Essen..
Eine Umfrage zur Integration in Essen hat die trennende Rolle der Religion unter islamischen Zuwanderern belegt. Ein Ergebnis: Je höher der Bildungsstand, desto größer die Integrationsbereitschaft. Hier will die Stadt nun ansetzen.
Was immer man von Thilo Sarrazins Thesen halten mag, die hitzige öffentliche Debatte, die der Ex-Bundesbanker im vergangenen Jahr mit seinem umstrittenen Buch lostrat, machte eines schlagartig deutlich: Beim Thema Integration brennt es vielen Bürgern unter den Nägeln. Die Stadt Essen hat sich 1999 ein Konzept zur interkulturellen Arbeit verordnet, muss aber heute, zwölf Jahre später, einräumen, über den Stand der Integration nicht viel zu wissen, so Sozialdezernent Peter Renzel. Erhellendes zum Zusammenleben von Deutschen und Migranten versprach sich die Verwaltung von eine Umfrage. Ergebnisse und eine erste Analyse stellten die Verantwortlichen gestern vor: Nicht Konflikte prägen demnach das Zusammenleben in dieser Stadt, unterstreicht Andreas Bomheuer, im Verwaltungsvorstand zuständig für das Thema Integration. Die große Mehrheit kommt gut miteinander aus oder lebt zumindest friedlich nebeneinander her. Alles in Butter also?
Die Mehrheit der Migranten lebt gerne in dieser Stadt, fühlt sich hier zu Hause. 64 % nennen Essen ihre Heimat, für 39 % ist Heimat das Land, aus dem sie selbst oder ihre Eltern stammen. 28 % bezeichnen das Verhältnis zu ihren deutschen Nachbarn als gut, 43 % nennen es normal. Unter den einheimischen Deutschen teilen 20 % bzw. 42 % diese Auffassung.
63 % der Migranten haben einen deutschen Pass, wobei der Anteil der türkischstämmigen Migranten mit 34 % der geringste ist unter den erfassten Bevölkerungsgruppen. Auch unter Türken bringt die Mehrheit die Voraussetzungen für die deutsche Staatsangehörigkeit mit, was für Sozialdezernent Peter Renzel die Frage aufwirft, „ob wir in Essen nicht eine Einbürgerungskampagne machen sollten“: Identität stiften durch Einbürgerung. Aber auch das zeigt die Umfrage: Je höher der Bildungsstand, desto größer die Bereitschaft, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen.
Dezernent will Eltern in die Pflicht nehmen
Apropos Bildung. Hier werfen die Ergebnisse für Renzel Fragen auf. 66 % der Migranten gaben an, sie seien mit Bildung und Ausbildung „sehr zufrieden“, was im Widerspruch steht zu den Bildungsabschlüssen oder der Zahl der Schulabbrecher. Warum die Mehrheit sich in Sachen Bildung dennoch zufrieden zeigt, ist für Renzel ein Rätsel. Schon aus ökonomischen Gründen dürfe die Stadt nicht zulassen, dass Migranten-Kinder keinen Schulabschluss machen. „Sonst droht die nächste Hartz-IV-Generation.“ Bomheuer sieht da einen Zusammenhang zwischen Integration und „sozialer Frage“. 49 % der Migrantenfamilien müssen mit einem monatlichen Pro-Kopf-Einkommen von unter 750 Euro auskommen, in arabischen Familien gilt dies für 85 %, in türkischen für 79 %.
Renzel, zuständig auch für Schule und Bildung, will die Eltern stärker in die Pflicht nehmen, lässt aber offen wie. Auch in Sachen Religionserziehung ist der Schlüssel offenbar in den Familien zu suchen . Wie sonst ist zu erklären, dass 48 % der arabischen und 43 % der türkischen Migranten der Auffassung sind, es gebe nur eine Religion, die „die wahren Werte“ vertritt?
Im Moscheeverein dürften es die Wenigsten gehört haben, denn deren Bedeutung wurde bislang augenscheinlich überschätzt, so Renzel. Nur 3 % der arabisch und 11 % der türkischstämmigen Migranten sind laut Befragung in einem religiösen Verein organisiert. Mitglied sind sie eher in einem Sportverein, was die Stadt sich bei der Integrationsarbeit künftig stärker zunutze machen will.
Insgesamt teilen nur 17 % der Migranten die Meinung, nur ihre Religion sei die einzig wahre. Auch hier gilt: Mit steigender Bildung, sind Menschen eher in der Lage zu differenzieren, wie die Umfrage bestätigt. Renzel setzt hier auch auf Islamunterricht in den Schulen. In den kommenden Wochen will die Verwaltung an die Feinanalyse gehen und daraus weitere Schlüsse für die Integrationsarbeit ziehen.