Essen. Übers ganze 2021 gesehen sprechen die Meteorologen des Essener Wetterdienstes von einem Durchschnittsjahr. Doch einzelne Monate überraschen doch.
Die schneereichen Tage Anfang Februar und die Jahrhundertflut Mitte Juli: Wer sich an das Wetter im vergangenen Jahr erinnert, dem fallen auf Anhieb solche extremen Ereignisse ein. Dabei war 2021 rein statistisch gesehen ein absolutes Durchschnittsjahr. „Im Jahresmittel betrug die Temperatur 10,4 Grad, das sind 0,3 Grad mehr als im Vergleichszeitraum 1981 bis 2010“, sagt die Diplom-Meteorologin Ortrun Roll vom Regionalen Klimabüro Essen des Deutschen Wetterdienstes in Essen-Bredeney. Und fügt sogleich ein Aber hinzu: Einzelne Monate seien durch deutliche Temperaturgegensätze aufgefallen.
Temperatur springt im Februar 2021 um fast 30 Grad: von minus 11,8 auf plus 19,0 Grad
Zum Beispiel der Februar. Der sei deutlich zu mild gewesen, allerdings fällt die Quecksilbersäule am 10. Februar stark ab auf minus 11,8 Grad. Roll: „Das war der absolute Tiefstwert des ganzen Jahres.“ Doch es sollte nicht lange dauern, da erwärmt sich der Februar ziemlich rasant. Am 24. Februar registrieren sie an der Wetterstation mitten im Winter einen äußerst frühlingshaften Wert von 19,0 Grad.
Der an sich milde Januar überrascht am 24.1. mit einem Rekordwert, als die Schneedecke eine Höhe von 13 Zentimetern erreicht. Ein paar Tage später im Februar muss die Ruhrbahn wegen des üppigen Schneefalls den gesamten Verkehr einstellen und die EBE hat erhebliche Schwierigkeiten, die Straßen freizubekommen. Dafür schnallen sich Langläufer die Skier unter und fahren mitten in der Großstadt auf Brettern zur Arbeit. Während der Januar relativ nass daherkommt, liefert der Februar überdurchschnittlich viel Sonne.
Der März sei zu mild gewesen und dreht zum Monatsende mit nahezu sommerlichen 24,5 Grad so richtig auf. Ganz anders die beiden folgenden Monate, die eher kühl sind: der April überwiegend trocken und sonnig, der Mai eher nass und bewölkt. Der Juni ist deutlich zu warm, hat aber reichlich Niederschlag im Gepäck. Allein am 29. Juni fallen fast 63 Liter auf den Quadratmeter. Zum Vergleich: Der Durchschnittsniederschlag im ganzen Monat Juni liegt bei 97 Litern.
Überschwemmungen im Essener Süden: Aber der Starkregen passiert weiter südlich
Extrem nass ist der Juli, der am 14. Juli den Deilbach und die Ruhr über die Ufer treten lässt. Schuld daran sind aber nicht die Niederschläge in Essen an jenem Tag (54 Liter pro Quadratmeter), sondern der Starkregen weiter südlich. Das Bett des Deilbachs hat sich bereits in der Region Wuppertal gut gefüllt.
Nicht gut in Erinnerung bleibt der August: zu nass und für einen Sommermonat viel zu wenig Sonnenschein. Die Entschädigung kommt im goldenen September, der reich an Sonnenschein, trocken und im Durchschnitt zwei Grad wärmer ist als sonst üblich. Nur teilweise golden und niederschlagsreich erleben die Essener den Oktober. Die letzten beiden Monate bleiben in Erinnerung mit einem niederschlagsarmen November und einem Dezember, der kurz vor Weihnachten eine „extrem kalte Periode“ erwischt, um sich am 30.12. zweistellig zu verabschieden: mit ziemlich milden 14,1 Grad.
Förster klagt über „furztrockenen Waldboden“ und das Leiden von Buche und Eiche
Zu denen, die besonders empfindlich auf das Wetter in Essen reagieren, zählen Leute wie Martin Langkamp. Der Forstamtmann beim Landesbetrieb Wald und Holz ist im Regionalforstamt Ruhrgebiet zuständig für Essen, Mülheim und Duisburg. Seine Bilanz: „Wir hatten ein normales Regenjahr, anders als die trockenen Jahre zwischen 2017 und 2020.“ Doch der „menschengemachte Klimawandel“ zeige auch hierzulande sein Gesicht. „Wenn es regnet, dann richtig“, sagt Langkamp. Umgekehrt gelte dasselbe bei der Trockenheit.
Nach wie vor leiden die Bäume in Essen an dem erheblichen Wasserdefizit, das sich zwischen 2017 und 2020 aufgebaut habe. Noch immer sei der Waldboden viel zu trocken. „Der Regen hat nur die ersten 30 Zentimeter gut mit Wasser versorgt“, sagt Langkamp. Das nutze lediglich Pflanzen wie Brombeere, Brennnessel, Adlerfarn und Knöterich. „Aber Laubbäume wie Buche und Eiche stehen in furztrockener Erde.“ Denn der Regen erreiche nicht mehr die Erdschicht zwischen 0,40 und zwei Meter Tiefe, in der die Hauptwurzeln besonders viel Wasser ziehen müssten.
Laubwälder brauchen einen „kühlen nassen Sommer mit reichlich Landregen“
Die Folgen seien gravierend. Der Forstmann berichtet von „hohem Holzeinschlag im vergangenen Jahr“. Ausschlaggebend für Baumfällungen sei meistens die Pflicht zur Verkehrssicherung. Soll heißen: Buchen und Eichen in trockenem Untergrund drohten umzukippen. „Die machen aus jedem Auto eine Blechdose“, sagt Langkamp.
Besonders stark auf Wasserschwankungen reagierten die 80 bis 120 Jahre alten Bäume, für Altbuchen sei der fehlende Niederschlag besonders stressig. „In Kuppellagen im Essener Süden fließt das Regenwasser besonders stark ab, es dringt kaum in den Boden ein.“ Martin Langkamp wünscht sich in diesem Sommer für seine Forsten übrigens das, was Freibadbesucher, Spaziergänger und Grillfreunde regelrecht verteufeln: „Einen kühlen, verregneten nassen Sommer mit reichlich schönem Landregen.“