Essen. . Die Kleingartenanlage in Horst soll 2017 aufgelöst werden, geplant ist ein Gewerbegebiet. Stadtverband sieht keine Chance zur Rettung, Mitglieder planen Demo.
Seit fünf Jahrzehnten pflegt Annemarie Schafferhans (76) ihre Parzelle in der Kleingartenanlage Ruhrau am Pläßweidenweg in Essen-Horst; erst mit ihrem Mann, nun mit ihrer Tochter. Dass ihr kleines Paradies verschwinden soll, können sie nicht fassen: „Unsere Anlage soll platt gemacht werden“, sagt Ute Schafferhans entsetzt darüber, dass die Gärten zum Gewerbegebiet werden sollen. Nun ist sogar eine Demo geplant.
Zuletzt gab es Gespräche zwischen der Stadt, dem Stadtverband der Kleingärtnervereine und dem betroffenen Kleingartenverein Steele-Mitte. „Die Verwaltung hat uns klipp und klar gesagt, dass wir für die Ruhrau in diesem Jahr die Kündigung erhalten“, fasst Klaus-Peter Koglin, Chef des Stadtverbandes, das Ergebnis zusammen. Sie werden dann das Gelände bis Dezember 2017 räumen müssen. Derzeit gibt es noch 34 Parzellen; 20 gehören zur Ruhrau Ost, 14 zum westlichen Teil. Getrennt sind sie durch einen Sportplatz, auf dem ein Zeltdorf für Flüchtlinge steht.
Gärten sollen Gewerbeansiedlung weichen
Ab Oktober ersetzt die Stadt die Zelte zunächst durch vier Hallen für 320 Flüchtlinge; ursprünglich sollten es gleich fünf für 400 Bewohner werden. Für die fünfte Halle wäre bereits jetzt der nördliche Teil der Kleingärten notwendig gewesen. „Da wir mit Widerstand hätten rechnen müssen, verfolgen wir diesen Plan nicht weiter“, sagt Stadtsprecherin Jasmin Trilling. Heißt: „Für die Flüchtlingsunterkunft wird keinem gekündigt.“ Perspektivisch gesehen sollen die Gärten aber einer Gewerbeansiedlung weichen: „Über den entsprechenden Bebauungsplan wurde die Öffentlichkeit im Juni 2015 unterrichtet.“ Die Stadtsprecherin bestätigt ein „ordentliches Absiedlungsverfahren“ für Ende 2017.
Das nimmt Kleingärtner François Brasseron nicht hin und hat den Oberbürgermeister per Brief aufgefordert, über Alternativen oder zumindest Ersatzflächen nachzudenken. In jedem Stadtteil gebe es ausreichend Baugrundstücke: „Keine Grünanlage muss weichen.“ Auch Ute Schafferhans will ihren Garten behalten, der vor allem Entspannung nach einem stressigen Berufsalltag bedeute. Sie berichtet vom Treffen mit OB Thomas Kufen und einer Versammlung ihres Vereins. „Da war längst über unsere Köpfe hinweg entschieden worden“, sagt sie Richtung Verein und Verband.
„Wir wollten die Kleingärtner überzeugen, dass ein Kampf aussichtslos ist, weil wir keine Rechtsgrundlage haben“, erklärt Hans-Peter Koglin und glaubt, 85 Prozent der Basis hinter sich versammelt zu haben. Immerhin ist die Stadt Eigentümerin des Grundstückes. „Wir hätten ein bisschen Qualm machen können, aber an der Situation hätte das nichts geändert.“
Schluss mit der Salamitaktik
Norbert Kampmann stimmt schweren Herzens zu. Seit 40 Jahren ist er im Vorstand des Kleingartenvereins Steele-Mitte und will vor allem eines nicht: jetzt als Buhmann dastehen. Auch ihn stimmt der absehbare Abschied traurig. „Ich mache das hier seit 1968 mit, seitdem wurden wir scheibchenweise verkleinert.“ Mal sei eine Kreisstraße geplant gewesen, dann Gewerbe: „Wir sitzen auf einem Pulverfass.“ Jetzt soll mit der Salamitaktik Schluss sein. Stattdessen wollen sie, dass jeder entschädigt wird und sich auf den Kraftakt konzentrieren, die Kleingärtner in umliegenden Anlagen unterzubringen – sofern die wollen.
Demo-Termin und Entschädigung
Einige Kleingärtner aus der Anlage Ruhrau wollen am Samstag, 17. September, 11 Uhr, vor dem Rathaus für den Erhalt ihrer Gärten demonstrieren und Unterschriften übergeben, kündigt Vereinsmitglied François Brosseron an.
Norbert Kampmann, Vorsitzender des Vereins, und Stadtverbands-Chef Klaus-Peter Koglin verfolgen eine andere Strategie: Nach jahrzehntelanger Planungsunsicherheit wollen sie die Gärten schätzen und die Gärtner nach Baurecht entschädigen lassen. Das stehe ihnen zu, da das ehemalige Grabeland zu Kleingärten mit Bestandschutz umgewidmet wurde. Da sie aber keine Dauergartenanlage sind, muss die Stadt nicht für Ersatz sorgen.