Essen-Karnap. 46 Jahre war Hans Knobbe Mitglied im SPD-Ortsverein in Essen-Karnap. Jetzt hat der 83-Jährige voller Entäuschung sein Parteibuch zurückgegeben.

Hans Knobbe, Urgestein der Karnaper SPD, hat nach 46 Jahren sein Parteibuch abgegeben. Er ist einer von 30 Karnaper Sozialdemokraten, die nach dem Eklat um Michael Schwamborns Wahl zum Direktkandidaten für den Rat der Stadt die SPD verlässt. „Ich bin wahnsinnig traurig und gleichzeitig maßlos enttäuscht“, sagt der 83-Jährige.

Sozialdemokrat – das war Hans Knobbe mit Leib und Seele. „Willy Brandt hat mich 1974 so begeistert, dass ich in die SPD eingetreten bin“, erzählt er. Aufgewachsen in einem durch und durch sozialdemokratischen Elternhaus gab es für ihn eigentlich auch keine andere Option. „Offenheit und Ehrlichkeit, Solidarität und Kameradschaft, dafür stand die SPD“, erzählt der ehemalige Bergmann, dessen Biografie so wunderbar ins Ruhrgebiet-Klischee passt: Erst war der gebürtige Dortmunder Lehrhauer, dann Knappe auf der Zeche Mathias Stinnes, „und dann habe ich noch einmal die Schulbank gedrückt, um mit der Fachhochschulreife Abteilungssteiger zu werden“.

Sein Herz schlägt für ein lebenswertes Karnap

Nach der Schließung von Mathias Stinnes 1972 arbeitete er auf Nordstern in Gelsenkirchen, später, als auch dort die letzte Schicht gefahren wurde, ging es erst nach Recklinghausen, dann an den Niederrhein. „Zuletzt habe ich als Leiter des Arbeitsschutzes gearbeitet.“ 1991 war endgültig Schluss – pensioniert mit 55 Jahren.https://www.waz.de/staedte/essen/essen-karnaps-spd-vorstand-aufgeloest-viele-parteiaustritte-id228697525.html

Nebenbei war Hans Knobbe, der seit Anfang der 1970er Jahre in einem ehemaligen Steigerhaus in Karnap lebt, natürlich immer für seinen Ortsverein im Einsatz. Und hat für ein schöneres Karnap gekämpft, in dem die Bürger gerne leben. Die Errichtung des Emscher Parks, des Gewerbegebietes Karnaper Höfe, der Denkmalschutz der Mathias-Stinnes-Siedlung, die Erhöhung der Bahngleise, damit der Güterverkehr nicht mehr quer durch den Stadtteil verläuft – vieles haben Knobbe und seine Genossen angestoßen und begleitet. „Mein Herz schlägt für diesen Stadtteil. Denn Karnap ist ein lebenswerter Ort mit viel Grün und netten Leuten“, ist er überzeugt.

Seine Frau saß viele Jahre für die SPD im Essener Rat

Mit seiner Begeisterung fürs politische Engagement hat er auch seine im vergangenen Jahr verstorbene Frau Helga angesteckt. Die kam ursprünglich aus einem erzkatholischen Haus, wo traditionell konservativ gewählt wurde. „Meine Frau hat dann sogar Karriere innerhalb der SPD gemacht, saß für die Partei im Essener Rat und war langjährige erste Frau im Karnaper Ortsverein“, erzählt er. Auch sein Sohn trat in die SPD ein, seine Tochter ist die Exfrau von Willi Nowack, dem einst mächtigsten Mann der Essener Sozialdemokraten.https://www.waz.de/staedte/essen/essen-spd-im-stadtteilparlament-gleich-drei-vertreter-weg-id228414149.html

Doch das ist nun alles Vergangenheit. Denn nach dem Parteitag der Essener SPD am 7. März, bei dem Michael Schwamborn für Karnap zum Direktkandidaten für den Rat der Stadt gewählt wurde – und zwar gegen das ausdrückliche Votum des Karnaper Ortsvereins, der seinen Vorsitzende Stephan Duda im Stadtparlament sehen wollte – war für Hans Knobbe Schluss. „Ich war fassungslos, das war ein durch und durch abgekartetes Spiel des SPD-Unterbezirkes“, ist er überzeugt. Denn Schwamborn wurde von dem Ortsverein Bergerhausen-Stadtwald als Direktkandidat vorgeschlagen.

Die politische Heimat hat er verloren

Und was tat die Essener SPD-Spitze um Thomas Kutschaty? Die ignorierte das Votum der Karnaper Basis. „Kutschaty ist einfach vor der Wahl gegangen, so etwas habe ich noch nie erlebt“. Schwamborn sei bereits gegen den Willen der Karnaper vom Essener Bürgerbündnis zurück in die SPD gewechselt, „schon da haben wir versucht, uns zu wehren, aber die SPD-Schiedskommission in Düsseldorf hat leider anders entschieden“.

Mit Hans Knobbe haben mittlerweile 29 weitere Karnaper Genossen ihr Parteibuch abgegeben. „Ich bin nur froh, dass das meine Frau nicht mehr erlebt hat“, sagt Knobbe. Sein erster Ärger ist vorbei. Was bleibt, ist die Trauer darüber, die politische Heimat verloren zu haben.