Essen-Karnap. „Wir Kinder aus Karnap“ heißt das Buch, dass die 360 Schüler der Maria-Kunigunda-Schule erstellen. Sie schreiben über ihre Träume und Wünsche.

Im Grundschulalter schon unter die Autoren gehen und sein eigenes Buch in den Händen halten? Das können demnächst die Kinder der Maria-Kunigunda-Schule in Karnap.

Denn an der Grundschule im Essener Norden arbeiten alle 360 Schüler drei Tage lang gemeinsam an einem Buch: „Wir Kinder aus Karnap“ soll es heißen und wird im Geest-Verlag erscheinen. Mit Schreibblock, Bleistift und Radiergummi bewaffnet, kreieren die jungen Autoren ihre eigenen Geschichten zu Themen wie „Ich werde einmal...“, „Kinderbürgermeister von Karnap“ oder „Einen Spielplatz bauen“.

„Alle Themen haben einen Bezug zum Stadtteil“, sagt Udo Moter, Schulleiter der Maria-Kunigunda-Schule. „Jedes Kind schafft in der geplanten Zeit um die acht bis neun Geschichten, so dass wir am Ende des Projekts ein 400 Seiten dickes Buch in den Händen halten können“, so Moter weiter.

Viele Fußballplätze und ein eigenes Schwimmbad für Karnap

Und die Kinder schreiben wie die Weltmeister. „Wenn ich groß bin, möchte ich gerne Polizist werden“, sagt Drittklässler Semi. „ich sehe das immer im Fernsehen und die verdienen so viel Geld.“ Semi sitzt gerade am „Berufe-Tisch“. Mit Bauhelm, Kapitänsmütze und Jagdhut dekoriert, können die Schüler an diesem Tisch über ihren Traumberuf berichten.

Auch interessant

„Ich möchte Krankenschwester werden, um anderen zu helfen“, sagt Viertklässlerin Ahkam. Lina will Ärztin werden, Rayan Bäcker oder Koch, Zara träumt davon, als Richterin Urteile zu fällen. Einen Schreibtisch weiter befassen sich die Kinder mit der Lokalpolitik: „Wenn ich Bürgermeister von Karnap wäre, würde ich viele Fußballplätze und Spielplätze bauen lassen“, sagt Haryar aus der dritten Klasse. Saif fände ein eigenes Karnaper Schwimmbad toll.

Von den Kindern lernen: Zum Bürgermeistertisch in der Maria-Kunigunda-Schule kam auch OB-Kandidat Oliver Kern (l.).  – er ist der Schirmherr des Schreibprojektes. Neben ihm steht Schulleiter Udo Moter.
Von den Kindern lernen: Zum Bürgermeistertisch in der Maria-Kunigunda-Schule kam auch OB-Kandidat Oliver Kern (l.). – er ist der Schirmherr des Schreibprojektes. Neben ihm steht Schulleiter Udo Moter. © FUNKE Foto Services | Klaus Micke

Die Schüler schreiben konzentriert

„Unsere Kinder schreiben mit einer unfassbaren Kreativität und Phantasie“, sagt Friederike Boone. Die Englischlehrerin betreut den Bürgermeistertisch, der einer von insgesamt 25 Projekttischen ist: Mit so vielen unterschiedlichen Themen befassen sich die Kinder. Das tun sie ungewöhnlich ruhig und diszipliniert.

„Das zeigt mir, dass freies Arbeiten ohne Druck den Kindern entgegen kommt“, sagt Alfred Büngen. Der Leiter des Geest Verlags hat es sich nicht nehmen lassen, persönlich die 360 kleinen Autoren zu besuchen und ihren literarischen Schaffensprozess zu begleiten. „Was hier entsteht, wird nicht bloß ein Bilderbuch, sondern ein Textbuch für die Kinder selber“, so Büngen weiter, „das ist später ein schönes Stück Erinnerung an die eigene Kindheit.“

Die Kinder können sich frei bewegen, unterhalten und austauschen

Nach strikter Arbeitsatmosphäre sieht es an der Essener Grundschule nicht aus: Während der Schreibphasen laufen die Kinder herum und wechseln bunt die Klassenräume. „Das hier ist kreatives Chaos“, sagt Sandy Tyrichter. Die Klassenlehrerin der 4d steht wie ihre Kollegen den Schülern helfend zur Seite, „aber wir greifen nicht großartig ein“. Denn das freie Schreiben wird von den Pädagogen nicht geführt oder korrigiert. „Das ist zu Beginn etwas ungewohnt, aber sehr wichtig für die Selbstständigkeitsförderung der Schüler“, so die Lehrerin.

