Essen. . Vor einer Woche zogen die ersten sechs Drogenabhängigen los, um für das Projekt „Pick up“, das auch unter dem Slogan “Putzen für Bier“ bekannt wurde, Treffpunkte der Essener Trinker- und Drogenszene zu reinigen. Obwohl die Ein-Euro-Jobber bis zu drei Bier vor und nach der Tour trinken können, hat noch keiner von ihnen zur Flasche gegriffen.

Ehe das Sozialprojekt „Pick up“ unter dem Slogan "Putzen für Bier" loslegte, wurde leidenschaftlich darüber gerungen, ob den meist mehrfach drogenabhängigen Teilnehmern wirklich Bier gegeben werden soll. Kurios: Bis jetzt, genau eine Woche nach dem Start, hat noch kein einziger von ihnen zu einer Flasche Bier gegriffen.

„Das haben wir ihnen nicht auferlegt, das tun sie freiwillig“, betont „Pick up“-Projektleiter Oliver Balgar von „Suchthilfe direkt“. In den nächsten zwölf Monaten schickt die Einrichtung bis zu zehn Projektteilnehmer zu einschlägig bekannten Treffpunkten der Trinkerszene wie Willy-Brandt-Platz und Waldthausenpark, wo sie Spritzen, Flaschen und anderen Dreck einsammeln. Als Anreiz, nicht als Belohnung haben die Ein-Euro-Jobber vor und nach der Tour die Möglichkeit, bis zu drei Flaschen Bier zu trinken.

"Eines Tages wieder normal arbeiten gehen"

Weil das Pick up-Projekt bundesweit einmalig ist, geben sich Fernsehteams in der Hoffnungstraße die Klinke in die Hand. Am gestrigen Mittwoch filmten Kamerateams des französischen Senders „Canal +“ sowie des ZDF die in Orange gekleideten Teilnehmer bei ihrem Putzjob in der verregneten Innenstadt.

Mike (39), ein gelernter Maurer und Betonierer, der auch auf der Großbaustelle Limbecker Platz im Einsatz war, empfindet „ein großes Stück Stolz“, dabei zu sein. Weil er eine Zeit lang in der Fußgängerzone die Obdachlosenzeitung verteilt hat und vielen Geschäftsleuten bekannt ist, freut er sich jetzt riesig, wenn die Menschen ihm anerkennend auf die Schulter klopfen. „Ich will eines Tages wieder normal arbeiten gehen“, betont er, und fügt leise hinzu: „Ich habe noch ein Ziel: Ich möchte unbedingt meinen Sohn wiedersehen.“

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Struktur in den Tagesablauf bringen

Micha (54), gelernter Altenpfleger, später Aktienverkäufer und zuletzt durch Alkoholprobleme aus der Bahn geworfen, berichtet, dass er ebenfalls gerne dabei sei. Der Einsatz nutze nicht nur ihm persönlich, auch die Gesellschaft profitiere davon. „Wir säubern ja nicht nur unser Wohnzimmer, die Bahnhofsplatte, sondern auch andere Stellen.“ In den Monaten vor „Pick up“ habe er schon morgens Bier getrunken anstatt zu frühstücken. Danach habe er am Bahnhof gestanden und mittags seinen Rausch ausgeschlafen. „Jetzt bin ich trocken, aber ich weiß nicht wie lange“, sagt Micha.

Erste Bilanz "Pick Up"

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    Eine Struktur in den Tagesablauf von mehrfach drogenabhängigen Menschen zu bringen, das ist eines der Minimalziele des Projekts. Ebenfalls wichtig: Während jeder Vier-Stunden-Schicht gibt’s mittags eine warme Mahlzeit. „Alle sechs Teilnehmer kommen täglich und pünktlich zur Arbeit, wir sind voll und ganz zufrieden“, resümiert Oliver Balgar.