Essen. .
Der Strukturwandel hat Frillendorf hart getroffen. Auf die Bauern folgten die Bergleute und die Verkehrsprobleme. Der Stadtteil entwickelte sich zur Wohn- und Gartenstadt - und erlangte traurige Berühmtheit in den Verkehrshinweisen des Rundfunks.
Bezirksbürgermeister Peter Valerius macht sich nichts vor: „Wir leben in einem immer älter werdenden Stadtteil.“ Die Einwohnerzahl Frillendorfs ging zuletzt von 6900 (1975) auf 5800 zurück. Und sein Kolpingbruder Willi Vogt ergänzt: „Die Zeit der Tante Emma-Läden ist vorbei - und auch die Zeit des Dorfes Vrylincthorpe.“ Die Bauernschaft Frillendorf wurde erstmals kurz vor 1220 als „Vrylinctorpe“, das Dorf der Freien, urkundlich erwähnt. Damals bestand der Ort aus den Bauernhöfen Brand, Langmann, Nünning, Schimmel, Terboven, Waterfohr und Wisthoff.
Frillendorf ist ein Musterbeispiel für den ständigen Strukturwandel in Essen. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts wurden hier gleichbleibend etwa 90 Einwohner gezählt, aber aufgrund der Industriealisierung gab es bereits 1900 1369 und 1928 schon 3836 Bürger. Aus der bäuerlichen Gemeinde wurde schlagartig ein Industriestandort mit Schachtanlagen, Kokereien, Strom- und Dampferzeugern und Ziegeleien. Der erste Schacht der Zeche Königin Elisabeth (Wilhelm) wurde 1847 abgeteuft, dann folgten die Schachtanlagen Hubert und Emil 1897 bzw. 1912.
1897 Wasserliefervertrag mit Steele geschlossen
Der Wohnungs- und Straßenbau nahmen eine rasante Entwicklung. Zunächst bauten die Zechengesellschaften Werkswohnungen für ihre Beschäftigten, 1872 wurden Bergarbeiterhäuser am Kumpelweg errichtet, anschließend an der Elisabeth- und Hubertstraße sowie am Zehntfeld. Nachdem die Brunnen für die Wasserversorgung der Bevölkerung aufgrund der Grundwasserabsenkung durch den Bergbau versiegt waren, vereinbarten die Gemeinden Stoppenberg, Frillendorf, Schonnebeck und Huttrop 1897 einen Wasserliefervertrag mit der Stadt Steele.
Der erste eiserne Hochbehälter, der kurz vor der vorletzten Jahrhundertwende an der Ernestinenstraße erbaut worden war, genügte wegen seiner geringen Höhe schon bald nicht mehr den Anforderungen. Deshalb baute die Stoppenberger Gemeindewasserleitung 1925 nach Entwürfen des Architekten Edmund Körner einen neuen Hochbehälter am selben Standort. Der alte Hochbehälter wurde abgerissen, der neue, unter Denkmalschutz stehende, vor vier Jahren renoviert. Er diente von Anfang an nur als Ausgleichsbehälter für den Wasserdruck und zur Deckung des Spitzenbedarfs. Kunstkritiker halten ihn für einen der schönsten deutschen Hochbehälter, trug er doch die Handschrift Edmund Körners, der in Essen auch für die Alte Synagoge und das Haus der Technik verantwortlich zeichnete.
„Die Kirche ist unser Petersdom im Kleinen“
Körner muss einen Narren an Frillendorf gefressen haben, denn hier schuf er auch die katholische Schutzengelkirche, die 1924 eingeweiht wurde, und das Kriegerehrenmal 1928. Willi Vogt und Peter Valerius sind stolz auf diese Frillendorfer Vorzeigeprojekte: „Die Kirche ist unser Petersdom im Kleinen. Hier gibt es eine gelebte Ökumene, seit einiger Zeit finden die Konformationen in der katholischen Kirche statt.“
Willi Vogt, der 31 Jahre lang seinen Elektrobetrieb an der Ernestinenstraße führte und stolz auf seine Sammlung selbst gezeichneter Frillendorfer Ansichten ist, erläutert: „In den 60-er Jahren kam die Bergbaukrise und damit das Zechensterben. Die Bauern hatten schon vor dem Zweiten Weltkrieg begonnen, ihre Grundstücke für Wohnungsbau und Gewerbeansiedlungen zu verkaufen. In den 70-er Jahren gab es schon keine Landwirtschaft mehr. Auf den freigewordenen Flächen breiteten sich Gewerbebetriebe und Einkaufsmärkte aus.“
Vergeben worden sei die Chance, zwischen dem Kommunalfriedhof und der katholischen Kirche einen zentralen Platz mit Gaststätte zu schaffen. Peter Valerius: „Heute sind wir mit den Bussen 166 und 155 in fünf Minuten in der Innenstadt. Geschäfte können bei uns keine Geschäfte mehr machen.“ Das waren noch Zeiten, als man bei Anni Harder auf der Ernestinenstraße Gurken und Heringe aus dem Holzfass kaufen konnte.
„Frillendorf wurde immer mehr durch den Durchgangsverkehr zerschnitten“
Frillendorf entwickelte sich zur Wohn- und Gartenstadt. Aber der Stadtteil erlangte auch traurige Berühmtheit in den Verkehrshinweisen des Rundfunks. 1932 war der 70 Kilometer lange Ruhrschnellweg fertiggestellt worden, in den 1950er Jahren wurde er vierspurig ausgebaut. Der Abschnitt der damaligen Bundesstraße 1 zwischen Wisthoffweg und Volksgarten Kray wurde zwischen 1958 und 1962 fertiggestellt. Die Prognosen des damaligen Generalverkehrsplans sagten für 1985 eine tägliche Belastung von 55 000 Pkw voraus, daraus wurden über 100 000 auf dem Frillendorfer Abschnitt.
Die Verknüpfung mit dem A 52-Anschluss führte auf den Zubringern Frillendorfer Straße und Am Zehnthof zu weiteren Belastungen. Willi Vogt: „Frillendorf wurde immer mehr durch den Durchgangsverkehr zerschnitten. Auf der Frillendorfer-, Elisabeth-, Hubert- und Ernestinenstraße gibt es in Stoßzeiten über 1600 Kfz. stündlich.“
Die Stadt sprach 1970 allen Ernstes von einer „Sternstunde der Straßenplanung“, tatsächlich wurde die Autobahntrasse für Frillendorf zum städtebaulichen Fiasko und teilt den Ort in zwei Welten. Nicht nur Bezirksbürgermeister Valerius hofft im einstigen „Dorf der Freien“ auf einen Befreiungsschlag: „Werden die A 40-Auf- und Abfahrt Frillendorf bis spätestens 2015 dichtgemacht, könnte sich das örtliche Verkehrsaufkommen um bis zu 60 Prozent reduzieren.“