Essen. Ein Hobbyhistoriker aus Essen-Haarzopf hat sich mit der mittelalterlichen Gerichtsstätte in Schuir beschäftigt – und Grausiges herausgefunden.

  • Dieser Artikel ist zuerst am 13.07.2020 erschienen

Ein Ort des Grauens war im Mittelalter der sogenannte Galgenhügel, die Gerichtsstätte der alten Reichsabtei Werden an der Meisenburgstraße. Vor 20 Jahren wurde die Stelle als Bodendenkmal in die Denkmalliste der Stadt Essen eingetragen. Der Haarzopfer Heimatforscher Herbert Schmitz hat sich mit der Geschichte des Ortes beschäftigt – und gruselige Details gefunden.

Noch immer kann man den Hügel an der Meisenburgstraße in unmittelbarer Nähe des heutigen Wetter- und Umweltamtes an der Wallneyer Straße sehen. Wer die Geschichte des Ortes nicht kennt, dem wird die Stelle aber nicht auffallen, denn sie besteht heute aus einem unauffälligen, 1,15 Meter hohen Hügel, der einen Durchmesser von neun Metern hat. Er liegt gut versteckt im Unterholz eines kleinen Eichenwäldchens.

Die Stelle ist in alten Karten mit Gerichtssymbolen versehen

Diese Stelle sei in den Abteiakten gut dokumentiert, so Herbert Schmitz. Schon 1582 sei dieser Richtplatz, an dem die Verurteilten ihren letzten Atemzug taten, in der frühesten Landkarte des Abteiterritoriums als „Datt Werdensche Gericht“ eingezeichnet gewesen, erkennbar an den Gerichtssymbolen Galgen und Wagenräder, die auf die grausamen Tötungsarten der damaligen Zeit hindeuten.

Schon auf einer Karte von 1582 war der Richtplatz mit den Gerichtssymbolen Galgen und Wagenrädern eingezeichnet.
Schon auf einer Karte von 1582 war der Richtplatz mit den Gerichtssymbolen Galgen und Wagenrädern eingezeichnet. © FUNKE Foto Services | Repro: André Hirtz

Bereits 1482 sei diese Fläche als ein „Stück Land auf der Hohen Straße beim Galgen, genannt das Galgenstück“ bezeichnet worden. Laut Schmitz hieß die heutige Meisenburgstraße im Mittelalter „Hohe Straße“, im 19. Jahrhundert dann „Landstraße von Kettwig nach Essen“.

Scharfrichter wurde vom Stift Essen ausgeliehen

Um das Geschehen an der Gerichtsstätte deutlich zu machen, zitiert Heimatforscher Herbert Schmitz aus Urkunden von 1462. „Da die Abtei keine Todesurteile vollstrecken konnte, übernahm diese Tätigkeit der Schutzvogt, der Graf von der Mark, in dessen Nachfolge der Herzog von Kleve-Mark.“ Den für die Vollstreckung der Urteile notwendigen Scharfrichter habe man sich vom Stift Essen ausgeliehen, das das sogenannte Hochgericht durchführen konnte, hat Herbert Schmitz recherchiert.

Heimatforscher Herbert Schmitz aus Essen-Haarzopf an der Stelle, wo sich früher die Gerichtsstätte in Schuir mit einem Galgen befand.
Heimatforscher Herbert Schmitz aus Essen-Haarzopf an der Stelle, wo sich früher die Gerichtsstätte in Schuir mit einem Galgen befand. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Todesurteile seien damals sowohl am Galgen als auch durch Rädern vollstreckt worden. Bei letzterem habe der Scharfrichter dem Verurteilten erst die Knochen gebrochen. Dann habe man ihn entkleidet und gefesselt auf ein großes Wagenrad gebunden. Das Rädern ist eine extrem qualvolle Hinrichtungsform im Mittelalter und der Frühen Neuzeit gewesen.

„Oft war es damals auch so, dass Gehängte nicht sofort begraben wurden, sondern zur Abschreckung und Fortsetzung der Strafe noch lange am Holzbalken baumelten“, beschreibt der Haarzopfer Herbert Schmitz das grausige Geschehen, das sich damals an der Meisenburgstraße zugetragen haben soll, über der dann laut Überlieferung die Raben kreisten.

Leichen wurden wohl am heutigen Schuirweg bestattet

Die Leichen habe man vermutlich auf einem Ackerstück unterhalb des Hauses Schuir bestattet, zwischen dem Halfmanns- und dem Oberschuirshof am heutigen Schuirweg gelegen, so Schmitz. Noch 1821 hieß dieses Ackerstück in der Katasterkarte „dat Leichenstück“.

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Die Urteile seien damals öffentlich auf dem Werdener Markt gesprochen worden, unter den Augen der Bürger, die das Ganze neugierig begafft hätten. Von dort sei man dann zur oben beschriebenen Richtstätte aufgebrochen. Der Verurteilte sei dabei in eine Kuhhaut gewickelt über den mit Bäumen und Büschen bestandenen langen Weg durch Schuir geschleift worden.

Für den schrecklichen Transport sei der Hof Preutenborbeck zuständig gewesen, der dafür vom Abt von der Steuer befreit worden sei. „Erst 1859 ersetzten die Preußen das Schleifen auf der Kuhhaut durch das Schwert des Henkers“, schreibt Herbert Schmitz über die grausame Praxis.

Ältere Bürger kennen die Geschichten um den Galgenhügel noch aus Überlieferungen

Der Galgenweg habe dann von Werden über die Ruhr ins Wolfsbachtal geführt und weiter durch die Waldung Hackenbergsbusch entlang der Walleneyer Höfe zur Richtstätte. Der letzte Teil des Weges habe ungefähr dem heutigen Verlauf der Wallneyer Straße entsprochen.

Heimatforscher Herbert Schmitz, gebürtiger Haarzopfer, hat sein Wissen nicht nur aus alten Akten und Urkunden. Ältere Anwohner wüssten tatsächlich heute noch aus Überlieferungen um diesen Galgenweg. 1798, fünf Jahre vor Auflösung der Abteil Werden, habe sich der damalige Land- und Lehnrichter Müller noch zu den Urteilen auf dem Gerichtsplatz geäußert. Er habe festgestellt, „daß es den Werdener Untertanen zur Ehre gereiche, daß Hauptverbrecher aus dem Abteigebiet äußerst selten waren“ – was Herbert Schmitz als Lob für die moralische Qualität der Abtei-Untertanen wertet.

Haarzopfer forscht zur Geschichte des Essener Südens

Seit rund 80 Jahren lebt Herbert Schmitz in Haarzopf. Er wuchs an der Hatzper Straße auf, wo sein Vater einen Gemischtwarenladen unterhielt und die umliegenden Bauern mit Sämereien versorgte.

Das Gebäude kurz hinter der Kreuzung Erbach existiert nicht mehr, wohl aber das Haus direkt gegenüber, das seinen Eltern gehörte und das Schmitz bis heute bewohnt. Seit vielen Jahren forscht Schmitz als Hobby in Archiven zur Geschichte des Essener Südens, recherchiert zu Straßen und Höfen in seinem Umfeld.