Essen-Borbeck. . Hartmut Rath strotzt mit seinen 70 Jahren noch vor Kraft. Jetzt wurde der Sportler des KSV Essen-Borbeck Deutscher Meister im Bankdrücken.

Hartmut Rath legt sich rücklings auf die 25 Zentimeter schmale, schwarze und sichtbar in die Jahre gekommene Hantelbank, umfasst mit beiden Händen fest um die Stange, atmet tief ein, hebt an, beugt die Arme und lässt die Stange samt der Gewichte sanft auf seine Brust sinken. Dann streckt er die Arme wieder, presst seinen Atem mit einem deutlich hörbaren Zischen aus der Lunge, während er gleichzeitig das Gewicht zur Hochstrecke bringt und die Stange danach wieder in die Halterung legt.

„Trizeps und Brustmuskeln sind besonders gefragt. Je breiter man greift, desto mehr Brustmuskel sind nötig“, sagt Hermann Wibbe, Vorsitzender des KSV Borbeck und Trainer. Hartmut Rath muss besonders breit greifen, denn selbst unter dem großzügig geschnittenen roten T-Shirt zeichnen sich seine Brustmuskeln erkennbar ab. „Aber das ist nicht alles“, sagt er, schiebt den kurzen Ärmel des T-Shirts fast zur Achsel hinauf und deutet auf den muskulösen rechten Oberarm.

Als Kleinkind nach Essen gekommen

Beachtlich, zumal wenn man weiß, dass Hartmut Rath schon 70 Jahre alt ist. Geboren in Koblenz, kommt er als Kleinkind nach Essen und wächst hier auf („Ich bin gerne ein Ruhri“). Er arbeitet als Bergmann zehn Jahre unter Tage – das lädierte linke Handgelenk, die fehlende Kuppe am linken Zeigefinger und der versteifte kleine Finger zeugen von einem Arbeitsunfall aus dieser Zeit. Nach dem Bergbau arbeitet er einem Spanplattenwerk im Schwarzwald, dann noch als Gas-/Wasser-Installateur und Dachdecker. Mit 56 Jahren, er ist gerade auf einer Gießerei im Ruhrgebiet tätig, wird er „kaputt geschrieben“ – wie Hartmut Rath es nennt. Heute geht er noch zweimal die Woche jeweils sechs Stunden in einem Baumarkt arbeiten, um seine Rente etwas aufzubessern.

Sportlich fängt er mit Fußball an, wechselt später zum Kampfsport (Judo, Jiu-Jitsu, Wing Tsun). Zum Kraftsport kommt er vor elf Jahren durch einen Zufall. „Ein Arzt verschrieb meinem Enkel damals Kraftsport. Der wollte aber nicht allein dorthin, da habe ich ihn begleitet“, erinnert sich der 70-Jährige.

Zwei Mal Training pro Woche

Enkel Kenny, mittlerweile 24 Jahre alt, ist dabei geblieben. Opa Hartmut auch. Zweimal pro Woche kommt er und trainiert nach den detaillierten Plänen von Hermann Wibbe. Zwischen sechs und achteinhalb Tonnen bringt Rath dann jedes Mal zur Hochstrecke.

Vor einem Jahr belässt er es dann nicht mehr beim Training in dem kleinen, abgetrennten Bereich mit dem abgewetzten Parkett in der 101 Jahre alten Halle an der Germaniastraße. Hartmut Rath nimmt an Wettkämpfen teil – sehr erfolgreich. Kürzlich gewinnt er die Deutsche Meisterschaft seiner Alters- und Gewichtsklasse (bis 83 Kilogramm). Einzig das Siegesgewicht von 125 Kilogramm wurmt den Senior ein wenig, obwohl es ein deutscher Rekord ist. „Im Training habe ich schon 137,5 Kilogramm gehoben“, sagt Hartmut Rath. Bei Landesmeisterschaften waren es immerhin 130 Kilogramm. Für nationale Rekorde zählen aber nur Ergebnisse bei Deutschen Meisterschaften.

Obligatorische Flasche Bier

Genug der Atempause. „Lass’ uns mal 110 auflegen“, sagt Hartmut Rath und greift nach den verschieden farbig markierten Scheiben: Schwarz für 10 kg, Gold für 15 kg und blau für 20 kg. Eine Sechser-Serie von sechsmal 100 Kilogramm steht heute am Ende des Trainings, bevor sich Hartmut Rath die obligatorische Flasche Bier gönnen wird – zuhause bevorzugt er Eiweiß-Drinks mit Gemüse. „Mein Trainer sagt, Du hast vergessen, Deinem Körper zu sagen, wie alt Du bist“, erzählt Hartmut Rath. „Und das werde ich auch nicht tun“, fügt er mit einem Lächeln hinzu.

Problematischer werde es da schon, wenn er längere Zeit nicht trainieren könne: „Dann meldet sich der Kalk und will wieder bewegt werden.“