Essen. Schirin Khodadadian inszeniert „Dunkel lockende Welt” von Händl Klaus als schwarzhumorige Familientragikomödie. Am Freitag ist die Premiere im Grillo-Theater.
Eine hilfsbereite Zahnärztin will auswandern. Ein einsamer Vermieter findet in ihrer Wohnung einen menschlichen Zeh. Eine Mutter und leidenschaftliche Botanikerin, die den Vermieter gut kennt, soll vermitteln. Aus diesen drei Figuren entwickelt Händl Klaus „Dunkel lockende Welt”. Schirin Khodadadian inszeniert die „schwarzhumorige Familientragikomödie”, wie sie das Stück nennt, im Grillo.
Es ist schon eine Weile her, da erregte der Autor ihre Aufmerksamkeit - mit seinen ersten Monologen „Ich ersehne die Alpen” und „So entstehen die Seen”. „Es hat mich fasziniert, mit welchem Sprachwitz er in existenzielle Themen greift”, erklärt die Regisseurin. Im Kreise von Elfriede Jelinek und Theresia Walser siedelt sie ihn an, gesteht ihm gar ein „Kleistsches Erbe in der Unterscheidung zwischen Schein und Sein” zu.
Eine Sehnsuchtsreise auf dem Weg zum Ursprung
Schirin Khodadadian, die bei ihren Arbeiten ein besonderes Augenmerk auf Sprache und Emotion legt, weiß das Werk, das 2006 in München uraufgeführt wurde, nicht nur wegen seiner Verbalkunst zu schätzen: „Es ist ein intimer Reigen, eine Sehnsuchtsreise auf dem Weg zum Ursprung. Händl Klaus spielt mit den Möglichkeiten über Beziehungen, und er entlarvt Kommunikationskonventionen. Das ist sehr komödiantisch.” Es als Kriminalgeschichte zu bezeichnen, wäre ihr zu banal. „Die dient lediglich der emotionalen Erpressbarkeit.”
Die Möglichkeit, dass ein Mord passiert sein könnte, gibt es ebenso wie die Möglichkeit, dass der Vermieter mal etwas mit der Mutter der Zahnärztin gehabt haben könnte, oder dass es eine „Vom-Winde-verweht-Idylle” geben könnte. Sicher ist nur: Es geht um Leben und Tod. „Der Tod ist verankert als etwas, das ich selbst herbeiführen kann. Und die Suche nach Erlösung steht für jede Figur im Vordergrund”, sagt sie und verweist auf den Schlüsselsatz: „Es gibt kein Denken ohne den Tod.”
Auf das Beziehungsgeflecht der drei Figuren hat die 40-Jährige den Fokus ihrer Inszenierung gelegt, „auf die Menschenplaneten, die sich umkreisen”. Ihre Unglücksmanöver, ihre Annäherung und ihr Zurückschrecken, ihr Hereinträumen in Geschichten reizten sie von Anfang an.
Große Komödianten mit großem Sprachbewusstsein
Und dafür hat sie genau die richtigen Schauspieler: Andreas Grothgar, der schon in „Endstation Sehnsucht” und „Lulu” mitwirkte, Sabine Orléans, die sie bei den Proben erstmals erlebte, und Therese Dörr, die sie aus Kassel kennt. „Alle drei sind große Komödianten und haben ein großes Sprachbewusstsein”, so Khodadadian, die seit 2007 in Essen inszeniert. Das brauchen sie auch bei Händl Klaus' „prägnanten Halbsatzstrukturen” und seinem Monolog über Fotosynthese, der sich aus den Dialogen erhebt: „Wird man sonst nur hin- und hergeworfen zwischen Wahrheit und Lüge, taucht hier das Leben als faktische Überprüfbarkeit auf.”
Für das Stück, „das im Heute verortet ist”, haben Hugo Gretler und Charlotte Sonja Willi die Bühne und die Kostüme sehr einfach gehalten. Gespielt wird in einem kleinen Kasten vor dem Eisernen Vorhang, getragen wird Zeitgenössisches. Dazu schafft die Musik von Stephan Kanyar, die aus der Konserve erklingt, Sehnsuchtswelten mit finnischem Tango. Behauptet doch die Mutter, aus Finnland zu sein, wo alles gefrieren kann. „Erfrieren”, meint Schirin Khodadadian trocken, „ist auch eine Lösung.”
Karten unter Tel.: 0201 / 81 22 200