Essen-Rüttenscheid/Stadtwald. Der Gebrandenhof stehe vor dem Verfall, sorgen sich Bürger um das frühere Ausflugslokal in Essen-Rüttenscheid. Jetzt meldet sich der Eigentümer.

Er gehört zu den ältesten Anwesen der Stadt und legt Zeugnis von einer Zeit ab, als Essen noch ein Bauerndorf war. Gemeint ist der Gebrandenhof in Rüttenscheid, jahrzehntelang ein beliebtes Ausflugslokal. In jüngster Zeit wuchs die Sorge, das denkmalgeschützte Gebäude sei dem Verfall preisgegeben. Auf Nachfrage dieser Zeitung hat nun das Unternehmen Auryn Beteiligungs GmbH als Eigentümer seine Pläne vorgestellt, wie es den Bestand sichern will. Die spannende Frage, wer das historische Schmuckstück nutzen werde, lässt der Besitzer noch unbeantwortet. In Corona-Zeiten einen Gastronomen oder Kulturschaffende für das Ensemble zu gewinnen, sei ziemlich aussichtslos, heißt es.

Fachwerkhaus in Essen-Rüttenscheid soll Schritt für Schritt restauriert werden

https://www.waz.de/staedte/essen/lange-gastronomie-geschichte-im-gebrandenhof-endet-im-januar-id209309311.htmlKurze Rückblende: Fast 30 Jahre lang sorgte Werner Rzepucha dafür, dass der Gebrandenhof über die Stadtgrenzen hinaus Gäste anlockte. Vor rund drei Jahren verkaufte der Gastronom die gesamte Anlage, er hatte inzwischen das 70. Lebensjahr erreicht. Zunächst sah alles danach aus, als würde das frühere Gehöft einen grundlegenden Wandel erleben. Eine Zahnarztpraxis sollte Einzug halten. Doch auf die bohrenden Fragen von Fachleuten, wie sich hohe medizinische und hygienische Anforderungen mit den örtlichen Gegebenheiten in Einklang bringen ließen, fielen dann wohl die Antworten zu dürftig aus. Seither stehen die Räume leer, das Gebäude ist verwaist. Ein solcher Zustand spielt einem solchen Anwesen über kurz oder lang übel mit.

Mit Sperrholzplatten sind Gefache abgedeckt, die derzeit erneuert werden. Zudem kommen bei den Arbeiten Stützhölzer zum Einsatz.
Mit Sperrholzplatten sind Gefache abgedeckt, die derzeit erneuert werden. Zudem kommen bei den Arbeiten Stützhölzer zum Einsatz. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Nun aber habe man mit der Instandsetzung der Fachwerkhäuser begonnen und gehe Schritt für Schritt vor, erläutert Peter Brdenk. Der Essener Architekt zählt zu den Spezialisten für den Denkmalschutz und hat das Sanierungskonzept gemeinsam mit dem Eigentümer Auryn Beteiligungs GmbH und in dessen Auftrag entwickelt, erläutert deren Vertreter Florian Bertolini. „Wir wollen den Bestand des altehrwürdigen Ensembles sichern, zu dem neben dem Haupt- noch ein Wirtschaftsgebäude sowie ein ehemaliges Backhaus gehören.“

Durch Regen ist Feuchtigkeit in die Hölzer eingedrungen

https://www.waz.de/staedte/essen/sued/werner-rzepuchas-herz-schlaegt-fuer-die-gastronomie-id9668178.htmlWenn nun der Gebrandenhof erneuert werde und Schäden beseitigt werden sollen, dann „auch von Grund auf“, betont Brdenk, und das sei im wörtlichen Sinne zu verstehen. Eine Essener Fachfirma wechsele momentan im Haupthaus die Schwellen des altehrwürdigen Fachwerks aus. Sie bilden die Grundkonstruktion solcher Gebäude und haben im Fall des Gebrandenhofes über die Jahrzehnte hinweg Feuchtigkeit gezogen. Das wiederum sei aber keineswegs ein Verschulden der Erbauer des 1798 errichteten Hauses, betont Brdenk. Denn auch schon in früheren Zeiten wussten die Menschen, so der Architekt, dass Holz fault, wenn man es einfach auf den nackten Erdboden legt. Folglich „wurde eine Grundmauer, ein Steinkranz, gesetzt und erst dann platzierte man die Schwellen“. Durch Aufschüttungen und Asphalt auf dem Fußweg von der Wittenbergstraße zum Gebäude sei aber von den Steinen nichts mehr zu sehen. Regen könne ungehindert in das Holz eindringen.

Die Fachfirma hat an einigen Stellen bereits für Ersatz gesorgt, die weiteren sollen noch folgen. Da aber ein Auswechseln und auch ein wasserfester Anstrich allein nicht ausreichten, werde um das Haus eine mit Kies abgedeckte Drainage gelegt, die das Wasser aufnehmen solle, berichtet Brdenk.

