Essen. .
Vom hügeligen Burgaltendorf aus wirkt Essen immer noch sehr fern - obwohl die Eingemeindung 1970 kaum Probleme machte und längst verdaut ist. Dieter Bonnekamp, Vorsitzender des Heimat- und Burgvereins, weiß, was seinen Stadtteil ausmacht.
Der Weg zur Antwort auf die Frage, was das Leben in Burgaltendorf ausmacht, ist kurvenreich, mal steil, dann wieder sanft abfallend. Es gibt Ausblicke, die reichen bis Hattingen, Bochum, Essen-Mitte - oder auf die ins Tal gewürfelten Bausünden der späten 1960er Jahre. In der Rush-Hour braucht es vom südöstlichsten Teil der Stadt mit dem Auto gut 30 Minuten bis in die City, im Winter kommt man kaum weg, weil der Bus vor den steilen, vereisten Anstiegen kapitulieren muss. Dennoch ist Burgaltendorf ein beliebtes Wohngebiet, und Richtung Bergisches Land wird aus-, um- und neu gebaut.
Beim Abwägen zwischen Wohnen am beschwerlichen Hang oder in der bequemeren Ebene bekam die Hügellage offenbar schon früher den Vorzug. Darauf lassen Pfostenreste von Häusern aus der Zeit um 1000 bis 500 vor Christus schließen, die man in Burgaltendorf fand, dazu Spuren aus der Römerzeit und von germanischen Ansiedlungen. Der sichtbarste Überrest historischer Besiedlung, Namensgeberin des ehemaligen „Altendorf“, ist die Burgruine. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts als Sitz eines ministerialen Vogtes des Grafen von Altendorf, sind rund ein Dutzend Höfe rund um die Burg dokumentiert.
„Wir leiden darunter, dass wir ein Straßendorf sind“
Doch trotz dieses mittelalterlichen Anfangs ist das Dorf nie „organisch gewachsen“, wie Dieter Bonnekamp, Vorsitzender des Heimat- und Burgvereins erklärt. Es gab keinen Marktplatz, keinen zentralen Ort, um den die Stadt ringförmig wuchs. „Wir leiden darunter, dass wir ein Straßendorf sind, das durch eine alte Hauptmagistrale geteilt ist.“ Hier sind ein paar Häuser in die Landschaft, an die Straße gewürfelt, dort eine Arbeitersiedlung. Geschäfte, Gaststätten, Arztpraxen Schulen. Noch immer ist das „Lange Stück“ das Ober- und Unterdorf miteinander verbindet, nicht baulich geschlossen. Die Freiwillige Feuerwehr hat an dem Straßenabschnitt ihre Hallen gebaut, daneben stehen Förder- und Grundschule. Und das überragende Gebäude Burgaltendorfs: die Herz- Jesu-Kirche. Bis heute ist der Ruhrsandstein-Bau eine der größten Kirchen im Bistum Essen. Und hier findet sich gleichsam ein kleines Stück Unabhängigkeitsgeschichte.
Seit dem frühen Mittelalter besuchte der Altendorfer - damals noch Bürger einer eigenständigen Gemeinde - die katholische Kirche Niederwenigern. Genau genommen stellten die Altendorfer den größten Teil der Gottesdienstbesucher, die sonntags zum Nachbarort pilgerten. So bauten sie - von 1898 bis 1900 - in Altendorf ihr eigenes Gotteshaus. Und sie bekamen, nur wenige Jahre später, - ihr eigenes Wunder. Der Kirchturm sackte um exakt 30 Zentimeter ab. Was sich noch heute im Kircheninnern erkennen lässt. „Als Kinder haben wir immer gedacht, dass auf der Turmseite ein Weihwasserbecken für Kinder gebaut worden wäre.“ Doch das Wunder lässt erklären. „Rund 300 Tagesöffnungen, dazu zählen Stollenmünder, Schächte, Wetter- und Luftschächte, gab es aus dem oberflächennahen Bergbau in Burgaltendorf“, sagt Bonnekamp. Tagesbrüche sind da nicht weiter ungewöhnlich. Kürzlich gab es wieder einen.
Altendorfer haben sich kaum gegen Eingemeindung gewehrt
Die Führung geht weiter, vorbei an der einzigen Hochhaussiedlung, durch sattes Grün, zwischen Feldern hindurch, an denen noch heute Fachwerkhäuser stehen. Nahezu zu jedem Haus kann der Vorsitzende des Heimat- und Burgvereins etwas sagen. An der Laurastraße stand das alte Kino, ein Kohlenweg führte ins Bergische. Und im Logierhaus an der Alten Hauptstraße bekamen Bergleute für 1,50 Reichsmark Kost und Logis. Und wenn er etwas nicht weiß? „Dann erzähle ich Sagen, die ich mir selbst ausgedacht habe.“
Am ehemaligen Standort des alten Gemeindehauses, das, klar, an der Hauptmagistrale liegt, muss Bonnekamp nicht improvisieren. „Hier wird ein Ärztehaus gebaut, eine Apotheke soll da rein und Wohnungen.“ Bis zur Eingemeindung nach Essen am 1. Januar 1970 residierte dort die Altendorfer Gemeindeverwaltung. Haben sich die Altendorfer gegen die Eingemeindung nach Essen eigentlich gewehrt? „Kaum“, sagt Bonnekamp, „den einen gefiel es, dass sie nun zu einer großen Stadt gehörten, die anderen haben keinen großen Widerstand geleistet.“ Heute mutet soviel Bravheit unglaublich an, zumal mit der Eingemeindung kurzerhand auch noch der uralte Ortsname verändert wurde. Wer so etwas heute machen wollte, könnte sich auf einen geharnischten Bürgerprotest einstellen.
Ältere fühlen sich als „Ollendöpper“, jüngere als Essener
Aus „Altendorf/Ruhr“ wurde jedenfalls Burgaltendorf, „denn sonst hätte man zwei gleichnamige Stadtteile gehabt“. Es gab ja schon ein Altendorf im Essener Westen. Und aus den Altendorfern, wurde - nicht ganz... „Meine Generation fühlt sich noch eher als Altendorfer, oder, auf Platt, ,Ollendörper‘, aber die jüngere Generation, die fühlt sich ganz klar als Essener.“
Bonnekamp stört der lange Weg in die Innenstadt kaum: „Wir haben hier eine gute Infrastruktur, also muss ich gar nicht so oft nach Essen fahren.“ Und selbst wenn er häufiger dorthin müsste - „wegziehen möchte ich hier auf keinen Fall.“ Weil es in ,Ollendörp‘ schön sei, grün, beschaulich, die Luft frisch, die Wohnqualität hoch, langsam gewachsen - entlang der Hauptmagistrale.