Essen. . Modezar und Chanel-Chefdesigner Karl Lagerfeld zeigt seine bislang größte Werkschau in Essen. Sein persönliches Erscheinen zur Eröffnung am Freitag lockte Kunstfreunde wie Autogrammjäger ins Museum Folkwang. Die Lagerfeld-Ausstellung „Parallele Gegensätze“ läuft bis Mitte Mai.

Das Museum Folkwang hat schon Malerfürsten und Bundespräsidenten begrüßt. Einen Modekönig gab es hier noch nie. Ausnahmezustand also am Essener Museumsplatz, wo Karl Lagerfeld zur Eröffnung seiner Ausstellung „Parallele Gegensätze“ am Freitagabend Hof hielt.

Der Catwalk zur Kunst führte vorbei an Schaulustigen und Fernsehkameras, hinein in eine Schau, die alle bisherigen Formate sprengt. So viel Lagerfeld war noch nie. 1400 Quadratmeter pralle Kreativität: Fotos von bildschönen Frauen, hinreißenden Männern, atemberaubende Kleider, kühne Architektur, Werbung für teure Autos, sogar ein Steinway-Flügel – natürlich designed by Lagerfeld.

Eine Retrospektive also? „Niemals“, schnaubt der Modemacher empört. „Ich hasse das Wort, da werde ich blind.“ Retrospektive, das klingt für ihn viel zu sehr nach abgeschlossenem Werk und davon könne nun wirklich keine Rede sein. „Der Kampf geht doch weiter“, verkündet Lagerfeld und wippt dabei energisch mit dem weißgepuderten Zöpfchen.

Lagerfeld hätte nie gedacht, dass er in "so ein seriöses Museum" komme

Die Folkwang-Schau ist für ihn zumindest ein Etappensieg: „Ich hätte ja niemals gedacht, dass ich mit meinen Kleidern mal in so ein seriöses Museum komme.“ Er selbst würde sich auch nie als Künstler bezeichnen, aber wenn man ihn schon nett fragt... Monate­lang haben sie am Konzept gebastelt, aber die Ausstellung sieht der Designer an diesem Tag zum ersten Mal. Und kennt doch jeden Winkel. Dafür haben sie ihm ein Maßstabmodell aus Holz nach Paris geschickt. Und dann hat er aus diesem Puppenstubenmuseum ein Gesamtereignis kreiert, das bis Mitte Mai wohl Hunderttausende nach Essen locken wird.

Das Entwerfen liegt ihm halt im Blut, diesem Tüftler aus Bad Bramstedt, der Coca-Cola-Flaschen veredelt oder für seine Prêt-à-porter-Schauen Windkrafträder auf den Laufsteg wuchtet. Sogar einen Safe à la Karl zeigt die Schau, mit eingebauter Aufziehmechanik für teure Uhren.

„Kein Alkohol, keine Drogen, eiserne Disziplin“, sagt Karl Lagerfeld

Und zwischendrin steht immer wieder die Frage: Wie schafft dieser Mann, dessen Altersangabe von Mitte 70 bis Anfang 80 schwankt, das alles: Chanel, Fendi, Marketing. „Kein Alkohol, keine Drogen, kein Fernsehen, eiserne Disziplin“, raunt sein Vertrauter und Verleger Gerhard Steidl, der morgens ab fünf mit dem Meister per Fax kommuniziert, „unser Lieblingsmedium.“ Digital sei bei Lagerfeld nichts zu machen, aber trotzdem gehe alles immer ganz schnell.

Den Ausstellungstitel hat Lagerfeld in Sekunden gefunden. „Parallele Gegensätze“, das trifft sein Temperament: Immer alles gleichzeitig machen, bloß nicht stehen bleiben. „Ich bin das Opfer meiner selbst“, seufzt er ein bisschen theatralisch auf die Frage, ob das nicht alles zu viel würde.

Ein guter Geschäftsmann ist er auch. Am Ende der Ausstellung wartet noch ein Lagerfeld-Buchladen auf die Besucher, dem Pariser Vorbild nachempfunden. Dort gibt es nicht nur Kunstbücher. Lagerfeld hat auch schon Diät-Ratgeber verfasst. Wie soll man sonst in die sündhaft teuren Kleider passen?

Die Kunst, ein Lagerfeld zu sein – Folkwang-Schau zeigt die vielen Begabungen ihres Helden 

Das Museum Folkwang wird also zum Modetempel auf Zeit. Mit der Ankunft von Karl Lagerfeld am Freitag hat sich das Haus für die nächsten drei Monate eine völlig neue Ausstrahlung gegeben. Statt dezenter Spots richten Bühnenscheinwerfer ihr Licht auf Exponate, die man im Folkwang noch nie sah: Elegante Abendkleider, Schmucksafes, sogar das Pariser Arbeitszimmer des Meisters wurde für die Ausstellung in 14 Räumen nachgebaut.

„Parallele Gegensätze“ ist aus einem Plakat-Projekt entstanden und hat sich über die Zeit zu einem echten „Best of Lagerfeld“ entwickelt. So umfassend war das Gesamtkunstwerk Lagerfeld noch nie zu sehen – als Modemacher, Designer und Literaturliebhaber, als Plakatsammler, Fotograf und Filmemacher.

Der „Faust“ frei nach Lagerfeld

Malerisch fotografierte Traumlandschaften und wandhohe Männerporträt-Mosaike konkurrieren da mit Werbekampagnen für VW und Dom Pérignon. Mythologie und Mode kuscheln sich reibungslos aneinander wie Kommerz und Kunstgeschichte. Viele von Lagerfelds Fotoreihen, wie die Hommage an Edward Hopper oder seinen Lieblingsbauhauskünstler Lyonel Feininger sind Zitat und Neuerfindung zugleich, sind Verneigung und Anmaßung in einem. Selbst Goethes „Faust“ wird von Büchernarr Lagerfeld in einer Fotogeschichte neu erzählt – David Copperfield als Mephisto.

So mangelt es unter den zahllosen Ausstellungsstücken nicht an Kühnem und an Schau- und Wiederkennungswerten. Claudia Schiffer ist dabei ein ebenso vertrautes Motiv wie Angela Merkel, die Lagerfeld in seinen Karikaturen gerne überzeichnet wie FC Bayern-Boss Uli Hoeneß oder Bischof Tebartz-van Elst. Politik ist für ihn eben nur eine Kunst von vielen. Im Museum Folkwang finden sie bis zum 11. Mai nun zueinander.

  • Das Museum Folkwang, Museumsplatz 1, ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, freitags von 10 bis 22 Uhr und montags geschlossen. Eintritt: acht, ermäßigt fünf Euro.