Essen-Fulerum. . Die Gesellschaft Covivio will die Miete erhöhen. Mieter in Fulerum zweifeln die Gründe an und finden Unterstützung bei der Mietergemeinschaft.

Eigentlich leben Bruno Neumann, Jürgen Bozian und Rolf Sachs gern in der Fulerumer Siedlung, zu der die Spieckermannstraße, Sonderwerkstraße, Regenbogenweg und ein Teil der Humboldtstraße gehören. Derzeit ärgern sie sich allerdings über Mieterhöhungen, die ihrer Ansicht nach vom Vermieter, der Covivio-Immobiliengesellschaft, nicht stichhaltig begründet, teils fehlerhaft und sehr uneinheitlich seien. Nicht nur die Beträge seien sehr unterschiedlich, auch die Termine, zu denen die Erhöhung gelten solle.

„Die Summen variieren offenbar von 25 bis 70 Euro zusätzlich pro Monat“, sagt Anwohner Jürgen Bozian. Gerade für ältere Menschen – und davon gebe es in den knapp 600 Wohneinheiten der Siedlung viele – sei das oft schwierig. Neumann, Bozian und Sachs gehören zum siebenköpfigen Vorstand der Interessenvereinigung der Mieter Essen-Fulerum, die sich 2003 gegründet hatte und über 180 Mitglieder hat. Sie hat es sich um Ziel gesetzt, zwischen Mietern, Vermieter und eventuell der Stadt zu vermitteln.

Mieter wenden sich an die Interessengemeinschaft

Die ersten Mieter hätten den Bescheid über die aktuelle Mieterhöhung bereits im Dezember bekommen, andere jetzt vor kurzem. Dass nun die Dämmung der Gebäude als Grund für Mieterhöhungen herangezogen würde, sei seltsam. Die Dämmung habe nämlich schon in den 1990er Jahren stattgefunden, so die Mieter. „Etliche Mieter haben sich schon hilfesuchend an uns gewandt“, sagt Jürgen Bozian. Die Interessengemeinschaft verteile deshalb jetzt Zettel mit den Kontaktdaten der Mietergemeinschaft Essen, an die sich die Betroffenen bei Fragen wenden könnten.

Viele Mieter wohnen eigentlich gern in der Fulerumer Siedlung an der Grenze zu Mülheim.
Viele Mieter wohnen eigentlich gern in der Fulerumer Siedlung an der Grenze zu Mülheim. © Andre Hirtz

„Die geplanten Mieterhöhungen sind aus unserer Sicht durchaus angreifbar“, so Siw Mammitzsch, Geschäftsführerin der Mietergemeinschaft Essen. Covivio, früher Immeo, versuche offenbar auf Grundlage des städtischen Mietspiegels eine maximale Mieterhöhung zu erreichen. Siw Mammitzsch kritisiert, dass Covivio zur Begründung der Mieterhöhung so genannte Zusatzmerkmale, für die es Punkte gebe, geltend mache.

Die Dämmung der Häuser liegt schon lange zurück

Mit allein acht Punkten würde die Dämmung der Fassade, der Kellerdecke, des Daches und der obersten Geschossdecke aufgelistet. „All diese Maßnahmen sind allerdings vor 2009 erfolgt, also energetisch nicht auf dem neuesten Stand“, so die Geschäftsführerin. Selbst wenn sie nach 2009 durchgeführt worden wären, seien dafür maximal sieben Punkte zu berechnen. Da die Dämmung schon so lange zurückliege, sei sie nach Auffassung der Rechtsanwälte der Mietergemeinschaft höchstens zwei bis drei Punkte wert.

Siw Mammitzsch kritisiert weiter, dass ein besserer Energiekennwert angeführt, aber nicht belegt werde. „Zudem ist ein Fahrradabstellraum mit einem Punkt als Zusatzmerkmal angeführt, der aber schon seit dem Bau der Häuser existiert und keinesfalls neu ist“, so Mammitzsch. Das sei mit einem Zusatzpunkt aber eher eine Kleinigkeit. Sie rät den Mietern, auf jeden Fall schriftlich Widerspruch einzulegen, weiter die alte Summe zu zahlen und abzuwarten. Covivio müsse dann die Mieterhöhung einklagen.

Ältere Mieter fürchten oft den Verlust der Wohnung

„Ein Problem ist, dass gerade ältere Menschen oft Angst haben, ihre Wohnung zu verlieren, wenn sie die geforderte Summe nicht zahlen“, weiß Siw Mammitzsch aus Erfahrung. Man müsse sich einfach trauen, zu widersprechen, wenn man die Erhöhung nicht einsehe. Oft würden nur Einzelne widersprechen. Wenn der Vermieter dann in den Fällen Korrekturen vornehme, hätten andere nichts davon. „Wenn der Vermieter moralisch korrekt handeln würde, müsste er die Einwände dann auch bei den anderen gelten lassen“, sagt die Geschäftsführerin.

Laut Covivio-Sprecherin Barbara Lipka ist die Mehrzahl der Mietverhältnisse in der Fulerumer Siedlung langjährig und die Kommunikation mit den Mietern eng und vertrauensvoll. Im vorliegenden Fall seien Mietanpassungen unter Berücksichtigung des Essener Mietspiegels vorgenommen. Mögliche Unterschiede in der Höhe der jeweiligen Mietanpassungen errechneten sich aufgrund gesetzlicher Vorgaben, unterschiedlicher Wohnungsgrößen und -ausstattungen sowie vertraglicher Laufzeiten.

Wohnungsgesellschaft bietet Einzelgespräche an

Jeder Mieter werde individuell und schriftlich über die Mieterhöhung informiert. Man erkläre die Berechnungsgrundlage und die jeweilige Punktvergabe. Rückfragen der Mieter beziehungsweise deren Rechtsvertreter würden individuell bearbeitet und beantwortet. Lediglich in Einzelfällen könne es möglich sein, dass bei Anfragen von Interessengemeinschaften zu einzelnen Mietern oder Mieterhöhungen aus rechtlichen Gründen keine Auskünfte erteilt werden könnten.

„Wir schätzen die Mieter und die Mietergemeinschaft in Fulerum sehr und bieten gern weiterhin Einzelgespräche mit den Mietern an“, so Barbara Lipka.

>>>SIEDLUNG AN DER STADTGRENZE

  • Bei der Siedlung in der Nähe des Rhein-Ruhr-Zentrums an der Stadtgrenze zu Mülheim handelt es sich um eine ehemalige Krupp-Siedlung.
  • Sie sei 1965 erbaut worden, so Bruno Neumann. „Früher waren viele der Wohnungen sozial gebunden“, erinnert er sich.