Essen-Schönebeck. Eine neue Bürgerinitiative möchte die Grünflächen in Essen-Schönebeck erhalten. Sie lud jetzt zum ersten Informationsabend ein.
Die im August gegründete Initiative „Rettet die Schönebecker Grünflächen“ tritt gegen mögliche Neubauten im Stadtteil Essen-Schönebeck an. Gut 400 Bürger informierten sich am Montagabend beim Treffen auf dem Festplatz der Bergbaukolonie.
In Schönebeck liegen drei von 28 Grünflächen, die im November 2018 beim Vorzeigeprojekt „Wo wollen wir wohnen?“ empfohlen wurden. Zur Erinnerung: Rund 500 Bürger aus der ganzen Stadt überlegten beim eintägigen Treffen, welche Gebiete sich in Zukunft für neuen Wohnraum eignen würden.
Es geht um Frischluftschneisen in Essen-Schönebeck
Dass ihre beliebten Wald- und Parkflächen wegfallen könnten, hat die Schönebecker alarmiert: Die Frischluftschneisen möchten sie erhalten. Konkret geht es unter anderem um zwei Hektar Grünfläche an der Pollstraße. Im Randbereich der Schönebecker Schlucht sieht man die Gelegenheit, 100 Wohneinheiten zu errichten. Die Schlucht selbst steht unter Naturschutz.
Eine weitere Fläche mit Priorität eins liegt an der Schacht-Kronprinz-Straße, am Randbereich der Schlucht, ist einen Hektar groß und würde den Bau von 50 Wohneinheiten ermöglichen. Schließlich guckte eine am städtischen Bürgerforum 2018 in der Messe beteiligte Kleingruppe noch einen Hektar Grünfläche an der Aktienstraße 117 bis 119 in Hanglage des Winkhauser Tals aus. 50 Wohneinheiten wurden hier angedacht, mit Priorität zwei.
Naturschutzbund kämpft für die Erhaltung des Grüns
Zur Versammlung der Bürgerinitiative „Rettet die Schönebecker Grünflächen“ hatte sich scheinbar das halbe Dorf nach Feierabend auf den Weg zum Festplatz an der Schacht-Kronprinz-Straße gemacht. Von der Holzbühne auf der Wiese informierten drei Redner 90 Minuten über die Sachlage. Bebauungsdetails gibt es kaum. Kein Wunder: Die Stadtverwaltung prüft noch, welche Flächen sich tatsächlich für neue Wohngebiete eignen. Doch bereits jetzt kämpft der Naturschutzbund Nabu Ruhr für die Erhaltung des Grüns – nicht nur in Schönebeck.
Dass man in Essen tatsächlich 16.500 neue Wohneinheiten benötige, wie von der Stadt berechnet, halten die Naturschützer für weitaus überzogen. Sie wünschen sich, dass alte Industriebrachen aufbereitet und unberührte Flächen aus Klimaschutzgründen verschont bleiben. Seit 40 Jahren kümmert sich Wolfgang Sykorra, langjähriger Leiter des Gymnasiums Borbeck und Ex-Vorsitzender des SPD-Ortsverbandes, um die Natur im Stadtteil. „Schon 1914, im Eingemeindungsvertrag mit der Stadt Essen“, weiß er, „lebten hier sehr weise Umweltschützer: Sie legten in den Verhandlungen fest, dass die landschaftlich schönen Talmulden als öffentliche Anlagen erhalten werden sollten.“
Einladung zur Wanderung durch Schönbeck
Am Donnerstag, 3. Oktober, lädt die Initiative „Rettet die Schönebecker Grünflächen“ zur Wanderung ein.
Um 11 Uhr starten die Umweltschützer von der Bergbaukolonie an der Schacht-Kronprinz-Straße in die betroffenen Grünflächen.
Die Tour dauert circa zwei Stunden. Im Anschluss winken Grillwurst und Bier.
Gemeint sind die „Borbecker Siepen“, schmale, feuchte, schluchtartige Täler mit Quellbächen. Schon in der Vergangenheit haben die Schönebecker einige Bauvorhaben erfolgreich verhindert, wie Sykorra aufzeigt. Nur ein Beispiel: Der „Ostfriesen-Spieß“ nach Emden, die Autobahn 31, sollte vorbeigeführt werden, doch in Bottrop war Schluss. „Der Begriff wurde in Borbeck geprägt, denn entlang der Trasse werden die Naturschutzgebiete wie an einem Fleischspieß aufgereiht.“
Naturschützer fordert „Umweltgerechtigkeit“
Kritik am überregional gefeierten Bürgerforum äußerte Uwe van Horn vom Naturschutz Ruhr. „Was sich in Sachen Klima- und Artenschutz in den letzten 15 Jahren entwickelt hat, ist eine Katastrophe“, betonte er auf der Versammlung. Er forderte eine „Umweltgerechtigkeit“: Alle Bürger in allen Stadtteilen sollten Grün vor der Haustür haben. Würde man die Brachen aufbereiten, müsse man nicht an die wenigen Grünflächen gehen, „weder in Schönebeck, noch sonst wo in Essen“, meint Michael Happe, Architekt und Umweltschützer.
Der Stadt rät er, ein aktuelles Baulücken-Kataster zu erstellen und sieht Fehler in der Prognose zum benötigten Wohnraum. Die Zahlen von 2013 seien mittlerweile überholt, so der freie Stadtplaner. Benötigt würden vor allem Seniorenwohnungen und preisgünstiger Wohnraum. Auf den betroffenen Grünflächen hingegen wolle man einzig Quartiere für die gehobene Mittelschicht errichten. „Dies ist aber nicht die benannte Zielgruppe.“
700 Unterschriften gesammelt
„Die Sorge ist da, dass Schönebeck bald nicht mehr so aussieht wie früher“, hatte Sprecher Karsten Fähndrich von der Initiative zur Begrüßung der Gäste erklärt und damit vielen aus der Seele gesprochen. „Ich bin hier geboren und aufgewachsen“, sagt Doris Becker, die mit einer Bekannten auf einer langen Bierbank das Thema verfolgte. Nicht nur für ihre Enkel hofft sie, dass am Ende nicht Profitgier, sondern der Umweltschutz siegt. In die Unterschriftenliste hat auch sie sich schon eingetragen, wie rund 700 weitere Anwohner nach dem neuesten Stand.
Am Ende des Treffens spannten die Zuhörer mitgebrachte Taschen- und Stockschirme auf. Dazu hatte man vorab über Flugblätter aufgerufen. „Die Aktion sollte symbolisch das drohende Unheil vom Stadtteil abhalten“, erklärt Sykorra von der Initiative. Ein schönes Bild: Rund 400 Schirme in allen Farben und Größen. Im Himmel darüber lachte die Abendsonne.
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