Auch interessant

Die Authentizität der Texte ist auch für Alfred Büngen wichtig: „Ich bin wirklich begeistert, was die Kinder sich auch von der Seele schreiben.“ Besonders würde ihn berühren, wie groß die Sehnsucht der Schüler nach der ungeteilten Aufmerksamkeit der Eltern sei: „Das haben sie zum Thema ,Was mag ich überhaupt nicht an Erwachsenen’ deutlich gemacht.“ Viele würden sich wünschen, dass die Eltern ihr Handy endlich einmal aus der Hand legen und ihnen zuhören.

Auch Eltern arbeiten an dem Projekt mit

Apropos Eltern: Die werden für das Buchprojekt auch zu Autoren. „Unser Buch ist die Arbeit von Karnaper Familien“, sagt Alfred Büngen, „am Nachmittag kommen die Eltern und beantworten eigens für sie ausgedachte zehn Fragen, beispielsweise zu Schulerinnerungen oder besten Freunden.“ Die Kinder könnten dann ihre eigene Situation mit der ihrer Eltern vergleichen. Dies zeige den Wandel der Schulzeit über die vergangenen Jahrzehnte.

Wenn Saif (l.) Oberbürgermeister werden würde, dann gäbe es in Karnap endlich ein eigenes Schwimmbad. Nour würde als Stadtoberhaupt für jede Menge Spielplätze sorgen.
Wenn Saif (l.) Oberbürgermeister werden würde, dann gäbe es in Karnap endlich ein eigenes Schwimmbad. Nour würde als Stadtoberhaupt für jede Menge Spielplätze sorgen. © FUNKE Foto Services | Klaus Micke

Mit dabei sind an diesen drei Tagen auch Mitarbeiter der Lernförderung, die sich speziell um schwächere Kinder kümmern, und Schüler des benachbarten Gymnasiums Nord-Ost. „Als unser Klassenlehrer das Projekt angeboten hat, habe ich mich sofort gemeldet“, sagt die Neuntklässlerin Lavin, „ich helfe Kindern gerne und bin sogar ehrenamtlich Lesepartnerin im Kindergarten.“

Der Förderverein unterstützt das Schreibprojekt

Das 400-Seiten-starke Buch „Wir Kinder von Karnap“ wird zunächst in einer Auflage von 500 Stück erscheinen. Alle Grundschüler der Maria-Kunigunda-Schule erhalten kostenlos ein Exemplar.

Weitere Exemplare werden gegen einen kleinen Unkostenbeitrag in Karnap verkauft, verspricht der Schulleiter. Der geplante Termin für die Veröffentlichung liegt vor den Sommerferien.

Das Schreibprojekt ist nur möglich, weil es durch den Förderverein unterstützt wird.

Vor den Sommerferien gibt es eine große Buchpremiere

Mit dem Projekt möchte Schulleiter Udo Moter auch die Integrationsarbeit seiner Schule hervorheben: „Wir haben viele Kinder, die kein oder wenig Deutsch sprechen“, so Moter, „diese Schüler dürfen selbstverständlich in ihrer Muttersprache schreiben.“ Die Texte werden dann anschließend übersetzt.

Am Ende des Projekts halten die Kinder dann ihr eigenes Buch in den Händen. „Dazu wird es eine große Buchpremiere geben“, sagt der Schulleiter, „es wird ein großes Fest für ganz Karnap und alle sind eingeladen, das tolle Ergebnis der Schüler zu bestaunen.“ Stattfinden solle die Buchpremiere vor den Sommerferien, so dass auch die Viertklässler noch teilnehmen können. „Für die Lokalität schwebt uns etwas Großes vor, wir sind schon mit der Zeche Carl im Gespräch“, so Moter weiter. In Coronazeiten hofft er sehr, dass alles wie geplant stattfindet.