Mit Lehmsteinen soll die ursprüngliche Bauart zur Geltung kommen

Blick ins Innere des Gebrandenhofes: Der Eigentümer will die gesamte Technik auf den neuesten Stand bringen.
Blick ins Innere des Gebrandenhofes: Der Eigentümer will die gesamte Technik auf den neuesten Stand bringen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Ein zweites Sorgenkind sind, wie er weiter erklärt, zahlreiche Gefache, also das Mauerwerk zwischen den Fachwerkhölzern. Bei einer ersten Sichtung wurden die besonders beschädigten Bereiche mit Kreuzen in der Signalfarbe Rot versehen und davon gibt es einige. Flächen mit einem gelben Kreuz sollen nochmal genauer untersucht werden, und die Gefache, bei denen alles im grünen Bereich ist, seien auch entsprechend markiert, so der Architekt. Von einer Überzahl könne aber keine Rede sein.

An ersten schadhaften Stellen haben Handwerker bereits den Putz abgeschlagen und alte Steine herausgeholt. Sie sollen durch Lehmsteine ersetzt werden, die von ihrer Machart her zu einem Fachwerkhaus passen, betont der Architekt. Vorsichtshalber habe man diese Bereiche derzeit mit Sperrholzplatten abgedeckt.

Zu den weiteren Schritten, den Gebrandenhof auf Vordermann zu bringen, zähle, den Giebel zu überarbeiten. Der Zustand des Daches wiederum erwecke zwar einen recht guten Eindruck, aber hier sei eine Überprüfung erforderlich. Aber egal, wie das Ergebnis ausfalle, sowohl eine Reinigung als auch eine Dämmung stünden ganz sicher auf dem Plan. Weniger Sorgen mache er sich um Fenster und Türen. Hier werde man nur wenig Hand anlegen müssen.

Als Nutzer sind Gastronomen und Kulturschaffende denkbar

Grüne Oase als Gegenpol zum dicht besiedelten Rüttenscheid

Erbaut wurde das Fachwerk-Ensemble von Theodor Rieder aus Westerfeld, genannt Gebrande – und seiner Ehefrau Anna Maria. Der Hof hieß früher Gebrande an der Heide.

Der Gebrandenhof und das umliegende Waldstück bilden als grüne Oase einen Gegenpol zu dem starjk bebauten Rüttenscheid, sagt Architekt Brdenk.

Naherholung stand für den damaligen Oberbürgermeister Erich Zweigert im Vordergrund, als er Anfang des 20. Jahrhunderts das umliegende 105 Hektar große Waldgebiet von der Adels-Familie Vittinghoff-Schell kaufte.

Aus Sicht der Denkmalschützer ist Fachwerkensemble eines der seltenen Zeugnisse des niederrheinischen Hallenbaus.

Schließlich wolle sich die Eigentümerfamilie auch der gesamten Innenräume annehmen, betont deren Vertreter Florian Bertolini. Voraussichtlich würden Heizung, Elektronik und Beleuchtung erneuert, um den Gebrandenhof auf einen neuen Stand zu bringen.

Ein Zeitpunkt, bis wann das Lifting des Anwesens abgeschlossen sein soll, lasse sich momentan noch nicht nennen, so Bertolini. Einbeziehen wolle die Familie neben dem Haupt- auch die beiden Nebengebäude, die nicht mehr unter Denkmalschutz stehen. Ein Abriss sei auf jeden Fall nicht vorgesehen. Als Mieter oder Pächter könne man sich ebenso einen Gastronomen wie auch Kulturschaffende oder Künstler vorstellen. Ein Vorbild biete sich mit dem Bürgermeisterhaus Werden, das als Kulturstätte großen Zuspruch erlebe.

Erste Gastronomiekonzession stammt aus dem Jahr 1912

Nach neuen Recherchen gab es für den Gebrandenhof schon seit 1912 die Erlaubnis, Gastronomie zu betreiben. Wie Architekt Peter Brdenk weiß, folgte auf erste erfolgreiche Jahre nach dem Ersten Weltkrieg eine längere Durststrecke. Die wirtschaftliche Situation der Bevölkerung habe es offensichtlich nicht zugelassen, für Naherholung, wie man heute sagen würde, Geld auszugeben. Quellen belegen, so der Architekt, dass direkt nach dem Zweiten Weltkrieg wieder ein Wirtshaus öffnete. War in früheren Jahren Ausschank draußen verboten, wurde er nun allmählich erlaubt. Damals soll es offensichtlich manche Diskussionen darüber gegeben haben, ob in der Öffentlichkeit Alkohol getrunken werden darf.

Als der Gastronom Werner Rzepucha, der bereits mit Lokalen wie der Börse im Haus der Technik und der Orangerie im Grugapark bekannt geworden war, den Gebrandenhof übernahm, sorgte er für einen Innenausbau. Auf allen drei Etagen standen den Gästen schon bald rund 130 Plätze zur Verfügung. Mit einer offenen Küche setzte der Essener Akzente und ließ für den Küchenbereich einen Glaspavillon anbauen. Restaurant und Biergarten wurden zu einem beliebten und bekannten Treffpunkt.