Essen-Werden. In einer Ausstellung im Gartenhaus Dingerkus werden Alben mit Glanzbildern gezeigt. Wie sie gesammelt wurden und was sie Kindern heute bedeuten.

Eine Frage an die Leserinnen: Können Sie sich noch an die Glanzbilder erinnern, die in den Pausen auf dem Schulhof getauscht wurden? Diese entzückend-kitschigen Engelchen und die bunten Blumenkörbe? Spielende Katzen und hüpfende Kinder gab es da, lustige Szenen mit Clowns oder den Nikolaus in seinem rotem Gewand, schwer bepackt mit einem Sack Geschenke.

Bildchen mit Glitzer waren wertvoller und wer so eines in sein Poesiealbum geklebt bekam, war mächtig stolz auf diese Wertschätzung. Im Vor-Internetzeitalter bereicherten Glanzbilder die Kindheit der Mädchen – Fußballbilder die der Jungen. Ein Klischee, aber ein ziemlich treffendes, wie Barbara Schröder findet.

Christliche Motive, die heute eher als kitschig empfunden werden, waren üblich bei Glanzbildern
Christliche Motive, die heute eher als kitschig empfunden werden, waren üblich bei Glanzbildern © Stefan Arend

Die Werdenerin hat gemeinsam mit der Kettwiger Künstlerin Kristin Loehr eine kleine Austellung vorbereitet, die am Sonntag, 4. August, bei der Veranstaltung „Sommergarten“ im Gartenhaus Dingerkus an der Brandstorstraße zu sehen sein wird. Zwei dicke Alben voller Glanzbilder und eine Kiste mit weiteren schönen Exponaten zum Stöbern und Anschauen werden präsentiert.

Es darf getauscht werden

„Vielleicht hat ja noch jemand einzelne Bilder oder sogar ganze Bögen“, frohlockt die Seniorin, die selbst in ihrer Jugend Glanzbilder gesammelt hat. „Dann können aus der Kiste auch Bilder getauscht werden.“ Besucherinnen, die gerne einzelne Stücke aus der Kiste mitnehmen möchte, dürfen dies auch gegen eine Spende an den Freundeskreis Gartenhaus Dingerkus.

Wie wurde früher getauscht? „Da gab es die Schulhefte, deren Seiten immer in der Mitte gefaltet wurden. Die wurden dann unter uns Mädchen herumgereicht.“ Wer ein Glanzbild fand, durfte es behalten, „bekam man ein leeres Versteck, musste man ein Bildchen hineinstecken.“ Eine Tradition, die auch offenbar in den 70er Jahren noch gepflegt wurde. „Ich habe noch ein altes Matheheft meiner Tochter gefunden, das genau diesem Zweck diente.“ Dieses Heft ist ebenfalls zu sehen.

Alltagssituationen aus der Nachkriegszeit

Die beiden Alben gehörten dagegen der schon lange verstorbenen Schwester von Barbara Schröder. „Sie hat auch Taufbildchen gesammelt. Es sind eine Reihe von Themen in diesen Alben dabei, nicht nur die Engelchen und schöne Blumen. Es gibt zum Beispiel etliche Alltagssituationen aus der Nachkriegszeit und sogar sehr realistische Darstellungen von Menschen um die Jahrhundertwende.“

Mädchen, die den Zeitgeist der 1920er und 30er Jahre verkörperten, waren beliebt bei den Sammlerinnen.
Mädchen, die den Zeitgeist der 1920er und 30er Jahre verkörperten, waren beliebt bei den Sammlerinnen. © STEFAN AREND

Zum Sommergarten am 4. August dürfen die Besucher zwischen 14 und 18 Uhr in die Welt der Glanz- und Lackbilder eintauchen. Im Garten serviert der Freundeskreis Kaffee, Tee, selbstgebackenen Kuchen oder Waffeln. Und zu jeder vollen Stunden werden Gedanken zum Sammelphänomen vorgetragen.

Phänomen wissenschaftlich betrachtet

Das ist der Part von Kristin Loehr. Die frühere Lehrerin hat anlässlich ihrer 2. Staatsprüfung für das Lehramt in einem vierten Schuljahr das Unterrichtsthema „Trivialästhetische Objekte und ihr Verhältnis zur Realität – aufgezeigt an dem Phänomen Glanzbilder und Poesiealben“ behandelt – und daraus ein wissenschaftliches Exposé verfasst.

Man darf also gespannt sein. Freundeskreis-Vorsitzender Peter Bankmann findet jedenfalls: „Demnächst machen wir was zu Fußballbildern.“

Getauscht wurde über Schulhefte. Die Glanzbilder versteckten sich in gefalteten Seiten.
Getauscht wurde über Schulhefte. Die Glanzbilder versteckten sich in gefalteten Seiten. © Stefan Arend

>> Verein kümmert sich um spätbarockes Gartenhaus

Das Gartenhaus Dingerkus ist ein zweigeschossiges Gebäude mit fast quadratischem Grundriss von fünf mal fünf Metern und einem schiefergedeckten Mansardendach. Erbaut wurde es 1790 und gehörte dem abteilichen Kanzleidirektor Johann Everhard Dingerkus.

Die einstige Größe des Grundstücks, auf dem das spätbarocke Gartenhaus stand, lässt sich heute nur noch erahnen: „Das Areal reichte bis fast zur Ruhr“, weiß Peter Bankmann, Vorsitzender des Freundeskreises Gartenhaus Dingerkus, aus alten Dokumenten.

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© Thomas Goedde

„Der Garten hatte eine Größe von 4000 Quadratmetern und es gab Obst, Gemüse und Blumen.“ Der Bau einer Straße und der benachbarten Schule schmälerten später das Grundstück. Heute ist nur noch ein kleiner Teil des Gartens mit 400 Quadratmetern erhalten. Haus und Garten stehen seit 1994 unter Denkmalschutz.

Der Freundeskreis kümmert sich seit 2010 um die Wiederherstellung dieses einzigartigen Ensembles. Das Gebäude wurde von Grund auf renoviert und im Garten gibt es inzwischen wieder Gemüsesorten von damals, zum Beispiel die dicken Bohnen, die zu Zeiten Dingerkus’ mit Speck serviert wurden.