Essen. Der Essener Horst Holtwiesche tritt auf historischen Märkten als Kupferschmied auf. Fünf, sechs Mal im Jahr taucht er in die Zeit um das Jahr 1150 ein. Der 65-Jährige liebt unter anderem die Übernachtungen im Zelt. Die Zeit ohne Strom, Handy und Heizung bedeutet für den Mittelalter-Fan Entspannung.
Wenn der Essener Horst Holtwiesche (65) das Wollhemd mit lederner Gürteltasche angezogen, die rustikale Halskette aus Kupferelementen umgelegt hat und nur noch auf den Namen Hagen aus der Haarzappe hört, beginnt für den langjährigen Vorsitzenden des Bürgervereins Haarzopf-Fulerum die „Erholung pur“. Denn Horst Holtwiesche ist Mittelalterfan.
Mit seiner Gruppe „Die Harderer“, benannt nach den Hauern der Wildschweine, besucht er vor allem in der Sommersaison regelmäßig Mittelaltermärkte in halb Deutschland. Meist gehen die über ein verlängertes Wochenende, doch gerade ist Holtwiesche aus einem knapp zweiwöchigen Lager von der Burg Satzvey am Rand der Eifel zurückgekehrt.
Ohne Handy und Computer
Zwei Wochen ohne Strom, Handy, Computer, Radio, Fernsehen, Kühlschrank, Heizung, Kunststoff, Flaschen, Grillkohle und was unsere Zeit sonst noch an mehr oder weniger angenehmen Selbstverständlichkeiten zu bieten hat - das ist für Holtwiesche die perfekte Möglichkeit, den Alltag zu entschleunigen und zu entspannen. „Wir sind wie eine große Familie. Man trifft sich auf den Mittelaltermärkten immer wieder“, sagt Holtwiesche, der fünf, sechs Mal im Jahr aus der Gegenwart in die Zeit um das Jahr 1150 eintaucht und in die Rolle des Kupferschmieds schlüpft.
Alles begann im Mai 2009. Holtwiesches Bruder, Chef der Mittelalter-Gruppe „Die Harderer“, suchte einen Fahrer, der ihn zum Lager nach Köln bringen konnte. „Na ja, ich hab ihn halt gefahren, bin geblieben - und war mit dem Mittelalter-Virus infiziert“, erinnert sich der gelernte Elektriker an den Beginn seiner Leidenschaft.
Das alte Handwerk nahebringen
Der gebürtige und überzeugte Haarzopfer hat im Laufe seines Berufslebens unterschiedlichste handwerkliche Tätigkeiten ausgeführt, darunter die des Schlossers. Aus dem ehemaligen Betrieb seines Bruders war noch reichlich Kupfer übrig - und sofort die Idee geboren, mit mittelalterlicher Technik auf Märkten über einem Buchenholz-Feuer zu schmieden und den Besuchern so das alte Handwerk nahezubringen. „Die geschmiedeten Gegenstände wie Gürtelschnallen, Ringe, Haarspangen sind echte Originale. Die kann man auf den Märkten verkaufen“, erklärt Holtwiesche, der im September wieder das Mittelalterfest im Burgaltendorf besuchen wird.
„Die Harderer“ sind eine Gruppe von etwa 15 Mittelalterfans, verstreut vom Niederrhein bis zur Nordsee. Sie treffen sich zu den Märkten, um dort als Handwerker aufzutreten. Für ihr Lager brauchen sie rund 400 Quadratmeter Platz. Geschlafen wird im Zelt auf Fellen, gekocht über der Feuerstelle. „Abends sitzt man gemütlich um das Lagerfeuer herum und trinkt selbst gebrauten Met“, weiß der Bürgervereinsvorsitzende das geruhsame Leben im mittelalterlichen Tempo zu schätzen. „Das ist für mich Hobby und Urlaub“, betont er. Die Zeit im Lager nutzen die „Harderer“ mit dem Wildschwein im Banner auch für Arbeiten an der Ausrüstung, zum Beispiel zum Reparieren der Zelte.
Hagen aus der Haarzappe - das doppelte H ist an seinen bürgerlichen Namen Horst Holtwiesche angelehnt - reist mit großem Gepäck. „Inklusive Hänger komme ich schon auf 2000 Kilo“, schätzt der Haarzopfer.