Essen. Steigende Impfquote, sinkende Inzidenz: Schausteller-Chef Albert Ritter wirbt für eine vorsichtige Öffnungsperspektive und warnt vor Absagen.
Der Internationale Essener Weihnachtsmarkt 2019 war das letzte Spektakel, bei dem die Schausteller unter regulären Bedingungen Geld verdient haben. Doch nach bald 15-monatiger Corona-Durststrecke keimt die Hoffnung auf eine langsame Rückkehr in die Normalität. „Wir sehen Licht am Ende des Tunnels“, sagt Albert Ritter, Vorsitzender des Schaustellerverbandes Essen/Ruhrgebiet. Und fügt hinzu: „Ich hoffe, dass die Sommerkirmes an der Grugahalle Mitte Juli wieder stattfinden kann.“
Das Jahr 2021 fing für die Essener Schausteller so an, wie das alte aufgehört hatte: ohne Rummel, ohne Karussellfahrt, ohne geröstete Mandeln. Die Altenessener Frühjahrskirmes ist bereits ausgefallen, ebenso die Maikirmes in Steele. Auch jenseits der Stadtgrenzen hagelt es Absagen von Groß-Veranstaltungen, die in den Spätsommer und sogar in den Herbst fallen. Crange ist in der vorletzten Woche vom Spielplan genommen worden, auch die Rheinkirmes in Düsseldorf fällt ins Wasser. Selbst das Oktoberfest in München kann wegen der Pandemie auch dieses Jahr nicht stattfinden.
Albert Ritter warnt davor, Volksfeste vorzeitig abzusagen
Ritter, der auch Präsident des Deutschen Schaustellerbundes (DSB) ist, warnt die Städte jedoch davor, in eine Art Absage-Automatismus zu verfallen. „Es sollte solange geplant werden, wie es geht.“ Sein Durchhalte-Motto lautet: Machen, was machbar ist. Sein leiser Optimismus wird genährt durch sinkende Inzidenzwerte und das dynamische Impfgeschehen. Die Absage des Oktoberfestes dürfe kein Indikator dafür sein, um andere Volksfeste in Deutschland voreilig abzusagen, argumentiert der Schausteller-Präsident.
Inständig betont Ritter, wie sehr die Gesundheit und Sicherheit der Kirmes- und Jahrmarktbesucher den Schaustellern seit jeher am Herzen liege. Da Kirmes unter freiem Himmel und an der frischen Luft stattfinde, sei das Infektionsrisiko allerdings deutlich geringer. „Wenn der Einkauf im Baumarkt erlaubt ist, müsste auch die Fahrt im Autoscooter möglich sein“, argumentiert der DSB-Chef.
Kirmes mit Coronaschutz-Auflagen – das Konzept „Temporärer Freizeitpark“
Die Schausteller werben für wirksame Corona-Schutzauflagen etwa nach dem Konzept des „temporären Freizeitparks“. Das bedeute: Kirmesbesuch nur mit Kontaktpersonen-Nachverfolgung (z. B. Luca-App) sowie Zutritt für Geimpfte und Genesene sowie Personen mit negativen Schnelltest. Schon die für Mitte Juli geplante Sommerkirmes auf dem Gruga-Vorplatz könnte zu einem „temporären Freizeitpark“ erklärt werden.
Lange Vorlaufzeiten, um eine Kirmes zu stemmen, benötigten die Schausteller übrigens nicht. „Unsere Geschäfte stehen abfahrbereit auf unseren Betriebshöfen. Wir sind jederzeit startklar, können in der Regel binnen weniger Tage auf dem Festplatz erscheinen und das Fest aufbauen. Wir fordern die Veranstalter daher dazu auf, im Falle einer unvermeidlichen Absage den letztmöglichen Zeitpunkt zu nutzen“, erklärt Ritter.
Die Schaustellerfamilien müssten zumindest die Chance haben, endlich wieder mit der eigenen Hände Arbeit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten – und das zu tun, was sie am besten können: Den Menschen mit ihren Volksfesten Freude bereiten. Ritter: „Nach dem zweiten Pandemie-Jahr gibt es mittlerweile Fünfjährige, die noch nie auf einem Karussell gesessen haben.“