Essen-Bergeborbeck. .

Die Krupp-Anlage „Panzerbau 3“ ist heute eine grüne Oase. Dabei hat das Areal eine bewegte Geschichte hinter sich: Gastarbeiter schrauten dort 1943 die Krupp-Panzer zusammen. 1963 wird auf dem Gelände eine Siebenjährige ermordet.

Man sieht ihm seine bewegte Geschichte nicht an – nicht mehr. Das ehemalige „Panzerbaugelände“ in Bergeborbeck ist heute ein kleines Naherholungsgebiet, durchzogen mit Wegen, die zum Joggen, Wandern und Spazierengehen einladen. Eine grüne Oase, gesäumt von den Gewerbegebieten an der Alten Bottroper Straße im Osten und Grasstraße im Westen.

Die Grasstraße, ihr Name, fast ein Symbol: „Es ist im Wortsinn Gras über die Sache gewachsen. Über die Panzerbaufabrik der Firma Krupp. Längst verschwunden sind die großen Hallenschiffe, verfüllt und zugemauert die Stollen, die das Gelände durchzogen. Ebenso wie die unterirdische Werkshalle, die deutlich kleiner war als jene über Tage.

Im Jahr 1943 – so wird es vermutet – war Krupp in den Besitz des Areals gelangt. Noch bis 1896 gehörte das Gelände vier Landwirten, bevor einer von ihnen, Freiherr von Vittinghoff, seine Parzelle an den Essener Bergwerksverein „König Wilhelm AG“ abtrat. Fünf Jahre später verkauften die anderen drei Besitzer ihre Grundstücke an die Stadt. Später, 1916, erwirbt „König Wilhelm“ das gesamte Gelände, bevor die saarländische „Gebrüder Stumm GmbH“ im Jahr 1936 als Besitzer Erwähnung findet.

Sonderprogramm Adolf Hitlers stellte die Weichen

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Von DerWesten

Ein Sonderprogramm Adolf Hitlers stellt die Weichen für die künftige Nutzung des Areals. Unter dem Kennwort „Tiger“ wird der Bau der Rüstungsfabrik im Juli 1941 auf den Weg gebracht, werden 19,8 Mio. Reichsmark für zwei Bauabschnitte bereitgestellt. Im März 1942 gibt das Gewerbeaufsichtsamt „grünes Licht“ für den Bau der Fabrikanlage „Panzerbau 3“, die in den Jahren 1943 und 1944 erweitert wird. Insgesamt neun Gebäude bzw. Komplexe zählt die Fabrik: Trafostation, Kesselhaus, Kühlturmpumpen, Druckluftanlage, Flüssigkeitsanlage für Sauerstoff und Azetylen, zwei Kühltürme, Büros, Wasch- und Aufenthaltsräume für die Arbeiter.

In Spitzenzeiten liegt die Zahl der Angestellten bei 152 (Dezember 1943) und 1373 Arbeitern (September 1943). Knapp die Hälfte der Arbeiter sind Ausländer – Italiener, Holländer, aber im Großteil Franzosen. Auch sogenannte Ostarbeiter sind dabei, stellen ein Fünftel der Belegschaft, der auch Strafgefangene angehören. Ob auch Kriegsgefangene dort arbeiten, ist nicht belegt. Fakt ist: Im März 1943 rekrutieren sich 40 Prozent der Arbeiter aus ausländischen Zwangsarbeitern, die in 22 Lagern untergebracht sind.

Produziert werden nicht etwa Panzer, wohl aber die zum Bau benötigten Panzerwannen – zunächst für den „Panther“, später für die Modelle „Tiger H1 und H2“. Nicht bekannt sind die Fertigungszahlen; Betriebsberichten zu Folge erreicht die Produktion ihren wertmäßig höchsten Ausstoß im September 1944. Fertig montiert werden die Panzer bei den Henschel-Werken in Kassel, die insgesamt 1350 Panzer vom Typ „Tiger H1 und H2“ produzieren. Die dabei verwendeten Türme und die 8,8-cm-Bordkanonen werden von Krupp entwickelt.

Luftangriffe bringen Produktion 1945 komplett zum Erliegen

Die Fertigung auf dem Panzerbaugelände wird häufig empfindlich von Luftangriffen gestört. Am 9. Januar 1943 stürzen die Außenwände der Fabrikhalle ein. Bei den Angriffen im März des selben Jahres gleicht Augenzeugenberichten zu Folge der Brauk um die Bottroper und Heegstraße einem Flammenmeer. Die Kruppschen Industrieanlagen in Essen verzeichnen binnen drei Monaten 190 Volltreffer. Kann die Produktion trotz zwischenzeitlichem Energieausfall stets – wenn auch eingeschränkt – aufrechterhalten werden, kommt sie nach dem Angriff am 20. Januar 1945 gänzlich zum Erliegen.

Bis zum Jahr 1949 wird „Panzerbau 3“ komplett demontiert und in die damalige Sowjetunion gebracht. Übrig bleiben Betonfundamente, provisorisch verfüllte Luftschächte; der Zugang zur unterirdischen Fertigungshalle wird verschlossen. Das Areal gleicht bald einem verwilderten Garten, der Jugendliche oft zu unerlaubten Besuchen, Mutproben und heimlichen Exkursionen animiert. Erst 1959 werden die oberirdischen Bauten abgerissen.

Im Jahr 1960 soll Regisseur Jürgen Roland die Halle „unter Tage“ als Kulisse für seinen „Stahl-Netz“-Krimi „E 605“ genutzt haben. Drei Jahre später wird aus Fiktion Realität: Die siebenjährige Christine Lochner wird – 300 Meter von ihrem Elternhaus im Hesselbruch entfernt – ermordet. Ihr Mörder wird nie gefasst.