Essen-Bergerhausen. Weil etliche Flüchtlinge in der Unterkunft Pregelstraße krank sind, übernehmen die Helfer neue Aufgaben. Die Ehrenamtlichen wünschen sich Unterstützung.

  • Weil es in der Unterkunft Pregelstraße nur Einzelzimmer, leben dort viele kranke Flüchtlinge
  • Das verändert die Aufgaben der Ehrenamtlichen
  • Helfer begleiten zum Arzt statt vorwiegend Deutschunterricht zu erteilen

„Der Schwerpunkt unserer Arbeit hat sich in den letzten Monaten verändert. Statt Deutschunterricht steht jetzt die Begleitung von teils schwer kranken Flüchtlingen und solchen mit Behinderungen im Vordergrund“, sagt der frühere evangelische Pfarrer Eberhard Kerlen, der den runden Tisch für die Flüchtlingsunterkunft Pregelstraße leitet. Vor knapp zwei Jahren zogen die ersten Flüchtlinge dort ein, wo früher Schulungsteilnehmer untergebracht waren. Schnell fanden sich hilfsbereite Bergerhauser zum runden Tisch zusammen, um Angebote für die Asylbewerber zu koordinieren.

Im Vergleich mit anderen Unterkünften ist die Situation an der Pregelstraße speziell. Dort gibt es aufgrund der früheren Nutzung nur Einzelzimmer mit Nasszelle. Belegt sind die Räume mit 50 alleinreisenden Männern. Von denen seien, so Kerlen, etwa 15 schwer erkrankt, hätten Krebs, Aids, Splitter im Kopf oder durch den Krieg in ihrer Heimat Gliedmaßen verloren, schildert er die Schicksale der Bewohner. Einige benötigten Therapie, bekämen Prothesen angepasst oder müssten regelmäßig zur Dialyse. „Das sind Menschen, die unmittelbar Hilfe benötigen. Die Ehrenamtlichen begleiten sie zu Ärzten oder in Krankenhäuser“, so Kerlen. Für die freiwilligen Helfer sei das eine echte Herausforderung, die weit über die Betreuung der Kleiderkammer, die Begleitung bei Ämtergängen und Wohnungssuche oder Deutschunterricht hinausgehe. Kerlen: „Irgendwie fühlen wir uns dabei allein gelassen, würden uns mehr Unterstützung von offizieller Seite wünschen.“

Herausforderung: Tagesprogramm für junge Männer

So sei zum Beispiel ein Aidskranker in der Unterkunft relativ isoliert, die Bewohner hätten Ängste und auch die Ehrenamtlichen wüssten nicht genau, wie sie sich verhalten sollten. Den Mitarbeitern des Betreibers European Homecare fehle wohl die Zeit, Flüchtlinge zu Ärzten zu begleiten und am Wochenende sei manchmal kein Betreuer da, so dass Ehrenamtliche auch in Notfällen einspringen müssten, schildert Kerlen die Situation. „Offenbar sind nicht nur geeignete Wohnungen für Flüchtlinge Mangelware, sondern auch qualifizierte Betreuer.“ Trotz dieser Zusatzbelastung gebe es natürlich weiter Deutschunterricht, den viele Flüchtlinge durchaus als Chance sähen. Klaus Kocks, Sprecher des Betreibers European Homecare, wollte den Sachverhalt auf Nachfrage nicht kommentieren.

Anfangs trafen sich die Ehrenamtlichen einmal pro Monat zum Austausch, inzwischen sind die Abstände etwas größer geworden. Die Strukturen seien geschaffen, Deutschunterricht, Computer- und Sportangebote liefen, so Kerlen. „Es ist sowieso eine Herausforderung für die Ehrenamtlichen, ein Tagesprogramm für junge Männer zu organisieren“, so Kerlen. Das sei deutlich anspruchsvoller als Spielaktionen für Familien mit Kindern zu gestalten.

Begleitung sorgt für bessere Behandlung

Dass die Stadt kranke und behinderte Flüchtlinge gezielt an der Pregelstraße unterbringe, kann Thomas Römer vom Amt für Soziales und Wohnen so nicht bestätigen. In Essen gebe es ja viel mehr kranke und behinderte Flüchtlinge als die zehn bis 15 an der Pregelstraße. „Allerdings sind die Einzelzimmer dort für Kranke besser geeignet als Zeltunterkünfte, wo gesunde Menschen besser mit der Situation klar kommen“, so Römer. Auch für Rollstuhlfahrer, Frauen mit Neugeborenen oder andere besonders schutzbedürftige Menschen suche die Stadt besser geeignete Unterkünfte, denn nicht alle seien zum Beispiel komplett barrierefrei. Man wisse aber oft gar nicht, wer kommt und ob Rollstuhlfahrer dabei seien, so dass nach der ersten Unterbringung Nachbesserungen sinnvoll seien. „Es gibt also keine Systematik, kranke Menschen an der Pregelstraße unterzubringen, aber in einigen Fällen bietet sich das an.“

Zu der Anregung von Eberhard Kerlen, zum Umgang mit Aids-Patienten zu beraten, verweist Römer auf Angebote der Aidshilfe. „Ansonsten liegt die Verantwortung beim Betreiber, der auch dafür sorgen muss, dass kranke Bewohner Zugang zum ärztlichen System bekommen“, sagt Römer, der auch selbst gelegentlich den runden Tisch Bergerhausen besucht. Dass Ehrenamtliche die Flüchtlinge zu Ärzten begleiten, sei aber sehr hilfreich – nicht nur wegen der Sprachprobleme. „Ich habe schon wiederholt gehört, dass Flüchtlinge in Begleitung eines Ehrenamtlichen ganz anders behandelt würden“, so Römer. Viele der Flüchtlinge seien in ihren Heimatländern auch nicht nach westlichem Standard behandelt worden, so dass zum Beispiel eine Grundsanierung der Zähne erforderlich sei.