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Dr. Norbert Küpper ist Holsterhauser durch und durch, von Geburt und aus Überzeugung. Doch die Liebe zu seinem Stadtteil hat den Blick für dessen Probleme nicht getrübt. Ein Rundgang durch Holsterhausen - dicht, quirlig.

Dr. Norbert Küpper ist Holsterhauser durch und durch, von Geburt und aus Überzeugung. Als er vor Jahren bauen wollte und ein Filet-Grundstück im Essener Süden hätte erwerben können, lehnte er dankend ab - und genießt bis heute den Blick ins grüne Mühlbachtal von seiner Terrasse an der Straße Halbe Höhe.

Doch die Liebe zu seinem Stadtteil hat den Blick für dessen Probleme nicht getrübt. Quasi vor seiner Haustür eröffnet sich an der 1910 gebauten Brücke zur Margarethenhöhe die Sicht aufs Universitäts-Klinikum, das mit immer neuen Bauten den Süden des Stadtteils prägt. Das Westdeutsche Protonentherapie-Zentrum als derzeit größter Neubau der Klinik, weitere Medizin-Gebäude, Parkplätze - das einst idyllische Mühlbachtal wird mehr und mehr zugebaut. Der 77-jährige pensionierte Studiendirektor kann sich noch an die kleinen Teiche im Mühlbachtal erinnern, in denen Kinder schwimmen lernen und Kanu fahren konnten. Doch die Teiche sind längst Geschichte . . .

Zweitgrößter Arbeitgeber der Stadt

„Dabei hat schon vor über 100 Jahren der damalige Essener Oberbürgermeister Erich Zweigert erkannt, dass Holsterhausen auf dem Weg war, zum dicht besiedeltsten Stadtteil zu werden und hatte vor, hier einen Grüngürtel als Erholungsraum für die Menschen zu schaffen. Doch die Stadt wollte den Bereich für das Krankenhaus freihalten“, sagt Norbert Küpper, der das Klinikum als Fluch und Segen für Holsterhausen sieht. Als zweitgrößter Arbeitgeber der Stadt bringe es Jobs und stärke den Medizinstandort Essen. „Aber auf der anderen Seite ist es ein architektonisches Ungeheuer, das sich immer weiter ausbreitet“, so Küpper.

Die emotionale Verbundenheit mit Holsterhausen hat der 1932 geborene Küpper schon als Kind erfahren. „Wir waren im Krieg evakuiert und als wir dann zurückkamen, sagte meine Mutter: ,Ich hätte die Trümmer streicheln können’. Vielleicht entwickelt man gerade dann eine emotionale Beziehung zur Heimat, wenn man sieht, dass diese in Gefahr ist“, glaubt Küpper. Er wuchs an der Keplerstraße neben dem Sportplatz von TuS Essen-West 81 auf und sammelte dort erste fußballerische Erfahrungen. „Gegenüber, wo heute eine Kneipe drin ist, haben wir uns damals umgezogen. Irgendwann habe ich den Wirt mal gefragt, ob er sich vorstellen kann, dass ich schon mal nackt in diesen Räumen gestanden habe“, schmunzelt Küpper, dessen Familie „seit Jahrtausenden“ in Holsterhausen wohnt.

„Mann aus der Enge hervortretend“

Auf dem Weg Richtung Gemarkenstraße, dem heutigen Zentrum Holsterhausens, lobt Katholik Küpper die evangelische Melanchthon-Kirche am Holsterhauser Platz, in der er mit den Mitgliedern des 2004 von ihm gegründeten Holsterhauser Bürgerbundes regelmäßig den Neujahrsempfang feiert. „Mit der im Krieg zerstörten alten Melanchthon-Kirche, einem Bau aus Glas und Stahl, in dem die Leute im Winter froren und im Sommer schwitzten, konnten sich die Holsterhauser nie richtig anfreunden.“

Der Wiederaufbau seiner im Krieg zerstörten Heimat beschäftigt Küpper bis in die Gegenwart. So initiierte er die Aufstellung des weitgehend von Sponsoren finanzierten 120.000-Euro-Kunstwerks „Mann aus der Enge hervortretend“ von Waldemar Otto an der Lenbachstraße. Die Bronze-Skulptur symbolisiert für Küpper die Wiederauferstehung des Stadtteils aus den Trümmern.

