Gelsenkirchen-Buer. Das Projekt Familienlotsen des Sozialdienstes katholischer Frauen und Männer feiert Geburtstag. Ehrenamtliche steuern Familien durch Startphase.
Plötzlich Eltern: So ganz stimmt diese Umschreibung ja nicht für den Start in eine neue Lebensphase, haben die künftigen Erziehungsberechtigten doch Monate Zeit, sich darauf einzustellen. Und doch bricht der 24-Stunden-Job über so manche Mütter und Väter fast herein wie ein Gewitter – Regenbogen und Sonne inklusive. Wo Omas und Opas nicht zur Stelle sind, um beim Eingewöhnen zu helfen, können Familienlotsen einspringen: Ehrenamtliche, die der Sozialdienst katholischer Frauen und Männer (SKFM) im Rahmen der Schwangerschaftsberatung vermittelt. In diesem Jahr feiert das Projekt seinen zehnten Geburtstag.
Singen, vorlesen, malen, basteln oder spazieren gehen, ob mit dem Baby oder dem Geschwisterkind: Solche „Leih-Omas“ wirken wie vom Himmel geschickt für frischgebackene Eltern, die zwar glücklich sind – aber auch oft überfordert, weiß SKFM-Pädagogin Beatrix Steinrötter, die das Gelsenkirchener Angebot als eines der ersten im Bistum Essen 2009 maßgeblich initiierte. „Einmal in der Woche besuchen sie eine Familie für ein paar Stunden, nach vorheriger Absprache, versteht sich. Maximal zwei Jahre dauert so ein Einsatz, dann beginnt für die allermeisten eine neue Lebensphase, die Entlastung bringt, etwa wenn ein Kind in den Kindergarten geht.“
Starthilfe für junge Familien ist kostenlos
Wer das kostenlose Angebot nutzen möchte, kann sich ganz unbürokratisch beim SKFM melden (s. Infobox). Beim Erstgespräch werden Bedürfnisse und Rahmenbedingungen geklärt, Termine abgesprochen und Kapazitäten der derzeit elf aktiven Ehrenamtlichen zwischen 40 Jahren und Mitte 70 ausgelotet. Dass diese nicht unvorbereitet auf die Familien losgelassen werden, versteht sich für Beatrix Steinrötter von selbst. „Sie absolvieren eine fünftägige Schulung, bei der Themen wie Säuglingspflege, Entwicklung in den ersten Lebensjahren, Spiel- und Beschäftigungsmöglichkeiten behandelt werden. Außerdem hat jede Frau eine Unterweisung in Erster Hilfe am Kind erhalten.“
Was vor Ort jedoch am meisten zählt, ist Fingerspitzengefühl, hat Waltraud Dreßler (69) aus Buer festgestellt, die seit 2011 als Lotsin tätig ist. „Wir kommen ja in eine sehr private Situation. Da möchten wir uns als Gesprächspartner anbieten, aber die Eltern nicht belehren.“ Heike Brenker (57), ebenfalls seit 2011 aktiv, sieht es ähnlich. „Wir regen durch unser Verhalten an, mal etwas Neues auszuprobieren, etwa indem wir aus einem Buch vorlesen, singen oder Karten spielen. Manchmal verweisen wir auch auf professionelle Hilfe, etwa die Erziehungs- oder Eheberatung.“
„Verlässliche Besuche helfen enorm“
Die Stunden, die die Ehrenamtlichen im Einsatz sind, nutzen die Mütter oder Väter dann, um etwas anderes unternehmen: ein Buch lesen, zum Arzt oder Friseur gehen oder sich mit den anderen Kindern beschäftigen, für die sonst im Alltag nicht immer so viel Zeit bleibt. „Dafür sind die Eltern sehr dankbar. Ein paar Stunden Zeit einmal in der Woche: Das klingt vielleicht nicht viel. Aber dadurch, dass wir verlässlich regelmäßig kommen, hilft es vielen enorm“, so SKFM-Teamleiterin Kirsten Kremer.
Warum die Lotsen sich ehrenamtlich engagieren? „Ich wollte nach meiner Pensionierung als Schulsekretärin etwas Sinnvolles tun, gerne auch mit Kindern arbeiten. Zu Hause sitzen: Das ist nichts für mich“, erzählt Waltraud Dreßler, die selbst zwar zwei Kinder, aber keine Enkelkinder hat. Heike Brenker, Mutter von drei Kindern, die Fremdsprachen studierte und heute noch in Sachen Hausverwaltung berufstätig ist, geht es ähnlich. Sie ist zwar frischgebackene Oma, genießt es aber sehr, Babys und Kleinkinder beim Welt-Entdecken zu begleiten. Dass der Job nicht bezahlt wird, ist für beide kein Problem. „Der größte Lohn ist das Lachen der Kinder“, sagt Waltraud Dreßler.