Essen-Gerschede. In Essen-Gerschede liegen allmählich die Nerven blank. Dort wird im Auftrag der Stadtwerke nun auch sonntags am Pausmühlenbach gearbeitet.
Diesmal ist die Reihenfolge vertauscht: In Gerschede herrscht derzeit der Sturm vor der Ruhe, nicht andersherum. Diesen Eindruck gewinnen jedenfalls Anwohner der Hülsmannstraße und der Bischof-Franz-Wolf-Straße – im Normalfall ein Hort der Ruhe. Doch jetzt wohnen sie nahe einer der zahlreichen Stadtwerke-Baustellen zur Entflechtung des Pausmühlenbachs. Dort wird jetzt sogar sonntags gearbeitet.
Umbau ist eine milliardenschwere Mammutaufgabe
Der Umbau des Emschersystems ist eine milliardenschwere Mammutaufgabe für die Emschergenossenschaft und die beteiligten Städte. Das Abwasser, das ein Jahrhundert lang überirdisch in Richtung Emscher floss, soll jetzt in Rohren tief in der Erde verschwinden. Sind die entsprechenden Bäche wie die Berne, der Borbecker Mühlenbach oder eben auch der Pausmühlenbach naturnah umgebaut, wartet auf die Anwohner eine Idylle – zu beobachten am Oberlauf der Emscher in Dortmund und Castrop-Rauxel.
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Doch im dicht besiedelten Essener Norden ist das ein echte Herausforderung, weil die Pressgruben in unmittelbarer Nähe der Wohnsiedlungen errichtet werden müssen. So wie derzeit in Gerschede an der Levinstraße und eben an der Hülsmannstraße.
Morgens um 4.30 Uhr ist die Nacht zu Ende
Nicole Berchem (46) ist von Beruf Physiotherapeutin und muss morgens um 4.30 Uhr aus den Federn. „Ich brauche am Wochenende die Ruhephasen, da ich gerade jetzt auch wegen Corona besonders beruflich gefordert bin“, berichtet sie. Doch der Lärm durch die Baumaschinen, ihr „ständiges Dröhnen und Wummern“, dazu Lastwagen, die – zu schnell – durch die Bischof-Franz-Wolf-Straße anstatt wie vorgesehen über die Hülsmannstraße fahren, raubten den Schlaf. Nicole Berchem: „Die Nutzung unseres Balkons ist bei angenehmem Wetter nur eingeschränkt möglich, da der Baulärm wie ein Tinnitus in den Ohren liegt.“
Nun wird auch sonntags von 7 bis 19 Uhr gearbeitet
Dass nun auch sonntags von 7 bis 19 Uhr gearbeitet werden darf – die Genehmigung des Umweltamtes konnten Bauarbeiter den Anwohnern am Sonntag zeigen – hält Nicole Berchem für eine „absolute Zumutung“: „Es kann doch nicht sein, dass die Stadt Genehmigungen erteilt ohne Rücksicht auf die Anwohner. Haben diese denn gar keine Rechte?“ Dass die Baustelle auf zwei Jahre angelegt ist, „macht auf Dauer krank“.
Bei den Stadtwerken Essen seien vereinzelte Beschwerden angekommen, bestätigt Pressesprecher Dirk Pomplun. Er selbst habe sich daraufhin die Baustelle am Sonntag angesehen und weist die Vorwürfe zurück. „Sonntags haben wir deutlich eingeschränkte Bedingungen, da geht es deutlich leiser zu als in der Woche“, sagt der Ingenieur. Dass nun auch sonntags gearbeitet wird, habe einen einfachen Grund: „Wir brauchen den Baufortschritt. Der Einsatz unserer Tunnelbohrmaschine ohne Pause wäre besser, optimal wäre es, wenn sie rund um die Uhr arbeiten würde.“ Sechs Meter pro Schicht komme der Bohrer voran, bis dann ein weiteres Rohr in die 13 Meter tiefen Baugrube gehoben werden muss. Der Seilkran laufe nur im Standgas, und die Abgase des Stromaggregats werden in Richtung Bahndamm, also weg von der Siedlung, geblasen. „Einige Monate“ müssten die Anwohner noch mit der Baustelle leben.
Die Stellungnahme der Stadtverwaltung
Die Stadtverwaltung nimmt Stellung: „Das städtische Umweltamt hat für die Maßnahme eine Ausnahmegenehmigung gemäß der 32. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchV) erteilt hat. Diese wurde zunächst bis zum 2. August erteilt und schließt auch den Sonntag, Feiertage und Nächte mit ein.
Die Vortriebsarbeiten der Maßnahme können aus technischen Gründen nur schlecht unterbrochen werden und ein An- und Abfahren der nötigen Maschinen wäre mit höheren Emissionen verbunden, die die Anwohnerinnen und Anwohner noch mehr belasten würden. Zudem ist die Herstellung des Kanals im öffentlichen Interesse notwendig.
Grundsätzlich verpflichtet das Umweltamt den Antragssteller bei der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung dazu, die betroffene Nachbarschaft im Vorfeld zu informieren. Die Stadtverwaltung steht bezüglich der Maßnahme im direkten Austausch mit den Stadtwerken. Über die Maßnahme selbst liegt dem Essener Umweltamt aktuell eine Beschwerde vor.“