Essen. Freisenbruch hat im Stadtteil-Check schlecht abgeschnitten bei den Einkaufsmöglichkeiten. Nun soll eine „Neue Mitte“ entstehen - frühestens 2021.
„Alles fehlt hier“, sagt Klaus Höhne und schüttelt den Kopf. Er ist 60 Jahre alt, sein Leben lang Freisenbrucher. Früher, da gab es noch Supermärkte, Bäcker, Gastronomie – aber „die Zeiten sind vorbei“. Mit dieser Einschätzung ist Klaus Höhne nicht allein: Vor Byfang, einem Stadtteil, in dem es nicht mal einen Supermarkt gibt, hat Freisenbruch beim Stadtteil-Check in der Kategorie Einkaufsmöglichkeiten am zweischlechtesten abgeschnitten. Die Note 4,41 geben die Bewohner ihrem Stadtteil.
Schon bei den Lebensmitteln fängt es an: Zwar gibt es in Freisenbruch drei Supermärkte. Aber für Bewohner des nordöstlichen Teils des Stadtteils sind sie zum Teil mehr als zwei Kilometer entfernt. Viele Senioren leben dort – für sie ist der Weg kaum realisierbar. Bäcker gibt es nur in den Supermärkten, einzelne Filialen gar nicht mehr. Der Rewe-Markt liefert ab einem Einkaufswert von 20 Euro. „Aber viele wissen das nicht“, sagt Uwe Lehn.
Wer mobil ist, fährt häufig ins angrenzende Bochum-Höntrop
Hinzu kommt, dass der Rewe-Markt nur gut ein Dutzend Parkplätze hat. Wer mobil ist, fährt nach Steele oder ins angrenzende Bochum-Höntrop. Noch dazu ist sich Uwe Lehn nicht sicher, wie lange sich der Markt überhaupt noch hält. Die Verkaufsfläche sei nicht mehr zeitgemäß, zudem sei die Anliefersituation schwierig. Der Netto an der Freisenbruchstraße habe kürzlich noch renoviert, im Bergmannsfeld gibt es einen türkischen Supermarkt. Feinkost oder internationale Küche sind im Stadtteil gar nicht vertreten.
Ebenso fehlt völlig ein Drogerie-Markt in Freisenbruch. Wer eine größere Auswahl an Cremes, Shampoo oder Windeln sucht, muss nach Steele oder Kray fahren. Steele ist auch dann Ziel, wenn es um Elektro-Artikel geht. Kurzwaren findet man laut Werbegemeinschaft erst in der Innenstadt.
Im nordöstlichen Bereich von Freisenbruch gibt es besonders wenig zu kaufen
Zwei Blumenhändler liegen entlang der Bochumer Landstraße – beide alteingesessene Betriebe. Drei Apotheken gibt es im Stadtteil und zwei Banken.
Klaus Höhne wohnt in der Zweibachegge, nah an der Stadtgrenze in Richtung Wattenscheid. Bis zum Rewe-Supermarkt an der Ecke Freisenbruchstraße/Bochumer Landstraße sind es 1,5 Kilometer – eine Distanz, die für manch Älteren kaum zu überwinden ist. Früher gab es oben auf der Bochumer Landstraße noch einen Netto; als der vor einigen Jahren schloss, verlor sich jegliche Infrastruktur im nordöstlichen Bereich des Stadtteils. Nicht mal einen Bäcker gibt es dort noch.
Drei Bäcker gab es mal in Freisenbruch, alle mussten aufgeben
„Drei Bäcker haben hier mal sehr gut gelebt“, sagt Wilfrid Adamy, Vorstand der Werbegemeinschaft Freisenbruch. Der 63-Jährige ist hier im Osten Essens aufgewachsen und erinnert sich noch gut an bessere Zeiten. Warum Freisenbruch so schlecht dasteht? Er und sein Vorstandskollege Uwe Lehn können es sich kaum erklären. Freisenbruch gehört mit fast 17.000 Einwohnern zu den einwohnerstärkeren Stadtteilen, die Kaufkraft ist recht hoch, die Verbundenheit zum Viertel auch. „Viele, die hier leben, leben hier schon ewig, auch wenn sie sich auch ein Haus in Bredeney leisten könnten“, sagt Uwe Lehn, selbst Zugezogener.
Im siebten Jahr gibt es die Werbegemeinschaft, seitdem sei die Leerstandsquote stabil. Trotzdem reihen sich auf der Bochumer Landstraße, der verkehrsreichen Hauptader des Stadtteils, leere Schaufenster an heruntergelassene Rollläden. Pizzerien und Döner-Imbisse säumen die vierspurige Straße, zwischendrin eines der zurückgeblieben Traditionsgeschäfte wie das Therapie-Zentrum oder Optik-Hahne. Gegenüber dem Büro von Immobilienmakler Lehn erinnert die Aufschrift des Hauses „Fleischerei Höing – 1952 - 2012“ aber auch an die, die lange da waren und es jetzt nicht mehr sind.
