Essen-Heidhausen. Apnoetaucher Lukas Müller hat sich auf das Erforschen von Haien spezialisiert. Er berichtet, wie gefährlich, aber auch wichtig die Arbeit ist.
Das sechs Meter lange Riesentier schwamm direkt auf ihn zu. Der 29-jährige Heidhauser gesteht: „Da sitzt du auf dem Präsentierteller.“ Es gibt nur eine Rettung: „Du schwimmst auf das Tier zu und zeigst damit, dass du keine Angst vor ihm hast.“ Und wirklich: „Einen Meter vor dir dreht der Hai ab. Weil er Angst hat. Aber er beobachtet dich und versucht zu verstehen, was du bist: Beute oder Alien?“
Der Weiße Hai hat sich seit 70 Millionen Jahren nicht verändert. Er hat Arten kommen und gehen sehen. Auge in Auge mit diesem Giganten entsteht für Lukas Müller eine echte Verbindung und er weiß: „Dieser Hai ist viel bedrohter als ich.“ Lukas Müller ist Wissenschaftler. Allerdings keiner, der sich in Bibliotheken oder Labors verkriecht. Der Apnoetaucher hat sich auf das Erforschen von Haien spezialisiert.
Master in „Science in Marine Resources Management”
Müller hat seinen Bachelor in „Science Biology” und den Master in „Science in Marine Resources Management” und zählt bedrohliche Warnzeichen auf: „50 Prozent aller Tiere sind verschwunden von diesem Planeten und fast die Hälfte aller Pflanzen. Da müssen wir drüber reden.“
Mehr als die Hälfte unseres Sauerstoffs komme aus dem Meer, aber 96 Prozent des Ozeans seien völlig ungeschützt. „Wir entfernen die Haie aus allen marinen Ökosystemen, wissen aber überhaupt nicht, was dann passiert. Diese Systeme sind viel komplexer als die an Land und vieles haben wir noch gar nicht verstanden.“
Erforscht werden die Habitate mit Brut- und Futterplätzen
Der Forscher erlebt mehrmals im Jahr lebensgefährliche Momente, verausgabt sich bei seinen Studien. Findet zwei Monate am Stück kaum Schlaf, schleppt hunderte Kilos an Equipment: „Ich platziere einen Sender an einem Hai. Damit können wir verfolgen, wo die essenziellen Habitate sind, die Geburts- und Brutplätze, wo die Futterplätze. Dann können wir Prioritäten setzen und wissen, welche Meeresgebiete wir schützen müssen.“
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Denn eines ist sicher: „Wir können nicht alle Habitate schützen. Wir müssen Kompromisse finden. Das sind die Gespräche, die ich mit den Fischern führe.“ Naturschutz lebe nun mal vom Kompromiss: „Aber manchmal sind extreme Positionen gar nicht so schlecht. Das schärft die Meinung.“ Zumal das Bewusstsein sich ändere: „Zum ersten Mal ist es in Australien geschehen, dass so eine große Katastrophe direkt mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht wird.“
Tauchen war schon als Kind seine Leidenschaft
Wie fand Lukas Müller eigentlich zum Tauchen? „Ich war noch ein kleiner Junge, als mir mein Vater an der Ruhr einen Flussbarsch zeigte. Das hat sich in meinen Kopf gebrannt. Ich habe im Aquazoo Fische beobachtet, ich habe Haie gezeichnet.“ Einschneidendes Erlebnis: „Im Urlaub auf La Gomera entdeckte mein Vater einen Schatten im Wasser und tauchte runter. Das war ein großer Schmetterlingsrochen. Mein Bruder und ich sofort hinterher. Wir sind mit dem Rochen geschwommen.“
Der Weg war vorgezeichnet. Ist das nicht zu gefährlich? In 30 Meter Tiefe zu tauchen mit Haien, natürlich ohne Käfig, kein Krankenhaus weit und breit? „Wir projizieren Ängste in den Hai. Ich persönlich halte den deutschen Straßenverkehr für gefährlicher. Tiere sind nicht gefährlich, aber gewisse Situationen. Da gilt es, das Risiko zu minimieren.“
Gemeinnütziger Verein „Ocean Wildlife Project“ hilft
Auf öffentliche Gelder kann Lukas Müller nicht zurückgreifen. Also tourt er vier bis sechs Monate lang als Speaker, tritt auf mit Filmvorträgen, im Fernsehen bei Stern TV, verdient Geld: „Das stecke ich dann den Rest des Jahres in die wissenschaftliche Arbeit.“
Mit dem „Ocean Wildlife Project“ wurde ein gemeinnütziger Verein gegründet, der gezielt Forschungs- und Naturschutzprojekte fördert. Dabei handelt es sich um lokale und fokussierte Projekte, die die Errichtung und Ausweitung von Meeresschutzgebieten vorantreiben.
Man kann mit Spenden oder Patenschaften helfen, selbstverständlich gibt es eine Spendenbescheinigung. Der Verein ist unter www.oceanwildlifeproject.org zu erreichen.
Virtuelle Brillen sollen Unterwassererlebnis zu den Menschen bringen
Eine emotionale Bindung zum Geschehen im Meer möchte Müller durch Filmaufnahmen im 360-Grad-Modus aufbauen und mit virtuellen Brillen das Unterwassererlebnis zu den Menschen bringen. Man müsse den emotionalen Moment nutzen und aufeinander zugehen, um Lösungen zu finden. Nur so könne man etwas erreichen: Gesetze, internationale Beschlüsse, Fangquoten und Meeresschutzgebiete wie der Bazaruto-Nationalpark. Der befindet sich an der Küste Mosambiks und wird „Blaue Savanne“ genannt.
Hier erforscht Lukas Müller mit seinem Team die Hotspots und Bewegungsmuster von Bullenhaien, um diese ökologisch wertvollen Tiere effektiv schützen zu können. Im 1430 Quadratkilometer großen Nationalpark finden seltene Hai- und Rochenarten Zuflucht, aber auch Dugongs, Wale und Delfine. Für viele Arten stellt der Nationalpark die letzte Hoffnung dar.
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