Essen-Rüttenscheid. . Yves zieht mit seinen Herrenschuhen auf die Rü, „von Drathen“ baut im Sommer das Traditionslokal Istra um. Die City sei nicht mehr attraktiv.
Den hochwertigen Einzelhandel zieht es offenbar verstärkt weg aus der Essener Innenstadt hin zur Rüttenscheider Straße. Die Edel-Boutique von Drathen geht, ebenso wie das Schuhgeschäft Yves. Letzteres zieht mit seiner Herrensparte vom I. Hagen nach Rüttenscheid um.
Schuhhändler Mirko Tott, der das 43 Jahre alte Familiengeschäft von seinem Vater übernahm, legt damit beide Geschäfte in Rüttenscheid zusammen. Ab Juli übernimmt er die Räume von Mode-Größe Renate Abs, die sich Ende Mai nach 46 Jahren in den Ruhestand verabschieden wird.
„Schild von der Einkaufsstadt müsste man abbauen“
Tott hatte schon lange nach einem Ladenlokal in Rüttenscheid gesucht. Dafür hat er vor allem einen Grund, sagt er: „Die Innenstadt ist zunehmend unattraktiv geworden. Das Schild von der Einkaufsstadt auf dem Handelshof müsste man eigentlich abbauen.“ Für das Hochpreissegment fehle der City zunehmend das Publikum. „Mit Ansiedlungen wie Primark hat sich die Innenstadt keinen Gefallen getan“, wird Tott deutlich. Trotz sinkender Kaufkraft würden in der Innenstadt hohe Ladenmieten aufgerufen, das stehe nicht mehr in Relation. Rüttenscheid biete im Gegenzug eine finanzstärkere Klientel bei vergleichsweise moderaten Mieten.
Eine Überlegung, die nicht nur Tott zum Umzug bewegt. Auch Marten von Drathen hatte bereits im vergangenen Jahr angekündigt, den Standort an der Porschekanzel nach 30 Jahren zu verlassen. Essen werde seinem Ruf als Einkaufsstadt nicht mehr gerecht, zu viele Billigheimer im Umfeld passten nicht zu seinem Konzept, begründete er.
In Rüttenscheid ist dem Modehändler nun ein Coup gelungen: So wird von Drathen voraussichtlich im Juli in den Räumen des Traditionslokals Istra neu eröffnen, das nach fast fünf Jahrzehnten in Rüttenscheid Ende Mai schließen wird.
Rü wird ihrem Ruf als kleine Kö mehr und mehr gerecht
„Solche großen Ladenlokale können wir an der Rü normalerweise nicht bieten“, sagt Rolf Krane von der Interessengemeinschaft Rüttenscheid, den regelmäßig Anfragen nach frei werdenden Ladenlokalen erreichen – auch aus der Innenstadt. „Die Nachfrage übersteigt dabei das Angebot“, weiß Krane, in dessen Brust zwei Herzen schlagen, wie er sagt: „Als Essener bedauere ich es natürlich, wenn Traditionsunternehmen die Innenstadt verlassen. Für die Rüttenscheider Straße ist ihre Ansiedlung ein Gewinn.“
Vor allem für Designermode scheint die Rü ihrem Ruf als kleine Kö dabei mehr und mehr gerecht zu werden. Die Modeboutique Hanim gehörte 2012 zu den ersten Geschäften, die die Kettwiger Straße gezielt in Richtung Rüttenscheid verließen. Nach 18 Jahren schlossen die beiden Betreiberinnen ihren Laden in der Innenstadt und eröffneten ein zweites Geschäft in Rüttenscheid. „Wir sehen im Essener Süden bessere Perspektiven, weil das Publikum dort wählerischer ist“, begründete Hanni Yücekaya diesen Schritt schon damals.
„Rüttenscheid ist auch durch die Gastronomie einer der letzten Standorte, wo Shopping noch ein Erlebnis ist. Außerdem stimmt hier das Publikum“, sagt auch Branchenkenner Ralph Cremer, der im Februar das Damenmode-Geschäft Edelguth gemeinsam mit seiner Partnerin Angela Schiebel an der Hedwigstraße eröffnete. Auch die beiden haben lange nach einem Standort im Stadtteil gesucht, wurden schließlich in der Nebenstraße fündig. „Da es in Rüttenscheid noch viele inhabergeführte Modeläden gibt, belebt sich das Geschäft hier gegenseitig, auch abseits der Haupteinkaufsmeile“, ist Cremer überzeugt.