Gelsenkirchen-Buer. . Nach 34 Jahren als SPD-Ortsvereinsvorsitzender legt der 64-Jährige sein Amt nieder. Im Sommer wird er auch die Bezirksvertretung verlassen

Roter Pulli, rote Regenjacke – schon das Outfit kündet vom politischen Bewusstsein. Seit 40 Jahren ist der Mann in der SPD, seit 34 Jahren leitet er den Ortsverband Buer-Mitte I und seit drei Jahrzehnten sitzt er in der Bezirksvertretung-Nord, als Fraktionschef im Stadtnorden. Im Sommer sagt der charismatische Genosse Tschüss, bis dahin will er alle Ämter abgeben.

„Ich habe immer gesagt, wenn ich beruflich in den Ruhestand gehe, verabschiede ich mich auch von allen politischen Ämtern“, erklärt er. Mit 65 Jahren und sieben Monaten habe er im März 2019 diese Zäsur erreicht. Dann will er offen sein für neue Sachen in seinem Leben. Welche genau? Verrät er nicht. Nur: „Ich bin überzeugt, nicht in ein Vakuum zu fallen“.

Kommunikations-Lust

Die Frage muss im Umkehrschluss lauten, ob die Kollegen im Bezirk dann nicht womöglich in ein Freizeit-Vakuum kippen. Denn Klemens Wittebur, das muss man neidlos anerkennen, war und ist ein Garant für eloquente, zum Teil auch provokante Diskussionsbeiträge.

Der promovierte Soziologe kommt nie unvorbereitet in eine Sitzung, er studiert jede Sitzungsvorlage bis ins letzte Detail und schafft es immer wieder, selbst den politischen Gegner zu ver- und gleichermaßen bewundernswerten verbalen Kehrtwendungen zu bewegen. Das hat zuweilen einen hohen Unterhaltungswert. Auch wenn Wittebur durch seine Kommunikations-Lust die Länge der Sitzungen in rekordverdächtige Marathonstrecken ausdehnt.

Nahe bei den Menschen

Dieses Sub-Kommunale liegt ihm am Herzen. „Ich wollte keine Karriere machen, ich wollte auf unterster Ebene im Ortsverein und in der Bezirksvertretung arbeiten“, sagt er. Nahe bei den Menschen sein und ihren Anliegen. Selbst ein Ratsmandat südlich des Kanals habe er nie angestrebt. Er ist sich sicher, dass er in seiner Wahlheimat Gelsenkirchener Norden mehr erreichen konnte als im Bundestag.

Beispiele für Erfolgserlebnisse hat er natürlich parat. Verweist auf den Bau der Ampel an der Kreuzung Lindenstraße /Nordring, für den er und seine SPD 18 Jahre gekämpft haben. Für den er sogar den Petitionsausschuss des Bundestages zu einem kollektiven Ausflug nach Buer begeistern konnte.

Der CDU die Mehrheit strittig gemacht

Berichtet mit Stolz über das Wahlergebnis 2009, bei dem er und seine SPD der CDU endlich die über Jahrzehnte zementierte Mehrheit in Buer strittig gemacht haben. „Von 2004 bis 2009 konnten wir der CDU zehn Prozent abnehmen und selber zehn Prozent hinzugewinnen.“ Noch heute treibt ihm dieser Erfolg ein Lächeln ins Gesicht.

Dabei wäre eine politische Karriere für den Westfalen aus dem Münsterland – soziologisch betrachtet – doch eher bei den Parteien mit dem C vorgezeichnet gewesen. „Ich habe mich während meines Geschichtsstudiums in Münster intensiv mit der Arbeiterbewegung in Europa befasst“, sagt er. Als Ende der 70er Jahre zahlreiche Genossen ihrer Partei den Rücken gekehrt und sich den Grünen zugewandt haben, sei er, „rational gesteuert“, der SPD beigetreten. Den Schritt habe er nie bereut.

Von Westfalen nach Buer

Genauso wenig wie seinen Umzug nach Gelsenkirchen. „Meine Frau und ich haben etwas hinbekommen, was viele Menschen nicht schaffen“, berichtet er. Beide seien gleichzeitig mit dem Studium fertig geworden und hätten gemeinsam eine neue Perspektive durch ihre Jobs in Gelsenkirchen gefunden.

Und Freunde jenseits der Partei. Von daher wird Wittebur der Stadt treu bleiben. Auch nach seiner Pensionierung, auch nach seinem Abschied von den politischen Posten.