Das Gemarhaus ist der einzig bedeutende Profan-Bau

Weiter geht es auf der Gemarkenstraße Richtung Stadtteilzentrum, das heute rund um die Kirche St. Mariä Empfängnis liegt. „Eigentlich eine schöne Einkaufsstraße mit eleganter Linienführung, bei der man nie das Ende der Straße sieht, die aber ein bisschen unter der Nähe zu Rüttenscheid leidet“, meint Küpper, der in Köln und Frankfurt unter anderem Germanistik und Geographie studierte. „Die Empfängnis-Kirche war früher noch größer“, blickt er am Holsterhauser „Dom“ empor. Und erinnert sich: 1942 gab es nachts Fliegeralarm, die Kinder konnten erst um zehn Uhr zur Schule gehen. Es war ein stürmischer Tag. „Dann gab es einen Knall und der Kirchturm lag auf der Gemarkenstraße, der Hahn dort, wo jetzt das Eiscafé ist, in einem Kunstgewerbe-Geschäft.“ Später sei die Kirche komplett ausgebrannt und nach dem Krieg neu aufgebaut worden, man kämpfe noch immer mit den Spätfolgen.

Küpper schaut schon weiter: „Mit dem Gemarhaus am Gemarkenplatz, in dem sich heute die Sparkasse befindet, haben wir den einzig bedeutenden Profan-Bau hier.“ Früher beherbergte dieser das Kaufhaus Kepa.

Die alte Windmühle in der Nähe der Kirche

Richtung A 40 und Holsterhauser Norden, wird Norbert Küpper richtig wütend. „Was mit der St.-Stephanus-Kirche passiert, ist eine Schande. Vor einigen Jahren noch renoviert, wurde sie 2006 geschlossen und jetzt wird sie regelrecht ausgeschlachtet. Man hätte je das Pfarrhaus oder andere Kirchengebäude verkaufen können, aber so... Orgel, Glocken, alles weg“, ärgert sich Küpper. „Man hätte den Kirchbau dem Klinikum als Audimax anbieten können“, findet der Pensionär.

In der Nähe der Kirche habe früher die alte Windmühle gestanden, die der Windmühlenstraße ihren Namen gab. An den Sockel kann sich Küpper noch erinnern. Insgesamt sei die Kaulbachstraße als Nord-Süd-Verbindung damals viel enger gewesen. Dafür seien die Häuser für ihre schönen Vorgärten bekannt gewesen. Blühendes auf Kohle sozusagen: „Als im Krieg eine Bombe dort einschlug, holten sich die Menschen nachts Kohle aus dem Bombentrichter, so nah war die Kohle an der Oberfläche. Und die Leute hatten gegen Kriegsende selbst hier, wo Kohle gefördert wurde, kein Brennmaterial.“

Privatbesitz und Kolonien

Die Siedlungsstruktur in Holsterhausen ist für Küpper davon geprägt, dass sich Privatbesitz und so genannte Kolonien wie Alfredshof und Friedrichshof der großen Wohnungsbaugesellschaften mischen. „Mir tut es weh, dass das ehemalige Berufskolleg-Gelände an der Cranachstraße vermarktet werden soll, statt dort eine Grünfläche zu schaffen, die Holsterhausen so dringend gebrauchen könnte“, sagt Küpper. Was der Stadtteil braucht? „Wir haben hier kein einziges größeres gutbürgerliches Restaurant und keinen Saal für Veranstaltungen. Wenn das Berufskolleg-Gelände schon bebaut wird, sollte man unbedingt Gastronomie mit einem Versammlungsraum schaffen“, sagt Küpper, der sich wünscht, dass sich auch andere dafür einsetzen, dass sein geliebtes Holsterhausen für die Menschen noch mehr zur Heimat wird.