Essen. Werdener Bürgermeisterhaus beendet die Corona-Zwangspause: Konzert soll Signal für den Neustart sein. Doch viele Häuser fürchten weiter den Ruin.

Corona sorgt immerhin für mehr Beinfreiheit im Konzertsaal. Wo sonst 99 Konzertplätze zur Verfügung stehen, hat Bürgermeisterhaus-Geschäftsführer Carsten Linck für das erste Livekonzert nach Corona 34 Stühle locker verteilt: vier Plätze hinten rechts für zwei befreundete Besucherpaare, ein paar Zweier-Stuhlgruppen und Einzelsitze ganz vorne. Weil dazwischen noch so viel Platz ist, hat Linck schnell noch ein paar Beistelltischchen besorgt. Als Abstandshalter, aber auch als Abstellfläche. Weil der Kulturplausch an der Bar in Pandemie-Zeiten ausfallen muss, kann das Wasserfläschchen nun mit ins Konzert genommen werden.

Rechtzeitig reservieren

Das Bürgermeisterhaus Werden hat weitere Konzerte im Juni geplant. So spielt Folkwang-Professor Till Engel am 19. und 20. Juni einen Mozart-Abend. Ein Serenaden-Konzert ist am 28. Juni geplant. Alle Konzerte werden ohne Pause gespielt.

Um die Stühle gemäß der Hygienevorgaben stellen zu können, bittet das Bürgermeisterhaus um eine rechtzeitige Reservierung, wenn möglich nicht telefonisch, sondern per E-Mail: buergermeisterhaus@t-online.de

Manches ist anders in diesen Pandemietagen. Auch in Essens Kulturwohnzimmer in Werden, wo am Pfingstmontag der Spielstart nach der Corona-Zwangspause mit schmissigem Boogie-Woogie eingeläutet wurde. Theater und Kinos dürfen seit dem Wochenende wieder Besucher empfangen. Auch Lichtburg und Eulenspiegel begrüßten am Startwochenende wieder die ersten glücklichen Kinogänger.

Um wirtschaftlich zu agieren, müsste ein Ticket 75 Euro kosten

Für viele freie Essener Theater sind die neuesten Lockerung vom Lockdown allerdings nur eine scheinbare Erleichterung. Unter den geltenden Hygiene- und Abstandsregeln sei ein wirtschaftlich und künstlerisch sinnvoller Betrieb für die meisten Häuser gar nicht möglich, heißt es in einer Mitteilung, die zwölf Essener Bühnen vom Theater Freudenhaus bis zur Studio-Bühne auf den Weg gebracht haben. 95 Prozent des Repertoires könnten nicht gespielt werden, da sich die Akteure auf der Bühne zu nahe kämen. Neben Tantiemen, Betriebskosten und Honoraren falle nun auch noch ein höherer Personalaufwand an, um alle Coronaschutzvorgaben zu erfüllen. Fazit: Um wirtschaftlich zu agieren, müsse man für ein Ticket im Schnitt 75 Euro verlangen. Was deshalb bliebe, seien „verkappte Notprogramme oder ein Betrieb unter den Vorzeichen der Selbstausbeutung“, heißt es bedauernd.

Das Publikum freut sich über den Neustart: Endlich wieder Kulturleben!

Carsten Linck, Geschäftsführer des Werdener Bürgermeisterhauses, schraubt noch ein paar Beistelltischen für den ersten Konzertabend nach der Corona-Zwangspause zusammen.
Carsten Linck, Geschäftsführer des Werdener Bürgermeisterhauses, schraubt noch ein paar Beistelltischen für den ersten Konzertabend nach der Corona-Zwangspause zusammen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Bürgermeisterhaus-Geschäftsführer Carsten Linck sieht sich in einer vergleichsweise komfortabelen Lage – ohne festes Ensemble, ohne Techniker, ohne höheren Personalaufwand durch Corona. Denn der Vereinsvorstand sei sofort zur Stelle gewesen, als es darum ging, für den Abstand am Treppenaufgang, vor den Toiletten und im kleinen Konzertsaal zu sorgen, der nun ein bisschen Clubatmosphäre hat. Es passt zum Auftritt von Boogie-Woogie-Pianist Jörg Hegemann, der an diesem Pfingstmontag in Werden seinen ersten Auftritt nach zweieinhalb Monaten hat. Überschwänglich sei dessen Begeisterung gewesen, endlich wieder spielen zu dürfen. Auch das Publikum habe sich über den Neustart gefreut: „Endlich wieder Kulturleben.“ Nach zwei Tagen war der Abend ausverkauft und die Warteliste lang.

Aber natürlich hätten auch einige Gäste ihre Vorbestellung zurückgezogen, berichtet Linck, viele Konzertbesucher gehören rein altersmäßig nun mal zur besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppe der über 60-Jährigen. Und auch der Bürgermeisterhaus-Geschäftsführer hat sich mit „sehr viel Respekt“ auf den ersten Abend vorbereitet. Denn es geht um viel. Um die Gesundheit der Künstler und Besucher natürlich zuallererst. Aber für Linck geht es auch um die Zurückeroberung der sonst so selbstverständlichen Freiheit, Kunst zeigen und auch wieder live erleben zu können. „Man muss dafür kämpfen, dass es weitergeht.“