Buer. Konrad Herz und Lutz Heidemann erfassen in Buer Grabsteine. Erhalten werden sollen künstlerisch oder stadtgeschichtlich wertvolle Exemplare.
100 Jahre ist es her, dass der Hauptfriedhof Buer eröffnet wurde – damals nur für die Bürger Erles, streng getrennt nach katholischen und evangelischen Gläubigen, versteht sich. Etliche Erweiterungen später zählt die Fläche nun 43 Hektar – und ist bekanntlich zu groß geworden. Beschlossen ist, dem alten Teil einen Sonderstatus zuzuweisen und ihn zum Wald-Park-Friedhof umzugestalten. Und hier greifen Lokalhistoriker Lutz Heidemann sowie der pensionierte Gartenbau-Unternehmer Konrad Herz ein: Fürchten sie doch, dass erhaltenswerte Grabsteine entfernt werden könnten. Derzeit erstellen sie eine Liste mit Exemplaren, die sie für erhaltenswert oder denkmalwürdig halten. Über 100, so die Schätzung, werden es wohl werden.
Das sechste Mal zieht das Duo an diesem Dienstagmorgen los, ausgehend vom Haupteingang Immermannstraße, dessen 1923 errichtete Toranlage 1993 selbst in die Denkmalliste der Stadt aufgenommen wurde. Lage, Familienname, Material des Steins, Datierung und Angaben zum Künstler, Steinmetz oder zur Firma erfassen sie, nicht zuletzt aber auch Stichworte zur Begründung der Schützwürdigkeit. Im Januar 2019, so Herz, wurde der Denkmalschutz auch in die Friedhofsordnung aufgenommen.
Beurteilt werden kunsthistorische und stadtgeschichtliche Bedeutung
„Viele Grabsteine im alten Teil sind um die 100 Jahre alt, aber auch jüngere können erhaltenswert sein, etwa weil sie von kunsthistorischer oder stadtgeschichtlicher Bedeutung sind“, erläutert Ex-Stadtplaner Heidemann (81) und deutet auf ein fast schon monumentales Ruhr-Sandstein-Exemplar der Familie Scherkamp, geschaffen von dem Bildhauer Karl Schreiter. Etwa 3,50 Meter breit und rund 1,70 Meter hoch, beeindruckt es allein schon durch die Größe – und die abgerundete amorphe Form, die durch die in Stein gehauene Figur einer sitzenden trauernden Frau noch betont wird.
„Wir wollen auf die künstlerische und historische Vielfalt an Grabstein-Typen aufmerksam machen und sie erhalten“, betont Herz (81), auf ein Exemplar der Familie Schulte-Middelich verweisend, das Bildhauer Alfons Kirschbaum ebenfalls aus Ruhr-Sandstein schuf. Kantig wirkt es mit seiner streng geometrischen Form und der Figur des auferstandenen Christus, der da so plastisch aus dem Stein hervortritt. „Dieser enthält ein deutlich christliches Bekenntnis, ist aber auch wegen seines stadtgeschichtlichen Bezugs zur alten Bauerschaft Middelich wertvoll.“
„Grabsteine sind die letzten Lebenszeugnisse der Verstorbenen“
„Grabsteine sind die letzten Lebenszeugnisse von Verstorbenen. Es gibt welche mit und ohne Namen, mit und ohne Daten, sie sprechen mit ihrer religiösen Symbolik Hoffnungen aus und sind ein Echo der Stadtgesellschaft, etwa wenn sie auf die Namen von Personen und Familien verweisen, die Buer mitgeformt haben“, will Heidemann sich für die Erhaltung etlicher Grabsteine einsetzen. Neben Schreiter und Kirschbaum seien es besonders die Steinmetze Hermann Reimann aus Westerholt sowie Siegfried Engelter, die künstlerisch wertvolle Arbeiten geschaffen hätten.
Rund 40 Prozent des nord-westlichen alten Friedhof-Teils haben Herz und Heidemann bereits erfasst, bis Herbst, so schätzen sie, wird die Begutachtung noch dauern. „Die bisherige Liste haben wir bereits Gelsendienste, der unteren Denkmalbehörde sowie der Steinmetz- und Bildhauer-Innung zukommen lassen“, berichtet Herz. Er setzt darauf, die Fachleute für das Thema zu sensibilisieren, um die Grabsteine auch dann – etwa als Teil einer Parklandschaft im Buerschen Grüngürtel – stehen zu lassen, wenn keine Nachkommen mehr die Gräber pflegen.
Gelsendienste-Sprecher Tobias Heyne sieht allerdings auch keine akute Gefahr: „Ein Teil der aufgelisteten Grabsteine wird auch von uns als erhaltenswert geführt. Und auch bei den übrigen gehen wir nicht davon aus, dass die Gräber kurzfristig eingeebnet werden“, signalisierte er Dialogbereitschaft. Die Standsicherheit der Steine müsse natürlich überprüft werden, „darüber hinaus haben wir im Rahmen unserer Möglichkeiten die Erhaltung im Blick.“