu. „Wir bleiben erst einmal hier.“
Die Dämmerung bricht herein. Während der Robinienhof zum Open-Air-Club wird mit elektronischen Beats, zusammen gestellt von „Supernova“, gehen am Dom „Wingenfelder“ auf die Bühne. Gleich daneben werden „The Magic Mumble Jumble“ immer noch vom Publikum gefeiert. Erinnerungsfotos, Autogramme – besonders Paul Istance ist gefragt. „Hier sind so nette Menschen“, freut er sich, dass seine Band Buer im Sturm erobert hat. Ihr Erfolgsrezept: „Lebensfreude. Jeder sehnt sich doch nach Positivem.“ Das schreit nach einer baldigen Rückkehr, oder? „Ja, sehr gerne“, sagt der Sänger und muss dann doch endlich den Bandbus packen.
„Schön“, ist das Fazit von Andreas Szepan nun. „Wir sind stolz, dass es so gut gelaufen ist. Und die Bands, die wir ausgesucht haben, braucht man, glaube ich, nicht weiter kommentieren.“