Essen-Rüttenscheid. . An der Köndgenstraße organisieren sich Mieter der vom Abriss bedrohten Häuser und auch Nachbarn. Sie wollen die Pläne der Vivawest verhindern.
An der Köndgenstraße in Rüttenscheid formiert sich massiver Widerstand gegen das von der Vivawest geplante Neubauvorhaben. Die Wohnungsgesellschaft möchte vier noch bewohnte Mietshäuser aus dem Jahr 1922 abreißen und durch fünf neue Bauten samt Tiefgaragen ersetzen. Auch der große Gemeinschaftsgarten, ein wild-grünes Refugium in direkter Nähe zur Alfredstraße, würde damit verschwinden. „Wir wollen hier bleiben“, ist das einmütige Credo der 16 verbliebenen Mietparteien, die sich auch der breiten Unterstützung vieler Eigentümer aus der Nachbarschaft sicher sein können.
Eine von ihnen ist Barbara Kellner, die seit ihrer Kindheit in der Eduard-Lucas-Straße wohnt – direkt gegenüber einem der vom Abriss betroffenen Häuser. „Ich fühle mich entwurzelt, wenn diese Neubau-Pläne umgesetzt werden“, sagt sie. Seit einigen Tagen sammelt sie Unterschriften, möchte mit vielen weiteren Eigentümern eine Interessengemeinschaft gegen den Neubau gründen. Ein Großteil von ihnen fürchtet nicht nur eine Verschärfung der ohnehin angespannten Verkehrs- und Parkplatzsituation. Sie wollen sich schlichtweg auch den Blick ins Grüne nicht verbauen lassen und eine funktionierende Gemeinschaft erhalten. Barbara Kellner etwa kennt manche Nachbarn, „seit ich im Strampler lag“.
Rosemarie Blum von gegenüber zum Beispiel. Die 89-Jährige zog vor 60 Jahren in eine der Vivawest-Wohnungen, die damals noch Mitarbeitern von Goldschmidt vorbehalten waren. Ihr Mann arbeitete dort, ihr Schwiegervater auch. „Ich bin der Liebe wegen aus Steele hierher gezogen“, sagt die Seniorin und Besorgnis tritt in ihre freundlichen Augen: „Mein Mann lebt nicht mehr, mein Sohn wohnt in Karlsruhe. Ich wüsste nicht, wo ich hin soll, wenn ich hier raus muss. Ich liebe den Garten, meine Ärzte auf der Rü erreiche ich zu Fuß. In meinem Alter möchte ich nicht mehr umziehen.“
In Mietergemeinschaft organisiert
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Auch Hannelore Lewicki und ihr Mann würden gern ihren Lebensabend an der Köndgenstraße verbringen, vor 47 Jahren zogen sie ein. Als sie kürzlich aus dem Urlaub zurückkamen, erwartete sie eine faustdicke Überraschung. „Zum einen hatte uns Vivawest einen Blumenstrauß und ein Dankeschön geschickt, weil wir seit 40 Jahren hier wohnen. In einem weiteren Brief wurden wir dann über die Neubaupläne informiert, das ist doch der reine Hohn“, sagt Lewicki. Für mehr gemeinsame Handhabe hat sie sich mit ihren Nachbarn nun der Mietergemeinschaft Essen angeschlossen. Dem Wunsch nach einer gemeinsamen Informationsveranstaltung sei die Vivawest bislang noch nicht nachgekommen. Dort beteuert man, in Einzelgesprächen besser auf die individuellen Bedürfnisse der jeweiligen Mieter eingehen zu können. Eine Kündigung ist dabei bislang noch niemandem ausgesprochen worden. Ein Schreiben informierte die Mieter über die Pläne, einigen wurden zudem persönliche Beratungsgespräche angeboten. Im Januar soll der Bauantrag gestellt werden.
In der Bezirksvertretung II wurden die Pläne bereits im März im nichtöffentlichen Teil vorgestellt. Einige Stadtteilpolitiker fanden sich gestern zum Ortstermin ein. Man könne sich zwar solidarisch zeigen, politische Handhabe gebe es hingegen kaum, sagte Elke Zeeb von den Grünen. So würden die Pläne der Bezirksvertretung II nur zur Kenntnisnahme vorgelegt.
Sowohl die Eigentümer als auch die Mieter werden sich nun juristischen Beistand suchen, kampflos aufgeben wollen sie ihr Zuhause nicht. „Wenn uns solche modernen Kisten vor die Nase gesetzt werden“, sagt Barbara Kellner, „verliert das Viertel hier seinen Liebreiz.“