Essen. . Fruchtblase geplatzt, starke Wehen im Auto, dann dramatische Sturzgeburt direkt vor dem Krupp-Krankenhaus: Anna Termath bringt ihr erstes Kind Matilda mit Hilfe ihres Mannes Marius Hantusch zur Welt - zwischen parkenden Autos und bei fahlem Licht. Der Vater hatte den Geburtsvorbereitungskurs mitgemacht.

Die kleine Matilda schlummert am Montagnachmittag in ihrem Bettchen sanft träumend vor sich hin. Ab und an gibt sie glucksende Laute voller Glückseligkeit von sich. Der Wonneproppen mit dem dunklen Haar ist erst einen Tag alt und ahnungslose Heldin eines Dramas mit wunderbarem Happy End. Denn Matilda kam Sonntagmorgen in aller Frühe und völlig überstürzt zur Welt – nicht im Kreißsaal, sondern auf dem Parkplatz des Alfried-Krupp-Krankenhauses: zwischen abgestellten Autos und im fahlen Licht einer Straßenlampe. „Wir sind überglücklich, Matilda in den Armen halten zu dürfen“, sagen Anna Termath und Marius Hantusch, die strahlenden Eltern, am Tag danach.

Wenn ein Baby schon vor dem Kreißsaal geboren wird

Im Krupp-Krankenhaus kommen im Jahr rund 900 Erdenbürger zur Welt. So genannte Sturzgeburten sind dabei sehr selten. „Bei uns passiert das höchstens ein bis zwei Mal im Jahr“, sagt Chefärztin Prof. Dr. Regine Gätje.

Frauenärzte empfehlen Vätern die Teilnahme am Geburtsvorbereitungskurs. Der Vater im aktuellen Fall hat alles richtig gemacht.

Im Drama um Matildas Sturzgeburt darf der stolze Papa wohl die Rolle des Helden beanspruchen. Denn dem 31-Jährigen allein ist zu verdanken, dass das Neugeborene überraschend komplikationslos und sicher das Licht der Welt erblickte. Chapeau für eine Meisterleistung, die ihm höchste Anerkennung auch von Hebammen und Krankenschwestern, Frauenärztinnen und Geburtshelfern einträgt. „Der werdende Vater hat die Geburt wirklich bemerkenswert gelassen und souverän begleitet“, attestiert ihm Professorin Dr. Regine Gätje, die Chefärztin der Gynäkologie.

Weil eigentlich nichts für die nahende Niederkunft spricht, gehen die werdenden Eltern am Sonntag um ein Uhr früh ins Bett. „Doch dann passiert es, die Fruchtblase platzt“, berichtet Marius Hantusch. Rasch packt er seine Frau samt vorbereitetem Koffer in seinen Seat Ibiza und macht sich von Schönebeck auf den 20-minütigen Weg nach Rüttenscheid. Doch Matilda hat es unerwartet eilig. Die Wehen setzen ein mit aller Macht. Sie werden immer schneller und stärker, so stark, dass die Mutter schreien muss.

Auf dem Parkplatz angekommen schafft Anna Termath nur noch drei Schritte, da spürt sie plötzlich schon die langen Haare der Kleinen. Der werdende Vater, ein Experte für Qualitätsmanagement, legt sie geistesgegenwärtig aufs kalte Pflaster – und erblickt schon den Kopf seiner Tochter. „Sie guckte mich an und knötterte.“

Weil er aufmerksam am Geburtsvorbereitungskurs teilgenommen hat, tut er im Augenblick größter Anspannung exakt das Richtige. Er hält seine Hand schützend unters von Käseschmiere überzogene Köpfchen und wartet. „Ich wusste, dass sie sich nach 30 Sekunden drehen würde und so geschah es.“ Auch Mutter Anna tut jetzt das Richtige, sie presst. Und – flupp – schon ist Matilda, das eilige „Parkplatz-Baby“, auf der Welt. „Ich habe sie auf Anna gelegt und mit meiner Jacke zugedeckt.“ Dann ruft er im Kreißsaal an und bittet um Hilfe.

3180 Gramm und 51 Zentimeter

Auch eine Krankenhaus-Mitarbeiterin, die eigentlich ihren Dienst antreten will, hilft der jungen Familie. Es sind diese seltenen Momente, in denen Sekunden und Minuten wie eine Ewigkeit empfunden werden. Marius Hantusch legt noch schnell einen Morgenmantel über Mutter und Tochter. Und als Julia Winter, die diensthabende Ärztin, und Hebamme Wenke Philipp, eintreffen, packt unser Held beherzt zu Klemme und Schere und durchtrennt eigenhändig die Nabelschnur. Ob Matilda etwas von den bangen Minuten, vom großen Schreck gespürt hat? Offenbar nicht. „Sie war die ganze Zeit ganz ruhig und hat nicht geschrien“, berichtet der Vater.

Im professionellen Ambiente des Kreißsaals läuft jetzt die Routine nach der Geburt ab. Matilda wird untersucht, vermessen, gewogen. 3180 Gramm und 51 Zentimeter misst das Neugeborene. Und nimmt nach so viel Aufregung um ihre Person erst einmal eine volle Mütze Schlaf. „Sie hat drei Stunden geschlummert und wurde am Abend zum ersten Mal gestillt“, gibt der Vater zu Protokoll. Dass ihr erstes Kind ein Mädchen werden würde, haben die erleichterten Eltern vorher gewusst. Aber mit dem Namen fürs eilige Kind lassen sie sich noch Zeit. Erst zwei Stunden nach der aufregenden „Parkplatz-Geburt“ legen sie sich fest. „Matilda, das passt zu ihr“, sagen sie. Und lächeln.