Essen-Holsterhausen. Durch bemalte Stromkästen wird Essen-Holsterhausen bunter. Während der Kunstaktion suchten viele Menschen das Gespräch mit den Künstlern.
Als Ana Becher vor kurzem begann, den Stromkasten an der Ecke Jhering-/Savignystraße mit Bildmotiven zu gestalten, erlebte sie etwas, das Künstlerinnen und Künstlern eher seltener widerfährt. Zahlreiche Passanten legten eine kurze Pause ein, um mit ihr ins Gespräch über das Werk zu kommen. Becher hatte den Eindruck, dass offensichtlich in Corona-Zeiten die Leute froh sind, wenn sie sich anderen Themen zuwenden können und zugleich erleben, dass nicht überall Stillstand herrscht. Die 28-Jährige beteiligt sich an der Fortsetzung des Streetart-Projektes. Das Fachgeschäft für Stadtwandel hat es auf den Weg gebracht.
Das Projekt bringt Künstlern in finanziell schwierigen Zeiten Geld ein
https://www.waz.de/staedte/essen/ruettenscheid-suedviertel-holsterhausen/kunstaktion-mehr-farbe-in-essens-stadtteil-holsterhausen-id228238021.htmlMit den Menschen über Kunst zu reden, sei äußerst spannend, sagt Ana Becher. Zudem biete sich auch die Möglichkeit auf das Thema einzugehen, dem sie sich mit der Arbeit zuwendet. Aus den UN-Nachhaltigkeitszielen, die die Klammer für das gesamte Vorhaben bilden, hat sie sich für den Aspekt der bezahlbaren und sauberen Energie entschieden. Bei ihren Bildern lege sie Wert darauf, dass sie Fröhlichkeit ausstrahlen, betont die Absolventin der Folkwang-Hochschule. Im Mittelpunkt der Zeichnung stehe beispielsweise ein lachendes Monster.
Im März 2019 hatte sie ihr Studium mit einem ausgefallenen Projekt abgeschlossen. Es handelt sich dabei um ein reich illustriertes Buch mit ganz unterschiedlichen Texten aus der Menschheitsgeschichte. Seither arbeitet sie als freie Künstlerin, aber nicht nur. Dass sie derzeit eine Stelle als Integrationsassistentin hat, sei nicht zu unterschätzen, sagt die Essenerin. Durch Corona leidet die gesamte Kunst- und Kulturbranche, Aufträge brechen weg, Projekte liegen auf Eis und niemand weiß, ob und wann diese eine Chance erhalten. An Streetart in Holsterhausen mitwirken zu können, sei in dem Zusammenhang auch sehr wertvoll, erklärt Ana Becher. Das Jugendamt und das Kultbüro haben gemeinsam mit Sponsoren insgesamt über 13.000 Euro bereitgestellt, die anteilig an die Künstler vergeben werden.
Auseinandersetzung mit den UN-Nachhaltigkeitszielen
Thomas Hanster vom Fachgeschäft für Stadtwandel, berichtet, dass auch andere beteiligte Künstler froh sind, eingebunden zu sein. Denn auch sie bekommen nach Hansters Worten sehr deutlich zu spüren, wie wenig der Markt derzeit für Kunstvorhaben hergebe.
Nun war es Ana Becher nicht allein, die in den vergangenen Wochen sich ihres Auftrags annahm, auch weitere Kolleginnen und Kollegen schritten zur Tat. Ein Künstler, der unter H.G. firmiert, setzte sich mit der Armutsfrage und dem Erreichen der UN-Ziele auseinander. Seine Arbeiten sind zum einen an der Ecke Simsonstraße/Keplerstraße und zum anderen an der Planckstraße/Ecke Savignystraße zu sehen. Das Duo Laura & Gigo widmete sich dem Themenkomplex „Industrie, Innovation und Infrastruktur“ (Windscheidstraße/Keplerstraße). Bernd Sundermann hinterfragt mit seiner Arbeit den Zusammenhang von menschenwürdiger Arbeit und Wirtschaftswachstum (Keplerstraße/Carmerstraße).
Second-Hand-Shop Klamotte wieder geöffnet
Das Fachgeschäft für Stadtwandel an der Gemarkenstraße 72 war wie viele übrigen Läden über vier Wochen geschlossen.
Der Second-Hand-Shop Klamotte hat inzwischen wieder geöffnet, immer montags bis freitags von 15 bis 18 Uhr.
Darüber hinaus hat das Fachgeschäft aufgrund der geltenden Einschränkungen keine weiteren Angebote, Unter anderem gehören eine Spielecke für Kinder, eine Werkstattbereich für Reparaturen und Handwerksarbeiten zum Profil. Ebenso sind in den Räumlichkeiten weder Treffpunkt noch Veranstaltungen möglich. Schwerpunktmäßig befasst sich das Fachgeschäft mit den Themen Mobilität, Energie, Ernährung, Konsum und Integration.
Schließlich gehören auch Ilse und Ulrich Straeter zu den Akteuren, die sich schon lange vor Corona dem dritten UN-Ziel verschrieben hatten: Gesundheit und Wohlergehen der Menschen. Durch die Pandemie habe das Thema an Aktualität gewonnen. Zugleich betonen die beiden Künstler aber auch, dass die Vereinten Nationen den Begriff des „buen vivir“ im Blick gehabt hätten. Gemeint sei damit ein Wort aus Mittel- und Südamerika, wonach das Ideal der Menschen darin bestehen solle, auf Gewinne und Profit zu Gunsten des eigenen Wohlbefindens zu verzichten. Man solle vielmehr einen Ausgleich für Stress und Belastung suchen. Das könne unter anderem bedeuten, den Stadtgarten oder den Grugapark aufzusuchen.
Hoffen auf eine Eröffnungsfeier
Wenn nun noch die ausgebildete Fotografin Sibylle Stengel-Klemmer ihre Arbeit zum Thema „Geschlechtergleichheit“ abgeschlossen hat, kommen vorerst keine weiteren Strom- oder Telefonkästen hinzu, die neu gestaltet werden. Bedingt durch Corona können sich derzeit das Gymnasium B.M.V., die Gesamtschule Holsterhausen und die Malerwerkstatt der Jugendberufshilfe nicht beteiligen. Thomas Hanster hofft allerdings, dass die Einrichtungen bis zum Herbst an den Start gehen können und danach auch eine Art Eröffnungsfeier möglich sein wird.