Essen. . Linda Mannek ist seit 13 Jahren Wirtin in der Gaststätte „Alt Carnap“. Es ist die letzte Kneipe in Karnap und für viele unverzichtbar.
Es liegt nicht an Linda Mannek, dass Karnap bei unserem Stadtteil-Check in der Kategorie „Gastronomie“ den vorletzten Platz belegt. Nur das ländliche Byfang, wo es gar keine Gaststätte mehr gibt, schneidet noch schlechter ab. Hoch oben im Essener Norden aber hält Linda Mannek die Stellung hinterm Tresen. Die 54-Jährige ist die letzte einer aussterbenden Art. Sie ist Karnaps letzte Wirtin.
Seit 13 Jahren ist Linda Mannek die Chefin im „Alt Carnap“ an der Karnaper Straße. Sie hätte auch weiter als Altenpflegerin arbeiten können, damals, vor vielen Jahren. Linda Mannek entschied sich für den Platz am Zapfarm, wo sie an Wochenenden die letzte Runde oft erst im Morgengrauen einläutet. Dennoch: „Ich würde es immer wieder tun“, sagt sie.
Ein Besuch im „Alt Carnap“ ist eine Zeitreise
Wer durch die schwere Holztür tritt, begibt sich auf eine Zeitreise. Das Interieur, die Wandbilder mit historischen Karnaper Motiven. . . Fast alles sieht noch so aus wie im Jahr 1960, als Anneliese Rademacher die Kneipe eröffnete. Als patente und robuste Frau beschreibt Linda Mannek ihre Vorgängerin, die vier Jahrzehnte das Regiment im Alt Carnap führte, bis Alter und Gesundheit nicht mehr mitspielten.
23 Kneipen gab es in Karnaps wirtschaftlicher Blütezeit, als der Stadtteil mehr Arbeiter zählte als Einwohner und sich die Räder auf Zeche Mathias Stinnes noch drehten. 1972 war dort Schicht im Schacht.
Die vorletzte Kneipe, das Bürgerhaus, hat vor zwei Jahren dicht gemacht. Es ist ein schleichender Niedergang, wie er in so vielen Stadtteilen zu beobachten ist. Wer trinkt sein Bier heute noch in der Kneipe?
Die Kneipe ist ein Treffepunkt für Vereine und SPD
Linda Mannek macht weiter. Das Haus an der Karnaper Straße hat sie gekauft, bevor ein anderer auf die Idee kommen konnte, und den Pachtvertrag womöglich gekündigt hätte. „Was hätte ich dann gemacht mit Mitte fünfzig?“
Und was wäre aus den vielen Vereinen geworden, aus dem Bürgerverein, aus dem Geschichtskreis, aus den Dart-Clubs und was aus der SPD? Nicht nur sie versammeln sich regelmäßig im Alt Carnap. Als die Billardfreunde vom BC Nordstern heimatlos wurden, weil ihre Stammkneipe in Gelsenkirchen-Horst aufgab, klopften sie bei Linda Mannek an. Die Wirtin sagte zu und vergrößerte ihre Gaststätte um einen 75 Quadratmeter großen Billardsaal.
„Früher kamen Opas mit Enkelkindern zum Frühschoppen“
Wer im Gastgewerbe überleben will, muss sich eben etwas einfallen lassen. Das Pils für 1,30 Euro allein lockt niemanden mehr vom Sofa. „Das Thekengeschäft hat stark nachgelassen“, erzählt Linda Mannek. „Früher kamen die Opas mit ihren Enkelkindern zum Frühschoppen.“ Heute ist sonntags Ruhetag. Die Zeiten ändern sich.
In diesem Jahr wird das Alt Carnap erstmals an Weihnachten geschlossen bleiben, der Familie zuliebe. Linda Mannek und ihr Mann möchten noch so viel wie möglich von ihren Enkelkindern haben, bevor die Kleinen groß sind.
An Altweiber lässt ein Stripper die Hüllen fallen
Andere Termine sind gesetzt: Die jährliche Sparkasten-Leerung, Karneval... Dann brummt es im Alt Carnap. An Altweiber engagiert Linda Mannek seit ein paar Jahren einen Stripper. Auch ältere Damen kommen dann, um zu sehen, wie die Hüllen fallen. „Selbst die vom Turnverein. Und die sind schon über achtzig.“
Als Wirtin, sagt Linda Mannek, „muss man ein offenes Ohr für seine Gäste haben und manchmal auch den Pausenclown spielen.“ Es ist ihr Erfolgsrezept.