Essen. Der Essener Bildhauer und Fotograf Johannes Brus feiert demnächst seinen 70. Geburtstag. Seine Arbeiten stehen nicht nur im Essener Stadtraum, sondern auch in zahlreichen Museen. Am 2. Juni eröffnet eine Ausstellung mit Brus-Arbeiten im Bochumer Museum.

Johannes Brus arbeitet in einem Atelier im Maßstab XXL. Der Raum beeindruckt und erinnert eher an eine Fabrikhalle als an eine Künstlerwerkstatt. Tatsächlich war Brus Wirkungsstätte früher einmal ein Wasserwerk. Das Gebäude, zwischen Werden und Kettwig gelegen, hat er für seine Zwecke umgestaltet. Viel Platz zum Arbeiten und für großes Gerät. Einen Kran gibt es dort, um die bis zu anderthalb Tonnen schweren Betonskulpturen des Künstlers zu bewegen. Und viel Raum für seine Werke, die auch hier lagern.

Der Anblick der abgestellten Plastiken in der lichten hohen Halle lässt schmunzeln: Da steht ein lebensgroßer Frauenakt neben einem Nashorn, ebenfalls im Maßstab 1:1. Ein Adler, der an das preußische Wappentier erinnert, flankiert die Nackte zur anderen Seite. „Das ist eine Gruppe, die so zusammengehört“, erklärt Johannes Brus. Zufällig nebeneinander postiert, erkannte der Künstler die Einheit. Nun werden die drei nicht mehr getrennt. Vorerst.

Die Werkstatt als Inspirationsquelle

Das Beispiel erhellt schon zwei von Brus’ Prinzipien. Erstens: Dem Zufall möglichst viel Raum geben und zweitens: Figuren zu Ensembles und Rauminstallationen kombinieren. In diesem Sinne dient dem Künstler seine eigene Werkstatt auch als Inspirationsquelle. Das scheinbare Durcheinander der Plastiken – hier eine Gruppe hockender Männer, die Brus als Bildhauer bezeichnet, dort eine leere Gussform, daneben Pferdeskulpturen und auf einer eingezogenen Ebene ein riesiger Elefantenkopf – , all das könnte bereits eine Art von künstlerischem Arrangement sein.

Einmal hat er sein Atelier wirklich zum Ausstellungsthema gemacht: Im Arp-Museum bei Remagen baute er 2007 seine Werkstatt nach. Der Kachelboden, die Regale, die kleinen und die großen Dinge, alles wie gewohnt, nur den Skulpturen selbst gab er eine Ordnung, die sie quasi zu Bildern, zu Sinneinheiten zusammentreten ließ.

Nach dem Bilderhauerstudium, erzählt Johannes Brus, musste er erst einmal etwas anderes machen und experimentierte mit Fotografie. Das war Anfang der 70er Jahre. Damals war nicht nur die Gesellschaft, sondern auch seine Kunst in Bewegung: Auf den Bildern fliegen Gurken und Tischdecken durch die Luft. Seit dieser Zeit ergibt sich in seiner Kunst eins aus dem anderen. So auch die Beschäftigung mit dem Bildhauer Brancusi, einem Hauptvertreter der modernen Plastik. Brus baute die Skulpturen des Meisters nach, allerdings in Gestalt von Gemüse und Früchten oder andern vorgefundenen Dingen.

Tote Tiere in plastischem Werk

Und dann sind da ja noch die Tiere. Am Anfang standen Fotos mit toten Tieren als Trophäen sowie historische Expeditionsfotos, die er unter Einsatz von Chemikalien verfremdete. Die Tiere sind bis heute präsent, vor allem in seinem plastischen Werk. Da wären die Nashörner, von denen sich eines vor dem Düsseldorfer Museum Kunstpalast niedergelassen hat. Oder die Elefanten, die der in Westerholt geborenen Brus thematisch mit Industrie in Zusammenhang bringt.

Und natürlich die Pferde, welche bei ihm meist bewegungslos und auch ein wenig traurig dastehen. Oft tragen die Pferdeskulpturen einen eigenartigen Kopfschmuck: Es handelt sich um Trichter, die beim Gießen benötigt und anschließend nicht beseitigt werden. Der Herstellungsprozess bleibt bei Johannes Brus immer sichtbar. Gussnähte, der Abdruck seiner Hände auf dem Material, alles liegt offen, wird nicht nachträglich geglättet. Das ist der kraftvolle, archaische Akzent der Brus’schen Kunstsprache.

Die ist wie gemacht für eine Region, in der einst Kohle und Stahl den Ton angaben. Auch die Werkzeuge der Industrieära hat Johannes Brus sich einverleibt: Kokillen beispielsweise, zylindrische Gussformen für Stahl. Zu sehen im Essener Norden an der Gladbecker Straße, wo vier Kokillen ein Rhinozeros einrahmen. Vor dem Arbeitsamt steht ein weiteres Kokillen-Ensemble.

Ein Werk im Fluss

Brus fühlt sich eben wohl im ehemaligen Industrieraum. Auch die große Ausstellung zu seinem 70. Geburtstag findet im Revier statt. Ab 2. Juni im Museum Bochum. Johannes Brus möchte den genauen Geburtstag nicht bekannt geben. Eine Retrospektive, nein, das soll die Ausstellung mit dem frechen Titel „Frühe Fotos – späte Schäden“ auch nicht werden. Schließlich ist sein Werk ständig im Fluss. Die Früchtestillleben aus der Brancusi-Serie haben jetzt ein neues Gegenüber bekommen: Frauenfiguren, die wie Mannequins posieren, aber von derselben rohen Machart sind, wie seine anderen Plastiken. Das wirkt vital. Von Alterswerk möchte man da wirklich nicht sprechen.

Johannes Brus wurde 1942 in Gelsenkirchen geboren. Er studierte von 1964 bis ‘71 an der Düsseldorfer Kunstakademie. Von 1986 bis 2007 war er Professor an der Hochschule für bildende Künste in Braunschweig. Am 2. Juni eröffnet im Museum Bochum eine Ausstellung mit seinen Arbeiten.