Essen. Das Welterbe, wie es klingt und knirscht: Schüler suchen und finden „Klangspuren“ auf Zollverein. Ab November kann man auch dem Grubenwasser beim Gluckern zuhören. Die Projekte gehören zum Neue-Musik-Festival „Now“.
Manche Menschen werden noch sehr genaue Vorstellungen vom Klangbild einer Zeche haben. Da stampft und donnert es in der akustischen Erinnerung, da hämmert es mechanisch im Takt der Maschinen und klingt infernalisch nach Arbeit, Schweiß und Grubengold.
Konstantin und Maurice wissen, dass sich so eine Zeche auch ganz anders anhören kann. Da knirscht es sacht, wenn man durch ihr Kiesbett streift. Und es scheppert rhythmisch, wenn man ihr über die metallenen Geländerstäbe fährt. Überhaupt ist dieses Welterbe doch ein Instrument, das man mit Schlagzeug-Sticks und Trommel-Schlegeln prima bespielen kann. „Alles im Kasten“ nickt Maurice zufrieden und streift die Kopfhörer ab. Beim Workshop „Klangspuren“ auf Zeche Zollverein gehen Schüler von zehn bis 13 Jahren derzeit auf eine akustische Erkundungstour zwischen Riesen-Rolltreppe und Denkmalpfad. Das Jugend-Programm im Rahmen des Festivals „Now“ ist Vorgeschmack auf ein groß angelegtes Schulprojekt, das im nächsten Februar vorgestellt werden soll.
"Wir wollen das Wahrnehmungsspektrum erweitern"
Die „Klangspuren“ begleiten außerdem die Arbeit der Künstlerin Christina Kubisch, die mit ihrer Installation „Unter Grund“ ab November zumindest akustisch in die Tiefe der einst weltgrößten Steinkohle-Zeche führt. Mit so genannten Hydrophonen fängt sie unter Tage die Wasser- und Pumpgeräusche ein, die das Grubenwasser heute noch erzeugt. Die Zeche, wie sie schwappt und gluckst.
Über Tage klingt es auf einer Welterbe-polierten Zeche heute freilich weniger archaisch. Und deshalb muss man besonders genau lauschen. Insofern versteht sich der Workshop auch als Ohrenöffner und Sensibilisierungs-Kurs für manchmal schon eingefahrene Hörgewohnheiten. „Musik ist für uns meist mit einer gewissen Perfektion und Handwerklichkeit verbunden“, weiß der Klang-Künstler Frank Schulte, „wir wollen das Wahrnehmungsspektrum erweitern auf den Bereich Klang.“
Sound, das meint eben nicht nur Musik, sondern alle akustischen Phänomene. Und die Soundscapes, die Klanglandschaften, die hier entstehen, sind entsprechend vielfältig. Da wird das Rauschen der Rolltreppe zum Klangteppich, während die Metallgitter drüber rasseln. Am Laptop werden die aufgenommenen Geräusche schließlich verarbeitet, verzerrt, verhallt, in Loops wiederholt oder mit einem Beat unterlegt. Den Schülern ist das Tüfteln am Rechner meist unter Remixen geläufig „Den Begriff kennen die meisten von Youtube, da haben sie einen Anknüpfungspunkt“, erklärt Folkwang-Dozentin Lesley Olson. Als Belohnung gibt’s für alle Teilnehmer am Ende eine CD mit selbst gemixten Tracks. Und natürlich Anregungen, den Alltag auch künftig vielschichtig zu vertonen.
Zollvereins „Unter Grund“
Vom 2. bis 30. November können Zollverein-Besucher mit Christina Kubischs audio-visueller Installation „Unter Grund“ einen Eindruck von der Klangvielfalt des Welterbes erhalten. In Halle 8 erwartet sie ein Parcours von fremdartigen und geheimnisvollen Klangwelten.
Anlässlich des Projektes im Rahmen des Festivals „Now“ findet auch ein mehrmonatige Schulprojekt „Klangspuren“ unter Leitung von Lesley Olson statt, das am 6. Februar, 18 Uhr, auf Zollverein präsentiert wird.