Viele fahren über die Bochumer Landstraße durch, kaum einer kennt den Stadtteil
„Freisenbruch hat einen erbärmlichen Bekanntheitsgrad“, sagt Uwe Lehn. Zwar ist die Bochumer Landstraße ein beliebter Weg in Richtung Wattenscheid, „aber viele meinen, sie seien schon oder noch in Steele“. Als Richard Röhrhoff vor eineinhalb Jahren Geschäftsführer bei der Essen Marketing Gesellschaft (EMG) wurde und sich das Stadtteilmarketing auf die Fahne geschrieben hat, schöpfte die Werbegemeinschaft Hoffnung. „Aber bei uns hat sich nie jemand gemeldet.“
Und so versuchen die Freisenbrucher auf eigene Faust, was möglich ist: Sie organisieren alle zwei Jahre eine Stadtteilmesse, auf der sich ansässige Firmen präsentieren können, sie veranstalten Weihnachtsmarkt und Herbstfest. Als die Werbegemeinschaft anfangs versuchte, Bäcker und Supermarktketten in den Stadtteil zurückzuholen, stieß sie allerdings an ihre Grenzen. „Es war müßig. Man gibt irgendwann auf“, sagt Uwe Lehn.
Eine Art „Neue Mitte“ ist projektiert, aber bis zum Bau wird noch Zeit vergehen
Bald soll sich einiges ändern: An der Ecke Sachsenring/Bochumer Landstraße entsteht ein Einkaufszentrum auf drei Etagen. Die Projektierung ist abgeschlossen, die Mietverträge sind unterschrieben. Ein Vollsortimenter, ein Discounter, eine Drogerie sollen in die „neue Mitte“ einziehen, dazu kleinere Geschäfte wie ein Lotto-Laden, eine Apotheke. Bis allerdings der Bau beginnt, wird noch einige Zeit vergehen.
Zunächst muss die Sanierung des Eibergbaches abgeschlossen sein, denn weitere Bodenversiegelungen sind im Stadtteil nicht erlaubt. Regelmäßig werden städtebauliche Vorgaben an die Bedürfnisse der Einwohner angepasst – ein langwieriger Prozess. „Wir denken, im Laufe des nächsten Jahres starten die Arbeiten, frühestens 2021 können die Freisenbrucher dort einkaufen“, sagt Uwe Lehn. An Skepsis mangelt es allerdings nicht. „Das wird doch sowieso alles nichts“, sagt eine 85-jährige Freisenbrucherin, seit 53 Jahren Bewohnerin der Zweibachegge. Und auch Lehn und Adamy hören regelmäßig den Satz: „Das erleben wir doch nicht mehr.“
Freisenbruch hat etwas Dörfliches, die Zugehörigkeitsgefühl gilt als groß
Trotz aller Missstimmung: Die Freisenbrucher halten zusammen, das Zugehörigkeitsgefühl sei groß, sind sich beide Vorstände sicher. „Obwohl das ein relativ großer Stadtteil ist, hat er etwas Dörfliches“, sagt Uwe Lehn. Dazu passt, dass die Bewohner versuchen, sich beim Thema Einkaufen selbst zu helfen. Und so bekommt man bei der Schreibwarenhändlerin Beate Maßbaum neben Schnellheftern und Stiften auch Wurst und Käse. Und auch der Kiosk an der oberen Bochumer Landstraße hat einige Lebensmittel im Sortiment.
Wilfrid Adamy sagt: „Die Stimmung, etwas zu bewegen, ist da.“ Und Uwe Lehn ergänzt: „Dieser Stadtteil ist lebenswert.“
>> EINKAUFSMÖGLICHKEITEN IN FREISENBRUCH VÖLLIG AUSGEDÜNNT
- Schon bei den Lebensmitteln fängt es an: Zwar gibt es in Freisenbruch drei Supermärkte, aber für Bewohner des nordöstlichen Teils des Stadtteils sind sie zum Teil mehr als zwei Kilometer entfernt. Viele Senioren leben dort – für sie ist der Weg kaum realisierbar. Bäcker gibt es nur in den Supermärkten, einzelne Filialen gar nicht mehr. Der Rewe-Markt liefert ab einem Einkaufswert von 20 Euro. „Aber viele wissen das nicht“, sagt Uwe Lehn.
- Hinzu kommt, dass der Rewe-Markt nur gut ein Dutzend Parkplätze hat. Wer mobil ist, fährt nach Steele oder ins angrenzende Höntrop. Noch dazu ist sich Uwe Lehn nicht sicher, wie lange sich der Markt überhaupt noch hält. Die Verkaufsfläche sei nicht mehr zeitgemäß, zudem sei die Anliefersituation schwierig. Der Netto an der Freisenbruchstraße wurde kürzlich noch renoviert, im Bergmannsfeld gibt es einen türkischen Supermarkt. Feinkost oder internationale Küche sind im Stadtteil gar nicht vertreten.
- Ebenso fehlt völlig ein Drogeriemarkt in Freisenbruch. Wer eine größere Auswahl an Cremes, Shampoo oder Windeln sucht, muss nach Steele oder Kray fahren. Steele ist auch dann Ziel, wenn es um Elektroartikel geht. Kurzwaren findet man laut Werbegemeinschaft erst in der Innenstadt.
- Zwei Blumenhändler liegen entlang der Bochumer Landstraße – beides alteingesessene Betriebe. Drei Apotheken und zwei Banken gibt es im Stadtteil.