Essen. Auch beim dritten Forum im Rahmen der Reihe #Zukunft.Essen.Innenstadt war der Jakob-Funke-Saal im FUNKE Media Office dicht besetzt.
„Erst Mensch. Dann Raum. Dann Architektur. Let’s break it up! Aufbrechen!“ Kein Zweifel: Andreas Kipar, Landschaftsarchitekt und Gründer des internationalen Architekturbüros LAND, meinte den Aufbruch durchaus wörtlich.
Anscheinend sitzt bei dem Mann der Presslufthammer so locker wie bei Bonnie und Clyde das Schießeisen. Jedenfalls im übertragenen Sinne: Denn Kipar schwingt ja nicht selbst das schwere Gerät, sondern berät Stadtplanende, Projektentwickler, Politik und Stadtgesellschaft, wenn es um die Gestaltung des öffentlichen Raumes geht. Und das mit klarer Kante: „Noch ’ne Schicht draufsetzen? Nein! Erst mal ein paar Schichten abtragen!“
Der wortgewaltige Diplom-Ingenieur eröffnete das dritte Leserforum zur Essener City mit einem Plädoyer zum planerischen Umdenken. Im erneut dicht besetzten Jakob-Funke-Saal im FUNKE Media Office ging es unter der charmanten wie kundigen Moderation von Anna Bartl und Christian Pflug (Radio Essen) um das Thema „Nachhaltige City – Stadtplätze der Zukunft“. Ganz genau: Zukunft.
„City wiederbeleben als emotionales Herz der Stadt.“
Denn da ist einerseits der Auftrag der Bürgerinnen und Bürger, den Richard Röhrhoff – Geschäftsführer Essen Marketing GmbH (EMG) – aus der Rheingold-Studie zur City ableitete: „Wir müssen die Innenstadt als emotionales Herz der Stadt wiederbeleben.“ Da ist aber auch eine alternativlose Notwendigkeit, die in Zeiten des Klimawandels weit über die schiere Ästhetik hinausgeht: Nämlich die City dauerhaft lebendig und lebenswert zu machen.
Wie Kipar am Beispiel des radikal veränderten Piazzale Loreto im Mailänder Zentrum ausführte, hat die Umgestaltung in eine grün-braun-blaue Infrastruktur großen Einfluss auf Temperatur und Mikroklima. Auch Kopenhagens Stadtplaner Jan Gehl und die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo nannte er als Vordenker von nachhaltig neugedachten (Innen-)Städten.
2027 lockt die IGA in die Metropole Ruhr
Was bedeutet das nun aber für Essen – zumal mit Blick auf die Internationale Gartenausstellung (IGA) 2027 in der Metropole Ruhr? Um das konkreter zu ermitteln, setzten die Veranstaltenden einmal mehr auf Digitaltechnik und Interaktion. Per „slido“-App konnten Besucherinnen und Besucher im Saal und User des Livestreams nicht nur Fragen stellen, sondern auch bei Umfragen in Echtzeit mitmachen.
So ergaben sich dann etwa als drängendste Forderungen für die heimische City: „Viel Grün“ (87 %), „Attraktive Gastronomie“ (58 %) und „Wasser“ (48 %). Ebenso wurden Lieblingsorte ermittelt (vorne: Kopstadt- und Hirschlandplatz), aber auch Plätze mit dem größten Bedarf zur Umgestaltung (Kennedyplatz und – erneut vorne – der Kopstadtplatz).
„Seid doch ein bisschen stolz auf Essen.“
Apropos Plätze. Die betreffen auch zwei weitere Podiumsteilnehmer, Gastronom Valentin Brambrink (u.a. „Rosemarie“, Lichtburg / Nähe Burgplatz) sowie den Manager des Einkaufscenters Limbecker Platz, Anastasios Meliopoulos.
