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„Nein, wir sind keine Horde terroristischer Sympathisantinnen, die lauter Kopftuchmädchen produzieren“ – mit diesen Worten beginnt die Autorin Sineb El Masrar ihren Vortrag in der Zeche Carl. Mit ihrem Buch „Muslim Girls“ räumt sie auf und das gewaltig.
Saliha Kubilay trägt mit der gleichen Selbstverständlichkeit Kopftuch, wie sie ihre Fingernägel pechschwarz lackiert hat. Auf die Frage, woher sie stamme, antwortet sie gelassen, dass ihre Mutter aus Köln komme. „Ausland“, wie sie als bekennender „Ruhri“ scherzend hinzufügt. Die 27-Jährige ist an diesem Abend Zuhörerin bei der Lesung von Sineb El Masrar. „Muslim Girls“ heißt das Buch der in Berlin lebenden Journalistin. „Nein, wir sind keine Horde terroristischer Sympatisantinnen, die lauter Kopftuchmädchen produzieren“, beginnt die Deutsch-Marokkanerin und Herausgeberin des Frauenmagazins „Gazelle“.
Aufräumen will El Masrar, mit all den Klischees, die sich im Zuge von Sarrazin-Debatten, Berichten über Zwangsehen und nicht zuletzt den Terroranschlägen vom 11. September im Gedächtnis der deutschen Gesellschaft festgebrannt zu haben scheinen. Auch Saliha Kubilay, die an der Uni Duisburg-Essen Kommunikationswissenschaften studiert, kennt diese Klischees. „Ein Mitschüler hat nach den Anschlägen in New York zu mir gesagt, das hätten wir aber gut hinbekommen“, erinnert sich Kubilay. Einen Tag zuvor hatte sie mit ihrer Familie noch verzweifelt versucht, den in New York urlaubenden Onkel zu erreichen. Bange Stunden folgten, bis gewiss war, dass er wohlauf ist.
In ihrer Magisterarbeit erforscht Kubilay die Darstellung muslimischer Frauen in deutschen Medien. Eine augenscheinliche, journalistische Fehlleistung, die auch El Masrar in ihrem Buch anprangert: „In allen Debatten über Integration verwenden Zeitungen und Magazine landauf landab Bilder von Frauen mit Kopftüchern. Auch der Spiegel wurde für seine einseitige Berichterstattung kritisiert. Medien tragen eine große Mitschuld daran, dass der Islam dämonisiert wird.“
Sie bezeichnet sich als „bekennende Frauenrechtlerin“
Natürlich gebe es Zwangsehen, auch in Deutschland. Und ja, auch junge Mädchen, die zur Beschneidung aus der Bundesrepublik nach Somalia geflogen würden. Ebenso missbrauchten katholische Priester Kinder, schlügen deutsche Männer ihre Frauen. El Masrar will zeigen, dass die Lebenswirklichkeit muslimischer Frauen in der allgemeinen Wahrnehmung verzerrt wird. Saliha Kubilay ist das beste Beispiel, „das muslimische Frauen sich nicht höchstens in der Kamel-Fatwa bewegen dürfen“. Diese Fatwa beschreibt einen Radius von 81 Kilometern. Der Wegstrecke, die ein Kamel am Tag zurücklegen kann – und Muslimas sich dem Irrglauben nach von ihren Männern wegbewegen dürfen. Saliha Kubilay engagiert sich im Gleichstellungsbüro der Uni, der Hochschule mit dem höchsten Migranten-Anteil übrigens.
Sie bezeichnet sich als „bekennende Frauenrechtlerin“. Die vergangene Mercator-Professur von Alice Schwarzer kritisiert sie aufs Schärfste, wirft ihr einen „paternalistischen Habitus“ vor. Auch Schwarzer trage zum kolportierten Bild der unterdrückten Muslima bei. An der Uni selbst aber herrsche „ein buntes Studentenleben“, das sie schätze, sagt die Essenerin.
50 Jahre ist es her, dass Deutschland den ersten Gastarbeitervertrag schloss, damals mit Italien. „Ein Jubiläum, das völlig unbemerkt geblieben ist. Dabei wäre das doch ein Grund zu feiern. Schließlich haben diese Menschen am Wiederaufbau und Wirtschafswunder mitgebaut.“, schließt El Masrar ihren Vortrag. Ein halbes Jahrhundert später bauen Frauen wie sie und Saliha Kubilay an etwas Wichtigerem – dem Verständnis und dem Respekt füreinander.