Kurt Landauer war Jude, langjähriger Präsident des FC Bayern und überzeugter Münchner. Ein neuer Film erzählt seine staunenswerte Geschichte. Dass er in Altenessen gedreht wird, hängt mit der hiesigen Kulisse zusammen. Ein Besuch im Trümmer-Stadion von TuS Helene.
An der Bäuminghausstraße in Altenessen haben sie in diesen Tagen die Zeit zurückgedreht, auf 1947. Am Straßenrand lümmeln Männer mit Schiebermütze Und in den Bäumen davor toben ein paar Jungs mit kurzen Hosen. Nur die Guacamole aus der Mittagspause will nicht ganz ins Zeitbild passen.
Aber im Vereinsheim von TuS Helene warten dann doch zünftig Weißwurst und Brezeln auf Schauspieler Herbert Knaup und seine Kollegen. Schließlich wird hier ja eine bayrische Geschichte erzählt. Eine bayrisch-jüdische um genau zu sein. Die von Kurt Landauer: Spieler und bis 1932 langjähriger Präsident des FC Bayern, Urvater des Erfolges, von den Nazis nach Dachau deportiert, in die Schweiz emigriert und doch wieder heimgekehrt, nach München.
Eine Kulisse, wie es sie in Bayern nicht mehr gibt
Dass Landauers staunenswerte Geschichte nun auch in Essen verfilmt wird, hat zwei Gründe. Zum einen hat die Filmstiftung NRW einen erklecklichen Beitrag zum ARD-Film dazugetan. Zum anderen findet man im Ruhrgebiet noch Sets, „die wir in Bayern so wohl nie mehr gefunden hätten“, sagt Cornelius Conrad vom Bayrischen Rundfunk. Die verfallene Arbeitersiedlung in Gladbeck, das Eisenbahnmuseum in Bochum. Und ein Fußballstadion wie das vom TuS Helene, das so oll und marode ist, dass nach den Leuten vom Film gleich die Bagger für den Umbau kommen.
Dass die Ascheplatz-Tribüne derzeit aussieht wie nach einem Bombenangriff, ist allerdings den Ausstattern zuzuschreiben. Dahinter haben sie eine Wohnbaracke nachgebaut, die an die Ponderosa erinnert. Nur wohnen hier im Film nicht die Cartwrights sondern Kurt Landauer. Josef Bierbichler spielt ihn. Kino-Regisseur Hans Steinbichler („Hierankl“) hat schon viel mit dem grandiosen Grantler zusammengearbeitet. Nun will er ihn zu „dem bayrischen Juden“ machen“, sagt Steinbichler, während draußen 260 Statisten große Stadionkulisse zaubern.
Einer von ihnen ist Mariano Model. Der 30-Jährige wohnt gegenüber vom Sportplatz, Heimspiel. Im wahren Leben ist Model Bambini-Trainer bei Preußen Essen, im Film ist er Spielmacher der Bayern. Seine sechsjährigen Zwillinge Neo und Jamie-Manny stehen mit vor der Kamera und finden Film ganz prima. Schmutzige Knie werden hier sogar nachgeschminkt.
Kurt Landauer - ein zu lange vergessenes Idol
Um den Nachwuchs hat sich auch Landauer viel bemüht. Im Grunde, sagt Regisseur Steinbichler, habe der schon in den 1920ern gepredigt, was den Erfolg der Bayern heute ausmacht: Jugendarbeit, Internationalität. Also ein Wegbereiter für Alcántara und Co. Gleichwohl arbeite man nicht „für die Maschine FC Bayern“, stellt Steinbichler klar. Zwar habe man Bayern-Präsident Uli Hoeneß den Film vorgestellt. Aber eigentlich, versichert Produzent Michael Souvignier, sei das kein Fußballfilm, sondern ein großes Drama.
Eines, das von Schuld und Neubeginn, vom Verlust der Heimat und der Liebe zum Sport erzählt. Von einem, der Deutschland eine zweite Chance gab, obwohl seine Familie von den Nazis ausgelöscht wurde. Und von den Menschen drumherum, die nach ‘45 noch lange nicht befreit waren – von ihrem schlechten Gewissen wie von antisemitischen Ressentiments. Drehbuchautor Dirk Kämper hat viel über diese Zeit und den Menschen Landauer geforscht. Widerstände habe es nicht gegeben. Den Bayern sei vielleicht nur ein bisschen peinlich gewesen, dass sie ihr Idol Landauer so lange vergessen hätten.