Beide bekannten sich zu Nachhaltigkeit und Veränderungswillen. „Wir müssen attraktive Destinationspunkte schaffen“, meinte Meliopoulos, dessen Center nach eigenen Angaben an zwei Punkten nie gespart habe: „Begrünung und Security.“ Gleichwohl vermisse er die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Stadt: „Seid doch ein bisschen stolz auf unser Essen. Und promotet es nach außen.“
Brambrink merkte an, dass der Burgplatz elf Monate im Jahr (in denen sich dort kein Riesenrad emporreckt) praktisch leersteht: „Wenn er mit Bepflanzung und Sitzmöglichkeiten attraktiver gemacht würde, könnten wir Essen und Getränke auch außer Haus für Picknicks verkaufen – natürlich mit Mehrweggeschirr.“ Ob es auch ein Zuviel des grünen Aufbruchs geben könnte, wenn zum Beispiel Parkraum knapp werde, fragte Pflug. Der Gastronom glaubt das nicht. „Wenn man sich in einer grünen Oase wohlfühlt und verweilt, wird das den Umsatz eher steigern.“
„Den Arm strecken und nicht unten ins Regal greifen.“
Frage aus dem Publikum: „Herr Kipar hat drei zentrale Forderungen: Mut, Mut, Mut. Können wir das in Essen?“ Meliopoulos: „Wenn wir jetzt nicht mutig sind, verpassen wir vielleicht die letzte Chance.“ Röhrhoff meint: „Ja, wir haben den Mut. Wir müssen einfach den Arm strecken und nicht unten ins Regal greifen.“ Aber: „Wir können nicht eine einzige riesige Baustelle erzeugen, das wäre katas-trophal. Wir müssen es Step by Step umsetzen.“ Dazu brauche es jedoch alle Akteure, öffentlich wie privat.
Kipars Fazit: „2027 bei der IGA kommt wieder ganz Europa hierher. Was Europa dann aber hier vorfindet – das müsst ihr entscheiden.
In der vierten und letzten Runde geht es um das Thema: „Mobile City - gut unterwegs zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit dem ÖPNV oder im Auto“. Beginn 18 Uhr, Einlass 17.15 Uhr, FUNKE Media Office, Jakob-Funke-Platz 1.
Zur Anmeldung
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Worum es im bisher ging, können Sie in der Aufzeichnung des Livestreams nachverfolgen:
Das sagen unsere Partnerinnen und Partner zum Entwicklungsprozess #ZukunftEssenInnenstadt
„Die Sparkasse hat den klaren öffentlichen Auftrag, ein gutes Leben aller Menschen in Essen zu fördern. In diesem Sinne unterstützen wir gerne den Entwicklungsprozess #ZukunftEssenInnenstadt. Für die Stadt wünsche ich mir ein Zukunftsbild von einem Raum, in dem die Menschen gerne leben, arbeiten und Zeit verbringen und der zudem an den Langfristtrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit ausgerichtet ist.“
Helmut Schiffer, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Essen
„Die Zukunft der Innenstadt liegt mir als Essener Bürger und Unternehmer am Herzen, weil sie als entscheidender Standortfaktor - unter anderem für die Mitarbeitergewinnung - fungiert. Von dem Entwicklungsprozess #ZukunftEssenInnenstadt verspreche ich mir eine detaillierte Analyse darüber, wie sich die Essenerinnen und Essener ihre Innenstadt der Zukunft wünschen und ihre Ideen nach Möglichkeit auch umgesetzt werden.“
Eckhard Brockhoff, Brockhoff Office/Retail/Invest/Logistics
„Die Wohnbau eG wurde vor über 120 Jahren in Essen gegründet und hat hier ihre Heimat. Wir haben allergrößtes Interesse an einer positiven Entwicklung der Stadt. Nachhaltigkeit bestimmt die Strategie der Wohnbau eG. Wir wünschen uns, dass die Essener Innenstadt zukünftig noch attraktiver und nachhaltiger wird. Ich hoffe, dass sich möglichst viele Essenerinnen und Essener an dem Ideenfindungsprozess beteiligen.“
Frank Skrube, Pressesprecher Wohnbau eG
„250.000 Haushalten in Essen wird die Telekom den Zugang zu einem Gigabit Anschluss ermöglichen – das ist eines der größten Glasfaserprojekte bundesweit. Eine verlässliche Internetanbindung ist wichtig. Das haben alle in Zeiten festgestellt, in denen viel von zu Hause gearbeitet wurde. Das hat viel mit Lebensqualität zu tun. Der Innenstadtdialog hat die Lebensqualität der Essener im Fokus, deshalb sind wir #dabei.“
Verena Schmitz-Axe, Regionalleiterin Glasfaser West, Telekom Deutschland GmbH
„Als Westenergie sind wir ein regionaler Energiedienstleister und Infrastrukturanbieter. Die Energieversorgung steht bei uns im Fokus des Geschäfts. Wir sind Partner unserer Heimatstadt Essen und mit der Unternehmenszentrale, dem Westenergie-Turm und vielen Mitarbeiter*innen ein Teil der Essener Innenstadt. Daher ist es uns besonders wichtig, den Prozess zur Attraktivität des Stadtzentrums zu unterstützen.“
Petra Kox, Kommunalmanagerin bei Westenergie